Als General von Schleicher (Reichskanzler seit 3.12.32) den
Vorschlag macht, den Reichstag auf unbestimmte Zeit aufzulösen
und durch Notverordnungen zu regieren - er hat wie seine
Vorgänger keine tragfähige Mehrheit im Reichstag erhalten
können - ist Hitlers Moment da:
Hindenburg lehnt Schleichers
Vorschlag ab und beauftragt auf Drängen von führenden
Wirtschaftskreisen und seines Sohnes Oskar Hitler mit der
Regierungsbildung. Dieser hat im Laufe des Jänner 1933 mit dem
ehemaligen Kanzler Papen (der aus dem katholischen Zentrum
stammt), mit Hugenberg (Zeitungszar und Vorsitzender der
Deutschnationalen Volkspartei) und Oskar Hindenburg eine
Regierungskoalition ausgehandelt, die am 30. Jänner 1933
ernannt wird:
Hitler als Reichskanzler,
weitere NSDAP-Minister: Frick
(Inneres), Göring (ohne
Geschäftsbereich, er wird aber auch preußischer
Innenminister); DNVP (Deutschnationale Volkspartei):
Hugenberg (Wirtschaft), Gürtner (Justiz),
parteilose Minister sind Vizekanzler Papen (vorher
Zentrumspartei), Außenminister Neurath,
Finanzminister Schwerin-Krosigk, Reichswehrminister
Blomberg, Verkehrsminister Eltz-Rübenach und
Arbeitsminister Seldte (Gründer des "Stahlhelm", eines
militanten Veteranenverbandes).
so sah ein Karikaturist des sozialdemokratischen
"VORWÄRTS"
den Sturz von Kanzler Schleicher
Hindenburg,
der alte Depp, ließ sich vom Reichswehrobersten Oskar von Hindenburg,
seit 1925 der politisch problematische Adjutant
und nach zeitgenössischem Spott "in der
Verfassung nicht
vorgesehene Sohn des Reichspräsidenten" für Hitler beeinflussen
die Hauptbeteiligten am Komplott zur Installierung Hitlers als
Reichskanzler:
Der Sohn von Reichspräsident Hindenburg, der Zeitungszar
Hugenberg,
der ehemalige Zentrumspolitiker Papen und der Staatssekretär
Meißner
General von Schleicher hatte bis zuletzt Illusionen über seine Möglichkeiten gehabt. In den in den Neunzigerjahren geöffneten Moskauer Archiven tauchte dazu ein interessantes Schriftstück auf, das die tagespolitische Lage darstellt und zusammenfasst.
Aufrufe zum Widerstand und Proteste gegen Hitlers Kanzlerschaft bewirken nichts mehr ...
... Hitler ist Reichskanzler
In dieser CHRONIK DES DRITTEN REICHES wird ausgiebig versucht, den Nationalsozialismus in seiner gesinnungsmäßigen Wirkungs- und Erscheinungsweise darzustellen, daher sei an dieser Stelle auch daran erinnert, dass der Faschismus kein ideologischer Selbstzweck ist, sondern das Produkt bestimmter Umstände in der kapitalistischen Gesellschaft - hier zur "Machtergreifung" ein Abstecher zu näheren Erläuterungen der gesellschaftspolitischen und ökonomischen Hintergründe: Reinhard Kühnl über faschistische Herrschaftssysteme.
Hitler und seine Mitstreiter
"Die Mitarbeiter des Führers, aufgenommen am Tage seiner
Ernennung zum Reichskanzler",
von links nach rechts: Oberpräsident Kube, preußischer
Justizminister Kerrl, Goebbels, Hitler,
SA-Stabschef Röhm, (preußischer) Ministerpräsident Göring, Bauernführer
Darré,
Reichsführer SS Himmler, Führer-Stellvertreter Heß, sitzend Innenminister Frick
In Berlin feiern zehntausende begeisterte Nazis die
Regierungsübernahme durch Hitler:
die Machtergreifung.
Das NS-Staatssystem wird nun Schritt um Schritt
in Richtung Einparteienstaat und Führerdiktatur entwickelt.
Göring spricht:
Ausschnitt aus einem zeitgenössischen NS-Gemälde, SA
marschiert durchs Brandenburger Tor
.
das neue Reichskabinett - SA marschiert
Hitler will die Absicht Schleichers, ohne Reichstag zu regieren, verwirklichen. Eine Mehrheit für eine "Vertagung des Reichstages auf ein Jahr" ist nicht erreichbar, Hitler orientiert sich daher auf baldige Neuwahlen, die eine Mehrheit für eine NS-Regierung bringen sollen.
Deutschland hat über sechs Millionen Arbeitslose, was
bei der damaligen Wirtschaftsstruktur mit verhältnismäßig
vielen Selbstständigen (Bauern, Kleingewerbetreibende,
Handwerker, Gemischtwarenhändler usw.) einen extrem
hohen Prozentanteil der Arbeitslosen an den
Unselbständigen ergab, in einzelnen Bereichen oder Gebieten
war die Zahl der Arbeitslosen bis über 50% der
Erwerbstätigen gestiegen. Der starke Mittelstand spürte
die Auswirkungen und fürchtete die Proletarisierung, das
Proletariat stand am Rande des Elends.
Die
Arbeitsplatzkapazität der deutschen Industrie ist nur zu 40%
ausgenutzt. Durch das Trauma der gigantischen Inflation nach
dem 1. Weltkrieg scheuten sich die Regierungen vor Hitler, die
Wirtschaft durch erhöhte Staatsausgaben anzukurbeln.
Inflationsfördernde Staatsdefizite schienen eine größere
Gefahr zu sein als steigende Arbeitslosigkeit und
wirtschaftliche Zusammenbrüche. Der Aufstieg der NSDAP war die
Folge dieser unverantwortlichen Politik.
Der sozialdemokratische Vorwärts beurteilte die Kanzlerbestellung Hitlers durch Hindenburg als "furchtbarste Verantwortung, die jemals ein Staatsoberhaupt übernommen hat". Hitler gab sich bei seinem Eintritt in die Reichskanzlei prophetisch: "Keine Macht der Welt wird mich jemals lebend hier herausbringen". Beide Feststellungen werden sich als richtig erweisen.
mit "mouse-over" hört man, wie Göring
mit dem Proporz der "Altparteien" aufräumen will
..
Am 1.2.1933 löst Hindenburg den erst im November gewählten Reichstag auf, »nachdem sich die Bildung einer arbeitsfähigen Mehrheit als nicht möglich herausgestellt hat«. Für den 5. März werden die Neuwahlen angesetzt. Hitler hält seine erste Rundfunkrede, er verliest den "Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk", worin es u.a. heißt: »Über 14 Jahre sind vergangen seit dem unseligen Tage, da, von inneren und äußeren Versprechungen verblendet, das deutsche Volk der höchsten Güter unserer Vergangenheit, des Reiches, seiner Ehre und seiner Freiheit vergaß und dabei alles verlor.« Er fordert: »Nun deutsches Volk, gib uns die Zeit von vier Jahren und dann urteile und richte über uns!« Hitler verzichtet auf das Einkommen als Reichskanzler, da er "als Schriftsteller genug verdient" - was ihn nicht daran hindern wird, in den folgenden Jahren die Staatskasse auch ausgiebig für seine Bedürfnisse zu nutzen.
Am 3. Februar bereits spricht der neue Kanzler vor hohen Offizieren über seine Absichten. Er kündigt eine autoritäre Staatsführung, die Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln, die Beseitigung des Versailler Friedensvertrages, militärische Aufrüstung und die Ausrottung des Marxismus an. In dieser Rede legt Hitler unverblümt seine Ansichten und Absichten dar. Die revanchistisch und antidemokratisch gesinnten Offiziere haben im Prinzip dieselben Einstellungen wie Hitler. Die Ausführungen des neuen Verbündeten wurden von den Militärs mitgeschrieben und sind erhalten geblieben: Hitler vor den Militärbefehlshabern. Im Reichskabinett wird dazu am 8.2. festgelegt, dass bei allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung die Aufrüstung den Vorrang habe.
Am 4. Februar werden durch die Verordnung zum Schutze des Deutschen Volkes Grundrechte der Weimarer Verfassung, insbesondere Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt. Die vom Reichspräsidenten Hindenburg erlassene und von ihm, Hitler, Frick und Dr. Gürtner unterschriebene Verordnung geht auf Planungen der Regierung Papen zurück und sollte im beginnenden Wahlkampf zur Bekämpfung der politischen Gegner der neuen Regierung verwendet werden. Diese Verordnung wurde nach der dem Reichstagsbrand vom 27.2. folgenden Verordnung zum Schutz von Volk und Staat bedeutungslos.
Am 5.2. wird vom Reichspräsidenten für Preußen Papen als Reichskommissar eingesetzt, der am 7.2. den preußischen Landtag auflöst.
Aus der Hitlerrede im Berliner Sportpalast am 10.2., diese Rede war die
erste, die in ganz Deutschland von allen Rundfunkstationen übertragen wird,
"Führerreden" im Radio wurden zu "Straßenfegern":
Der neue preußische Innenminister Göring sichert am 17.2. der Polizei Straffreiheit für Waffengebrauch gegen Staatsfeinde zu, "gegen kommunistische Terrorakte und Überfälle ist mit aller Strenge vorzugehen und, wenn nötig, rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen."
Die neue Reichsregierung übernimmt Investitionspläne, die noch unter der Regierung Schleicher vorbereitet worden waren, aber nicht zur Ausführung gelangten. Rund 3 Milliarden Reichsmark sollen öffentlich investiert werden. In diesem Winter haben rund zwölf Millionen einen Arbeitsplatz, sechs Millionen sind ohne Beschäftigung. Am 20.2. erläutert Hitler den Spitzen der deutschen Wirtschaft seine Pläne, diese stellen der NSDAP und der DNVP drei Millionen Mark für den kommenden Wahlkampf zur Verfügung.
In Preußen wird von Göring am 22.2. die Aufstellung einer 50.000 Mann starken "Hilfspolizei" aus SA, SS und Stahlhelm angeordnet.
Armbinde "Hilfspolizei" macht Parteimilizen zur Staatsgewalt
In den Abendstunden des 27. Februars beginnt der Berliner Reichstag zu brennen. Ein Ereignis, das den Absichten der Nazis vorzüglich in die Hände spielt. Die Hintergründe der Brandstiftung sind bis heute nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Als Täter wird der holländische Kommunist/Anarchist Marinus van der Lubbe festgenommen, der den Brand möglicherweise alleine gelegt hatte. Die Nazis nützen die Situation jedenfalls sofort für ihre Zwecke, der Anschlag sei das Aufstandssignal der KPD gewesen, behaupten sie und spielen sich als die Bewahrer und Beschützer von Recht, Ordnung und Sicherheit auf.
"Dem
deutschen Volke" schadet der Reichstagsbrand enorm,
denn er hilft
den Nazis sehr, ihre Ziele rascher zu verwirklichen
Aus beschlagnahmten kommunistischen Materialien ginge hervor, »dass die Kommunisten Terrorgruppen bilden wollten, das Anstecken öffentlicher Gebäude beabsichtigten, Vergiftung von öffentlichen Küchen verursachen wollten, sowie Frauen und Kinder von Ministern und anderen hochgestellten Persönlichkeiten als Geiseln zu entführen beabsichtigten.« Zwar können diese angeblichen Materialien der Öffentlichkeit nicht präsentiert werden, aber die aufgestellten Behauptungen sind Anlass für die Schließung der Lokale der KPD, Verbot ihrer Zeitungen und die Festnahme ihrer Abgeordneten. Der Innenminister (Frick, NSDAP) legt die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vor, mit welcher eine Reihe von Verfassungsgrundrechten außer Kraft gesetzt wird, Reichspräsident Hindenburg erlässt die Verordnung schon am 28.2. und gibt damit die (von bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechten beträchtlich "gesäuberte") Staatsgewalt in die Hände der Nazis. Eine Reihe von Politikern und Persönlichkeiten flieht ins Ausland, zahlreiche NS-Gegner (z.B. Carl von Ossietzky und Erich Mühsam) werden inhaftiert. Die SA (als "Hilfspolizei") richtet überall Anhaltelager für politische Gegner ein und setzt darin hauptsächlich Kommunisten und Sozialdemokraten fest, an denen man sich nun sein Mütchen kühlen kann.
das
NS-Parteiblatt schreibt die Wahrheit - über den NS-Terror
Schutzpolizei
transportiert festgenommene Kommunisten ab
Terrorvorwürfe gegen die schärfsten politischen Gegner,
Massenfestnahmen und aggressive Wahlwerbung
NSDAP-Wahlplakat,
Marschall Hindenburg und Gefreiter Hitler
verbreitet
wird auch passender Politkitsch
Am 3. März wird der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann,
in Haft genommen. In der Folge war vorerst geplant, gegen ihn ein Gerichtsverfahren
durchzuführen, als sich dann zeigt, dass es selbst im angepassten NS-Recht schwierig
sein wird, einen Verurteilungsgrund zu finden, wird 1935 die Untersuchungshaft auf Anordnung Hitlers zur "Schutzhaft" umgewandelt und Thälmann
in verschiedenen Haftanstalten weiter festgehalten.
Er kommt 1944 ins
KZ Buchenwald und wird dort ermordet.
dieses
heimlich aufgenommene Foto zeigt
Ernst Thälmann beim Hofgang in der U-Haft
In Österreich wird am 4. März 1933 mit der so genannten "Selbstausschaltung des Parlaments" (Rücktritt aller drei Parlamentspräsidenten) der Weg in den Klerikalfaschismus frei, der christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß regiert mit Notverordnungen.
Unter dem Ausnahmerecht finden am 5. März die
Reichstagswahlen statt.
Die NSDAP erreicht über 17
Millionen Stimmen, allerdings bleibt sie deutlich unter
der absoluten Mehrheit. Zusammen mit der "Kampffront
Schwarz-Weiß-Rot" (DNVP und nationalistische
Splittergruppen) hat die bisherige Regierung immerhin eine
Mehrheit von rund 52% gewonnen.
Mit einem illegalen
Schachzug sichert sich die NSDAP am 8.3. die alleinige
absolute Reichstagsmehrheit.
Die Reichsregierung hebt
(mit Hilfe der Reichstagsbrand-Notverordnung!) die 81
Mandate der KPD auf:
647 Abgeordnete waren gewählt worden,
davon entfielen 288 auf die NSDAP, 324 wären für die
Mehrheit nötig gewesen, nach der Einziehung der 81
KPD-Sitze genügen 284. Die Behauptung, die Nazis wären
völlig legal an die Macht gekommen, stimmt also auch formal
nicht. Jetzt ist Hitler nicht mehr auf seine Koalitionspartner
angewiesen.
Ab 5.3. wird durch Einsetzung von Reichskommissaren für die Polizeibefugnisse in den Ländern deren direkte Unterordnung unter die Reichsregierung in die Wege geleitet.
13.3.: Joseph Goebbels wird Minister für Volksaufklärung und Propaganda.
Am 21.3. Staatsakt in der Potsdamer Garnisonskirche, Hitler und Hindenburg treffen am "Tag von Potsdam" in einer Zeremonie aufeinander, Goebbels: "Vermählung zwischen den Symbolen der alten Größe und der jungen Kraft."
Tag von Potsdam: Göring, Hitler, Hindenburg
Die Regierung sichert sich am 21.3. gegen oppositionelle Kritik durch die "Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung" (Vorläufer des "Heimtückegesetzes").
Am 20.3. stimmte das Reichskabinett dem Entwurf des
"Ermächtigungsgesetzes" zu, das am
24.3. mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit vom
Reichstag beschlossen wird. Das "Gesetz zur Behebung der
Not von Volk und Reich" schaltet den deutschen Reichstag
als gesetzgebende Körperschaft aus.
»Reichsgesetze
können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen
Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen
werden«, das Gesetz ermächtigt die Regierung sogar
zum Abweichen von der gültigen Verfassung, ermöglicht dadurch
formell die Hitler-Diktatur. Nur die anwesenden
Abgeordneten der SPD stimmen gegen die Vorlage, auch
Parteien, die bisher Distanz zu Hitler hielten, wie das
(katholische) Zentrum, die Bayrische
Volkspartei, die Staatspartei, die Deutsche
Volkspartei u.a.m. stimmen zu. Geschickt hat Hitler sie
mit Druck und Versprechungen auf seine Seite gezogen. Von den
Versprechungen (Aufhebung der Notstandsverordnungen,
Einsetzung eines Reichstagsauschusses zur Regierungskontrolle)
ist nach Beschlussfassung selbstverständlich keine Rede mehr.
Die Machtübernahme der
Nationalsozialisten begründete sich auf das Überlaufen des
bürgerlichen Lagers zu den Nazis, das ca. die Hälfte
seiner Stimmen an die NSDAP verloren hatte, und auf das
Versagen der Arbeiterparteien. Die Sozialdemokraten bemühten
sich um Zurückhaltung, sprachen davon, dass auch Hitler nach
sechs Monaten abgewirtschaftet haben werde, ja es reisten
sogar im März mehrere SPD-Funktionäre ins Ausland, um auf
andere sozialistische Parteien einzuwirken, die
Veröffentlichung "unrichtiger Darstellungen" über die
Zustände in Deutschland einzustellen, die KPD war bei ihrer
rabiat pseudorevolutionären Haltung geblieben und hatte in den
Sozialdemokraten (den "Sozialfaschisten") den Hauptfeind
gesehen - bis es zu spät war: Es müsse eine Einheitsfront
von unten errichtet werden, die sich gegen die Nazis
und gegen die Führung der SPD richten sollte.
Kooperationsangebote waren immer wieder zurückgewiesen
worden.
blitzblöde
Schlagzeile von vor 1933 in der "Roten Fahne":
NSDAP und SPD
"Flügelparteien der faschistischen Diktatur"
Ein entscheidender Fehler passierte bei den
Reichspräsidentenwahlen 1932, es standen sich mit Hindenburg
und Hitler faktisch nur noch rechts und rechtsextrem
gegenüber, die Möglichkeit eines gemeinsamen Kandidaten des
linken, des liberalen und des gemäßigten bürgerlichen Lagers
war nicht ausgenützt worden. Mit der Wahl Hindenburgs wurde
ein Grundstein für die Kanzlerschaft Hitlers gelegt.
(Anmerkung zu den Wahlen des Reichspräsidenten: im 1.
Durchgang vom 13.3.32 erhielt Hindenburg 18,6 Millionen
Stimmen, Hitler 11,3, Thälmann (KPD) knapp 5 und Duesterberg (Stahlhelm) 2,6 Millionen Stimmen,
im 2.
Durchgang am 10.4.32 entfielen auf Hinderburg 19,4, auf Hitler
13,5 und auf Thälmann 3,7 Millionen Stimmen, Duesterberg war
nicht mehr angetreten - die gemäßigten Bürgerlichen und auch
die Sozialdemokraten hatten Hindenburg gewählt, die Kandidatur
Thälmanns bewirkte nichts, außer vielleicht dass damit
dazu beigetragen wurde, im Vorfeld keinen wählbaren Kandidat
gegen Hindenburg zu finden.)
28.3.: Die katholische Kirche hebt die Warnungen vor den Nazis und das Verbot für Katholiken, sich in der NSDAP zu betätigen, auf - Hitler hatte die "Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre" und die Einhaltung der Kirchenverträge zugesichert. Was ja wohl keine besonderen Zugeständnisse waren. Aber vielleicht war die katholische Kirche damit zufrieden, dass der Führer nicht auch eine neue katholische Glaubenslehre zu verkünden beabsichtigte?
Am 31. März wird Konstantin Hierl (1875 - 1955), der seit 1931 den Arbeitsdienst der NSDAP leitete, mit dem Aufbau des (vorläufig freiwilligen) Reichsarbeitsdienstes (RAD) beauftragt. Vorerst half der RAD bei der Reduktion der Arbeitslosigkeit, die militärisch kasernierten und mit einem Taschengeld bezahlten Arbeitsdienstler fanden Massenarbeitsplätze beim Autobahnbau.
Am 1. April organisierte die SA eine Großaktion gegen
"die Juden". Mit Plakaten "Deutsche, kauft nicht bei
Juden" wurde zum Boykott gegen jüdische Geschäfte
aufgerufen. Im deutschen Reich gab es rund eine halbe Million
Bürger jüdischer Abkunft, die auf Grund jahrhundertelanger
Diskriminierung in bestimmte Gesellschaftsbereiche abgedrängt
worden waren (Ausschluss von einer Vielzahl von Berufen bis
weit ins 19. Jahrhundert, Verbot für Christen sich mit
Zinsgeschäften zu befassen) und durch ihre intellektuellen
Traditionen nach der erreichten Gleichberechtigung
überproportional in intellektuellen Berufen vertreten waren.
Der Aufstieg der Kapitalwirtschaft war auch begleitet vom
sozialen Aufstieg und wirtschaftlichen Erfolg jüdischer
Bürger. Unter den Wissenschaftlern, Schriftstellern,
Künstlern, Ärzten, Juristen usw. gab es einen hohen jüdischen
Anteil. Dies wurde nun von weniger erfolgreichen Menschen
nicht als Produkt bestimmter Umstände gesehen, sondern als
Ergebnis einer "jüdischen Weltverschwörung".
1865 war in Brüssel eine gegen Napoleon III. gerichtete
Streitschrift erschienen, aus der die russische Geheimpolizei
nach der Jahrhundertwende die "Protokolle der Weisen von
Zion" fabrizierte. In diesen
"Protokollen" wird von einer jüdischen Geheimkonferenz
berichtet, die die Übernahme der Weltherrschaft durch einen
"König aus dem Hause Zion" vorbereiten sollte. Die
erste deutsche Übersetzung dieser Fälschung erschien 1919.
Wenn man heute diese Texte liest (siehe das Beispiel unten),
fällt einem als erstes der Umstand auf, dass sich die
angeblichen Verschwörer selber als Bösewichte zu betrachten
scheinen, ihre eigenen Ziele moralisch negativ sehen, als
handelte es sich um eine Art Klub der Bösen Buben wie
in den Micky-Maus-Geschichten vom Ede Wolf und Gevatter Bär.
"Unsere Losung ist Gewalt und Täuschung" - was sind wir
doch für Bösewichte - harharhar...
(und noch einmal Die Protokolle der Weisen von
Zion)
mit Boykott fing es an, mit dem Holocaust endete die
NS-Hetze
das
"berühmteste" Foto vom 1. April 1933
Deutsche
jüdischer Herkunft gehen ins Exil
Die Nationalsozialisten verhalfen vielen Deutsche zu einer
positiven Identität: Selber war man anständig, ehrlich,
fleißig, pflichtbewusst, aber die bösen Feinde der Deutschen,
vor allem die Juden, prellten den deutschen Michel um
seinen Erfolg.
Besonders auffällig war in der
Propagandasprache die Verallgemeinerung im
Singular: DER Deutsche ist brav und tüchtig, DER Jude ist
böse, verschlagen und hinterhältig, DER Bolschewist primitiv
und blutrünstig, DER Slawe dumm und faul, DER Engländer
arrogant und falsch und DEM Franzosen werde man es auch noch
zeigen. Diese Welt aus zusammengestoppelten Vorurteilen war
klar und eindeutig.
Anfang April werden mit einem "vorläufigen Betriebsräte- und Gewerkschaftsgesetz" der Reichsregierung Betriebsratswahlen bis Oktober ausgesetzt, die Monopolstellung der anerkannten Gewerkschaften wird aufgehoben, in Hannover besetzen Nazis das Gewerkschaftshaus. Die letzten Betriebsratswahlen im Ruhrgebiet brachten folgendes Ergebnis (in Klammer die Vergleichszahlen von 1931): NSBO (Nationalsozialisten): 29,7% (3,6%), Freie Gewerkschaften: 29,4% (35%), Christliche Gewerkschaften: 22,8 (23,2%), RGO (Kommunisten): 10,3% (29,3), andere: 7,8% (8,9%), in 18 Betrieben im übrigen Deutschland erhielten die sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften 53%, die RGO 27%, die NSBO und Nahestehende kamen auf 11%, 9% entfielen auf andere.
Am 3. April beschließt der Reichsverband der Deutschen Industrie die "Ausschaltung seiner semitischen Mitglieder", am selben Tag beginnt in Berlin die erste Reichstagung der Deutschen Christen, es wird verkündet: »Wir fordern die Gleichschaltung der Kirche mit dem Volksstaat der nationalen Revolution und damit eine Reform der evangelischen Kirche an Haupt und Gliedern.«
Ab 5.4. wird der Judenboykott vorläufig ausgesetzt, die Deutsche Volkspartei erklärt ihre Bereitschaft auf eine eigene Parteiorganisation zu verzichten und in einem "größeren Organisationsgebilde aufzugehen", die Hitler-Jugend ("HJ", gesprochen "Hajot") besetzt die Geschäftsstelle des Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände, jüdische und sozialistische Vereinigungen werden ausgeschlossen, später alle politischen Organisationen aufgelöst.
Am 6.4.1933 wird von einer Arbeitsgruppe der erste Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Stellung der Juden vorgelegt, der bereits Teile der berüchtigten Nürnberger Gesetze enthält.
Am 7.4. wird das Reichsstatthaltergesetz
erlassen, im Zuge der Gleichschaltung der deutschen Länder
werden auf Vorschlag des Reichskanzlers (also Hitlers) vom
Reichspräsidenten Statthalter ernannt, die als Aufsichtorgane
über die Länderregierungen fungieren.
Aus dem aktiven Dienststand müssen alle Beamten, "die nicht
arischer Abstammung sind", ausscheiden, derzeitig nur in
der Form der Ruhestandsversetzung (Gesetz zur
"Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", Artikel 3).
8.4.: Am "größten Massenappell, den die Welt jemals gesehen hat" spricht Hitler im Berliner Sportpalast über das Thema "Deutschland ist nun erwacht".
dass Hitler der Führer ist, kann man nicht
übersehen ...
"Sieg-Heil!", daran gewöhnte man sich rasch und meist
auch gerne...
der Führer nimmt eine Parade ab
Am 15.4. biederte sich der ADGB-Bundesvorstand auf erbärmlichste Art an die Nazis an. Die Reichsregierung hatte den 1. Mai zum "Feiertag der nationalen Arbeit" erklärt, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte, »dass die Reichsregierung diesen, unseren Tag zum gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit, zum deutschen Volksfeiertag erklärt hat. Der deutsche Arbeiter soll am 1. Mai standesbewusst demonstrieren, soll ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft werden. Kollegen und Kolleginnen in Stadt und Land! Ihr seid die Pioniere des Maigedankens. Denkt immer daran und seid stolz darauf.« Als Dank für diese Haltung wird am nächsten Tag auf einer Führerkonferenz der NSDAP festgelegt, dass die Gewerkschaften nicht aufgelöst, sondern am 2. Mai "übernommen" werden sollen, Goebbels notierte in sein Tagebuch: »Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, dann gehören sie uns. Man darf hier keine Rücksicht mehr kennen.«
Hitlers Geburtstag wird am 20.4. als nationaler Feiertag begangen, in ganz Deutschland gibt es hierzu Straßenumbenennungen und Ehrenbürgerschaftsverleihungen, Göring wird preußischer Ministerpräsident, Hitlers Mein Kampf erreicht eine Auflage von 300.000 Stück.
21. April: Rudolf Heß wird zum "Stellvertreter des Führers" bestellt.
Eine erste Verbotsliste unerwünschter Autoren wird am
23.4. verbreitet, sie enthält u.a. folgende Namen:
Bebel, Bernstein, Brecht, Brod, Döblin, Feuchtwanger,
Liebknecht, Kisch, Heinrich und Thomas Mann, Remarque,
Schnitzler, Tucholsky, Arnold und Stefan Zweig.
26.4.: Reichskonferenz der SPD in Berlin. Der Vorsitzende Otto Wels hält das Hauptreferat in dem er sich zum Rechtsstaat, zu den staatsbürgerlichen Freiheiten, zur Gleichberechtigung, zu Gerechtigkeit und Menschlichkeit bekennt. »Echter Sozialismus ist Verwirklichung des Humanitätsideals, ist nicht denkbar ohne geistige Freiheit, und eine Partei, die aufhören würde, für das gleiche Recht aller Staatsbürger ohne Unterschied der Konfession und der Rasse zu kämpfen, würde den Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands nicht mehr tragen dürfen.«
Das Geheime Staatspolizeiamt wird als Sonderbehörde des Innenministeriums eingerichtet (26.4.).
Ende April sind allein in Preußen 2.693 Personen in "Schutzhaft", die Zahl der Arbeitslosen ist auf 5,333.000 zurückgegangen.
1. Mai: Feiertag der nationalen Arbeit, Hitler
lässt in den Traditionen der Arbeiterbewegung aufmarschieren,
der deutsche Industrie- und Handelstag hat die neue Bedeutung
dieses Tages sogleich verstanden und schickt folgendes
Telegramm an Hitler: »Der Deutsche Industrie- und
Handelstag spricht Ihnen, Herr Reichskanzler, den wärmsten
Dank für den großen Gedanken des deutschen Ersten Mai aus.
Möge in gegenseitigem Verstehen der Leistungen und Bedürfnisse
aller Träger der Arbeit daraus eine unzerbrechliche,
unverbrüchliche starke Volksgemeinschaft der nationalen Arbeit
für Größe, Freiheit und Wohlfahrt des deutschen Volkes
erwachsen.«
Der Vorsitzende des Reichsverbandes der
deutschen Industrie, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach führt
das "Führerprinzip" im Unternehmerbereich ein.
2. Mai: SA und SS besetzen im ganzen Land die Gewerkschaftshäuser und -büros, Gewerkschaftsführungen werden in Schutzhaft genommen, das Gewerkschaftsvermögen wird beschlagnahmt.
Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt wird auf
Anordnung Hitlers gegründet (3.5.), die NSV war die
politisch unverfänglichste der NS-Massenorganisationen und
erreichte im Laufe der Jahre über elf Millionen Mitglieder,
man konnte mit der NSV-Mitgliedschaft ein unaufwendiges
(Schein)bekenntnis zum NS-Staat ablegen.
4. Mai: Der neugewählte SPD-Parteivorstand tritt zu seiner einzigen Vollsitzung zusammen und beschließt einige Vorstandsmitglieder zum Aufbau einer Auslandstelle nach Saarbrücken zu entsenden. Am 10.5. wird das Vermögen der SPD beschlagnahmt.
Als Ersatz für die ausgeschalteten Gewerkschaften wird am
10.5. die Bildung der Deutschen
Arbeitsfront (DAF) unter Robert Ley bekannt gegeben.
So genannte "Treuhänder
der Arbeit" sollen in Zukunft die Verhandlungen zwischen
Unternehmerverbänden und Gewerkschaften ersetzen. Alle
"schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust", egal
ob selbständig oder unselbständig, sollen in der DAF für die
"Volksgemeinschaft" wirken und die "Überwindung des
Klassenkampfes" bewirken.
Am selben Tag finden in fast allen Universitätsstädten Bücherverbrennungen statt, allein in Berlin werden ca. 20.000 "Bücher des undeutschen Geistes" verbrannt, betroffen sind u.a. folgende Autoren: Marx, Lenin, Trotzky, Hilferding, Otto Bauer, Bertold Brecht, Thomas Mann, Heinrich Mann, Bertha von Suttner, Erich Kästner und Upton Sinclair. Zwei Tage später erscheint in der Wiener AZ der berühmte Aufruf "Verbrennt mich!" des bayrischen Schriftstellers Oskar Maria Graf, der sich als vermeintlicher "Heimatdichter" von den Nazis vereinnahmt sieht:
Erich Mühsam (1878-1934, im KZ ermordet), Erich Kästner
(1899-1974), Carl von Ossietzky (1889-1938, gestorben an
den Folgen der KZ-Haft), Kurt Tucholsky (1890-1935,
Suizid im Exil),
Heinrich Mann (1871-1950), Thomas
Mann (1875-1955), Bertold Brecht (1898-1956), Oskar Maria
Graf (1894-1967), sie überlebten im Exil
endlich geht's der Fäkalienkunst und der linkslinken
Zersetzung
an den Kragen, freuen sich die anständigen
Volksgenossen
die
deutschen Studenten haben fleißig Bücher gesammelt ...
...
die begleitet von markigen Sprüchen ins Feuer geworfen werden (Tonstart rechts)
Am 17. Mai hält Hitler vor dem Reichstag eine "Friedensrede", spricht sich für Abrüstung und sogar gegen eine Germanisierung des Ostens aus, unter wüsten Drohungen des Innenministers stimmen dann auch 48 der 65 anwesenden SPD-Abgeordneten der hitlerischen "Friedensresolution" zu.
25. Mai: Aus Protest gegen die Judenverfolgungen rufen britische Gewerkschaften zu einem Boykott deutscher Waren auf.
Bei den Volkstagswahlen am 28.5. im Freistaat Danzig (nach der Abtretung Westpreußens 1918 deutsche Enklave auf polnischem Gebiet) erreicht die NSDAP 38 von 72 Mandaten.
Ende des Monats sind im "Reichsarbeitsdienst" 240.000 Personen beschäftigt, rund 3 Millionen Hektar Moorland sollen urbar gemacht werden.
Am 1. Juni tritt das "Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit" in Kraft. "Arbeitsschatzanweisungen" in der Höhe einer Milliarde Reichsmark sollen die Bautätigkeit ankurbeln, die Steuerabsetzbarkeit von Investitionen wird verbessert, durch Förderung der Eheschließungen ("Ehestandsdarlehen") sollen weibliche Arbeitskräfte in die "Hauswirtschaft übergeführt" werden. Am 8.6. schließen sich die bestehenden Lehrerverbände auf einer Tagung in Magdeburg dem NS-Lehrerbund an.
Am 2.6. verlegt der SPD-Vorstand seinen Sitz nach Prag. Am 10. Juni findet die letzte Sitzung der noch in Deutschland verbliebenen Mitglieder der SPD-Reichstagsfraktion statt.
Im Juni wird eine Volkszählung abgehalten, die
auch der rassistischen Politik der NSDAP dient.
Für alle
Personen, die sich zur jüdischen Religionsgemeinschaft
bekennen, wird eine Abschrift der Zählkarte angelegt, um
"einen Überblick über die biologischen und sozialen
Verhältnisse des Judentums im Deutschen Reich, soweit dies
nach der Frage der Religionszugehörigkeit erfasst werden
kann" zu erlangen.
Die Volkszählungsdaten werden auf
Lochkarten (Hollerithsystem) übertragen, was damals
bereits eine datenbankähnliche Auswertung ermöglichte und
folgende Erkenntnisse brachte: ein Drittel der Glaubensjuden
wohnte in Berlin, die Juden waren erheblich überaltert, fast
ein Viertel der Ehen kinderlos, ohne den "frischen Zuzug"
aus Polen würden die Juden in Deutschland in wenigen
Generationen aussterben, ein Viertel der Juden stammte aus dem
Ausland oder hatte eine ausländische Staatsbürgerschaft. Die
Berufsverteilung zeigte eine starke Überpräsentation im Handel
und Verkehr und in den freien Berufen - in diesem Sektor
vermuten die Statistiker zudem sehr viele aus
der jüdischen Glaubensgemeinschaft Ausgetretene und
deshalb (noch) nicht Erfasste. "Der antisemitische Zeitgeist im ausgehenden 19. Jahrhundert"
schildert die Vorgeschichte.
Vorurteilsbestätigung: Juden
sind Händler - dass das jahrhundertelange
Verbot, in
Zünfte einzutreten oder
Landwirtschaften zu erwerben,
wesentlich dazu beigetragen hat, spielt für die
Nazis keine Rolle
Rassismus
mit Datenverarbeitung - Hollerithmaschinen
(die Firma Hollerith ist
im Besitz des US-Konzerns IBM)
Am 15. Juni sinkt erstmals seit 1931 die Zahl der Arbeitslosen unter die 5-Millionen-Grenze. Die ersten "Treuhänder der Arbeit", die hinkünftig die Lohn- und Arbeitsbedingungen festlegen sollen, werden bestellt. Die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden sind damit abgeschafft.
Die bisherige unkoordinierte Sammeltätigkeit der NSDAP bei den Unternehmern wird vereinheitlicht: Fünf Promille der Lohnsumme werden jetzt "freiwillig" als Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft eingezahlt.
In Österreich führt die Entwicklung zum
Verbot der dortigen NSDAP: Am 15.
Mai sollte der deutsche Nazi-Funktionär Hans Frank auf einer
NSDAP-Veranstaltung reden, die österreichische Regierung
verfügt seine Ausweisung, worauf die deutsche Regierung
ab 1. Juni die so genannte Tausend-Mark-Sperre verhängt.
Deutsche Reichsbürger, die (ausgenommen im "kleinen
Grenzverkehr") nach Österreich reisen, haben eine
Ausreisegebühr von 1000 Reichsmark zu entrichten (das wären
heute ungefähr 4000 Euro). Wodurch der auch damals nicht
geringe deutsche Fremdenverkehr nach Österreich zum Erliegen
kommt.
Österreichische Nazis verüben im Juni 1933 eine Serie von
Sprengstoffanschlägen, was am 19. Juni zum Verbot der
NSDAP (und des NSDAP-nahen Steirischen Heimatschutzes) führt.
Die österreichische Regierung steht damit im Dauerkonflikt mit
den deutschen Nazis, sucht als Ausgleich den Kontakt und die
Zusammenarbeit mit den italienischen Faschisten, was vorerst
gelingt (Kanzler Dollfuß trifft im August 1933 Mussolini).
Auf einer Reichskonferenz der SPD am 19.6. wird ein neuer Vorstand gewählt und eindringlich vor illegaler Arbeit gewarnt, für die Äußerungen der emigrierten Mitglieder wird jede Verantwortung abgelehnt, trotzdem wird am 22. Juni die SPD als "staats- und volksfeindliche Partei" verboten und die gewählten Mandatare in den Vertretungskörperschaften werden (wie früher schon die Kommunisten) von der weiteren Ausübung ihrer Mandate ausgeschlossen. Sozialdemokratische Versammlungen werden untersagt, die Parteizeitungen verboten. Am 24.6. äußert sich Otto Wels in Prag optimistisch, es sei nur eine Frage der Zeit bis das faschistische Regime in Deutschland gestürzt werde.
Im Freistaat Danzig wird am 20.6. eine Koalitionsregierung aus NSDAP und (katholischem) Zentrum gebildet. Der größte deutsche Veteranenverband, der "Stahlhelm", wird der SA angegliedert.
Die Reichsregierung gründet am 27.6. das Unternehmen "Reichsautobahn", es sollen drei Autobahnen in Ost-West-, zwei in Nord-Süd-Richtung und eine diagonal gebaut werden, Gesamtlänge 6500 km, Gesamtkosten rund 2 Milliarden Reichsmark. Noch heute ist das Autobahnprojekt DAS Renommierprojekt der hitlerischen Arbeitsbeschaffungspolitik. Zuständig für die Autobahnen ist der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Fritz Todt.
Hitler war ein böser Mann, doch baute er die
Autobahn ...
... die Autobahnspatenstiche wurden martialisch
begangen
(Start mit mouse over)
der
Ausbauplan der "Reichsautobahn" nach dem "Anschluss" von
1938
Gegen die Bayrische Volkspartei wird ab 21.6. polizeilich wegen Kontakte mit den österreichischen Christlich-Sozialen vorgegangen. Die christlichen Gewerkschaftsorganisationen werden den NS-Betriebszellen angegliedert (24.6.). Am 27. Juni beschließt die Koalitionspartei der Nazis, die Deutschnationale Volkspartei, ihre "ehrenvolle" Selbstauflösung, ihr Vorsitzender, Zeitungszar Hugenberg tritt aus der Regierung aus. Auch die Deutsche Staatspartei (vormals Deutsche Demokratische Partei, liberal) löst sich auf.
es
hatte sich schon länger abgezeichnet: die Opportunisten in den anderen
Parteien
liefen zügig zur NSDAP über, die Verbliebenen sahen nur noch die
politische Resignation
29. Juni: Der ehemalige Kanzler Bauer (SPD) und in der Folge mehr als 3000 Sozialdemokraten werden inhaftiert. Hitler bildet die Regierung um, Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister Hugenberg wird durch Kurt Schmitt (bis 1935) als Wirtschafts- und durch NS-Bauernführer Walter Darré als Landwirtschaftsminister (bis 1942) ersetzt.
Zum Ende des ersten Halbjahres 1933 sind die Arbeitslosen auf 4,856.000 zurückgegangen. Der Rundfunk wird dem neuen Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Goebbels) unterstellt. Mit 1.7. werden die bestehenden Angestelltenverbände der Deutschen Arbeitsfront (DAF) angeschlossen. Die katholische Zentrumspartei wird verstärkt unter Druck gesetzt, z.T. ihr angeschlossene Verbände verboten, ihre Parteizeitungen zu Kurswechseln gepresst, am 4. und 5. Juli lösen sich die Deutsche Volkspartei, die Bayrische Volkspartei, das Zentrum und diverse Kleinparteien auf, die NSDAP bleibt als einzige Partei in Deutschland übrig. Auf Versammlungen der "Deutschen Arbeitsfront" demonstrieren »Arbeiter und Angestellte aller Berufe gegen den zerstörenden Klassenkampf und für die deutsche Volksgemeinschaft.«
42.000 Juden haben Deutschland verlassen, 25.000 davon in Frankreich Zuflucht gefunden.
Am 6. Juli erklärt Hitler, dass »die Erziehung der deutschen Menschen zur nationalsozialistischen Staatsauffassung zu den wichtigsten Aufgaben der Gegenwart gehört.«
Innenminister Wilhelm Frick erklärt am 11. Juli die deutsche Revolution für abgeschlossen, nun käme die Zeit der ruhigen Evolution, der Minister fordert gleichzeitig die Reichsbehörden und Landesregierungen auf, die Beamten zum »Hitler-Gruß« anzuhalten. Auf jeden Fall aber sei beim Singen des Deutschland- und des Horst-Wessel-Liedes stets der »Hitler-Gruß« zu leisten.
nachdem der SA-Sturmführer Horst Wessel 1930 bei
einer Auseinandersetzung
tödlich verletzt worden war, stilisierte ihn die NSDAP zum
Märtyrer, ein Gedicht von
ihm, versehen mit einer Bänkel-Melodie, wurde als
Horst-Wessel-Lied zur NS-Hymne
von Bert Brecht stammt die antifaschistische Variante:
der Kälbermarsch, es singt Hans Ernst Jäger
damit alle deutschen Beamten richtig grüßen,
wird der
"deutsche Gruß" auch richtig verordnet
14. Juli: Die Reichsregierung erlässt ein Parteiengesetz ("Gesetz gegen die Neubildung von Parteien"), der Artikel 1 lautet: »In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei«. Auf Neu- oder Wiedergründungen von Parteien stehen bis zu drei Jahre Zuchthaus. Näheres zur nunmehr Staatspartei gewordenen Nazi-Partei: siehe NSDAP. Am selben Tag wird auch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen, das zu Zwangssterilisierungen dienen wird.
Im Juli erreicht Hitler seinen ersten bedeutenden außenpolitischen Durchbruch, in der Kabinettsitzung schwärmt Hitler über den "unbeschreiblichen Erfolg" des erfolgten Konkordatsabschlusses mit dem Vatikan, er habe nicht damit gerechnet, dass die Kirche bereit wäre, die Bischöfe auf diesen Staat zu verpflichten, es sei unfassbar, dass die Kirche die christlichen Gewerkschaften fallengelassen habe. Das Konkordat wird am 20.7. im Vatikan unterzeichnet. Der Vertrag sichert der katholischen Kirche in Deutschland u. a. die Ausübung ihres Bekenntnisses, ihr Eigentum und die Unantastbarkeit der Grenzen ihrer Diözesen. Im Gegenzug wird kirchlicherseits allen Geistlichen und Ordensmitgliedern die politische Betätigung untersagt.
die Konkordatsunterzeichnung: Vizekanzler Papen
und
Nuntius Pacelli (der spätere Papst Pius XII.)
Es wird zwar immer wieder Reibereien zwischen den Nazis und
der katholischen Kirche geben, aber einen Widerstand der
Amtskirche gibt es faktisch nicht (oder, wenn man sarkastisch
sein will, erst nach Kriegsende, da war man ein armes Opfer
und immer schon dagegen, vorher schwieg man zu den politischen
und rassistischen Verfolgungen, segnete die Waffen und betete
für den Führer und für den Sieg über die Feinde Deutschlands,
besonders über den gottlosen Bolschewismus).
Vergessen ist
heute weit gehend, dass das Europa der Zwanziger- und
Dreißigerjahre dicht durchzogen war vom klerikalen
Extremismus, siehe Faschismus und
Religion.
Gott war mit dem Hakenkreuz -
wie auf den
Koppelschlössern ersichtlich
30. Juli: Kongress des Internationalen Gewerkschaftsbundes in Brüssel: »Die außergewöhnlichen Gefahren, die der deutsche Nationalsozialismus auslöst, fordern außerordentliche Maßnahmen. Deshalb verhängt der Kongress gegen die deutschen Waren den allgemeinen Boykott«.
Zum 31.7. befinden sich 26.789 politische Gegner des Nationalsozialismus in "Schutzhaft", die meisten in Preußen.
Durch den weiteren Ausbau öffentlicher Arbeitsaufträge (Sanierung öffentlicher Gebäude, Eisenbahn-, Autobahn-, U-Bahnbau, Postausbau usw.) sinkt die Arbeitslosigkeit auf 4,468.500 Personen.
Haavera-Abkommen: Bis heute wenig bekannt ist ein im August abgeschlossenes Abkommen zwischen
der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZVfD) und der Reichsregierung.
In der von den Zionisten "Haavera-Abkommen" genannten Übereinkunft
wurde vereinbart, dass nach Palästina auswandernde Juden einen Teil ihres Besitzes
im Wege deutscher Exporte bewahren konnten. Gesperrtes jüdisches Vermögen wurde
auf ein Konto der Haavera Ltd. bei der deutschen Reichsbank überwiesen, jüdische
Importeure in Palästina bezahlten deutsche Einfuhren, ein Teil des Betrages
wurde nach Deutschland überwiesen, die Waren mit dem jüdischen Vermögen (in
Reichsmark) bezahlt, die Auswanderer erhielten anteilige Ausgleichszahlungen.
Bis 1939 konnten rund 66.000 deutsche Juden nicht nur ihr Leben, sondern auch
mehr als 100 Millionen Reichsmark (pro Kopf nach heutigem Geld um die 6.000 Euro) retten,
andererseits wurde auf diese Art der deutsche Export gefördert.
Die immer
restriktivere Einwanderungspolitik der Briten ins dortige Mandatsgebiet
und die lange Zeit zu geringe Auswanderungsbereitschaft der deutschen Juden
brachte dieses Abkommen um einen größeren Erfolg.
Heute findet man über diesen Vorgang in den zeitgeschichtlichen Schriften nur sehr selten Unterlagen, in Anbetracht des späteren Geschehens ist es nunmehr den zionistischen Organisationen vermutlich peinlich, damals Handelsgeschäfte mit Hitlerdeutschland organisiert zu haben.
20.8.: In Paris entsteht durch Verschmelzung des 1932 gegründeten Weltkomitees gegen den imperialistischen Krieg und des im Juni 1933 ins Leben gerufenen Zentralkomitees der Antifaschistischen Arbeitervereinigung Europas das Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus unter Leitung von Henri Barbusse. Ebenfalls in Paris tagt ab 21.8. die Sozialistische Arbeiter-Internationale, sie erhebt »vor der ganzen zivilisierten Welt ihren leidenschaftlichen Protest gegen die Hitlerbarbarei. Sie sendet den Opfern des deutschen Faschismus brüderliche Grüße. In brüderlicher Solidarität mit dem deutschen Volke ruft die SAI die Arbeiter und die Völker der ganzen Welt zum Kampf auf gegen den Faschismus, den Todfeind der Arbeiterklassen, der Freiheit und des Friedens.«
23.8.: Die "erste Ausbürgerungsliste" der Nazis entzieht u.a. Rudolf Breitscheid, Willi Münzenberg, Wilhelm Pieck, Philipp Scheidemann, Otto Wels, Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Heinrich Mann, Ernst Toller und Kurt Tucholsky die Staatsbürgerschaft.
27.8.: Hitler fordert die Rückkehr des Saargebietes zum Reich. Das Saarland steht seit 1920 unter Völkerbundverwaltung.
Am 30.8. beginnt in Nürnberg der "Reichsparteitag des Sieges". Hitler verlangt die Erziehung »der deutschen Menschen zu einem Volk mit einer Idee und einer Willensäußerung.« Das nationalsozialistische Deutschland sei nicht Zwang, sondern Ausdruck der Volkesstimme.
theatralisch inszenierte Massenaufmärsche,
Kundgebungen, Parteitage bieten Identifikation
Als "nationale Solidaritätsaktion" unter der Parole "Kampf gegen Hunger und Kälte" wird im September das "Winterhilfswerk" gegründet. Parole: "Die internationale Solidarität des Proletariats haben wir zerbrochen, dafür wollen wir die nationale Solidarität des deutschen Volkes aufbauen."
die Sammlungen für das Winterhilfswerk (WHW) laufen
natürlich auch nach
militärischem Schema ab, Uniformen, Pauken und Trompeten
sind überall dabei
Die Mitgliedschaft in SA und SS lohnt sich, der Reichsstand des Deutschen Handels »erwartet von jedem deutschen Kaufmann, dass er Neueinstellungen von Angestellten vornehmlich aus den Kreisen der SA und SS vornimmt.« Es wird hierfür Anfang September sogar eine eigene Arbeitsvermittlungsstelle eingerichtet.
10. September: Mit dem Vatikan werden die Ratifikationsurkunden zwischen dem Deutschen Reich und dem Hl. Stuhl ausgetauscht. Der Vatikan verhilft damit Hitler zu seinem ersten außenpolitischen Erfolg. Die katholische Kirche sieht im Nationalsozialismus einen entschlossenen Verbündeten gegen den Kommunismus.
Die Mitgliederzahl der NSDAP erreicht fast vier Millionen, zwei weitere Millionen warten noch auf die Aufnahme. Im März hatte ein außerordentlicher Mitgliederzudrang begonnen, die Karrieristen und Opportunisten richteten sich ein, im Volksmund wurden sie als "die Märzgefallenen" bespöttelt. Vom 1. Mai 1933 bis 1937 bestand eine teildurchlässige Aufnahmesperre.
die
Mitarbeiter in der NSDAP-Zentrale kommen mit
der Bewältigung des Mitgliederzustroms
kaum zurande
Am 20. September erklärt Hitler vor Mitgliedern des Generalrats der deutschen Wirtschaft: »Es gilt vor allem, die Ideologie der Bedürfnislosigkeit, der systematischen Einschränkung des Bedarfs, also den vom Kommunismus ausgehenden Primitivitätskult, zu bekämpfen.« Es soll auch durch Konsumsteigerungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen kommen.
Am 21.9. beginnt der Reichstagsbrandprozess. Angeklagt sind neben dem als Haupttäter betrachteten Holländer van der Lubbe, der ehemalige Vorsitzende der KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torgler und drei bulgarische Kommunisten, darunter der für Westeuropa zuständige Sekretär der Kommunistischen Internationalen, Georgi Dimitroff. In einem großen Schauprozess sollen die Kommunisten als Brandstifter und potentielle Putschisten gebrandmarkt werden.
27.9: Rudolf Heß ist nicht mehr einer der NSDAP-Reichsleiter, er führt nur noch die Bezeichnung "Stellvertreter des Führers".
29.9.: Das neue Reichserbhofgesetz soll »unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten.«
eine weltanschauliche Basis der Hitlerei, der Blut- und
Bodenmythos, wird auch vom Führer selber propagiert
auch der Landwirtschaftsminister Darré
war ein
bekannter Sprücheklopfer
In der evangelischen Kirche bilden sich zwei Strömungen heraus, die evangelische Amtskirche nazifreundlich als Deutsche Christen, dagegen die Bekennende Kirche mit dem "Pfarrernotbund".
1. Oktober: Der Turnwart des sudetendeutschen Turnerverbandes, Konrad Henlein ruft alle Deutschen in der CSR zur Bildung einer Sudetendeutschen Heimatfront auf. SA-Führer Röhm erklärt, die Reichswehr sei der Waffenträger der Nation, die SA dagegen der Willensträger der nationalen Revolution.
Im Oktober wird durch das Schriftleitergesetz angeordnet, dass die Funktion eines Schriftleiters (Redakteurs) nur von Personen mit fachlicher Eignung, arischer Rasse und entsprechenden geistigen und nationalen Eigenschaften ausgeübt werden kann.
10.10.: Der Freiburger Erzbischof Gröber stellt sich »restlos hinter die neue Regierung und das neue Reich«, Clemens August von Galen legt als neuer Bischof von Münster nach den Bestimmungen des neuen Konkordates vor dem preußischen Ministerpräsidenten Göring den Eid auf die Verfassung ab.
12.10.: Trotz der laufenden Friedensbeteuerungen beruft Hitler den deutschen Botschafter von den Genfer Abrüstungsverhandlungen ab. Dem folgt am 14.10. der Austritt aus dem Völkerbund, in welchem Deutschland als »rechtlose und zweitklassige Nation« behandelt worden sei. Gleichzeitig kündigt er, »um dem deutschen Volk Gelegenheit zu geben, selbst zu den Schicksalsfragen der deutschen Nation Stellung zu nehmen« die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen für den 12. November an. Als Wahlwerber wird nur noch die Liste der NSDAP zugelassen. Auch die Landtage werden aufgelöst, ohne dass Neuwahlen ausgeschrieben würden.
Die Vollstreckung der Schutzhaft wird in Preußen
mit einem Erlass geregelt. Aus politischen Gründen inhaftierte
Personen sind demnach »grundsätzlich in staatlichen
Konzentrationslagern unterzubringen.«
Von Februar bis Oktober waren rund 100.000 Menschen kürzere oder längere
Zeit in staatlicher Haft oder "wildem" Gewahrsam in von SA und SS
eingerichteten Lagern, mehr als 500 dieser Häftlinge kamen durch Misshandlungen
ums Leben.
Die Zahl der Arbeitslosen beträgt am 15.10. 3,851.000.
Bei der Grundsteinlegung für das Haus der Deutschen Kunst in München sagt der päpstliche Nuntius Torregrossa zu Hitler, »Ich habe Sie lange nicht verstanden, aber ich habe mich sehr darum bemüht. Heute verstehe ich Sie.«
In der Kampagne für die Reichstagswahlen setzt Hitler das Ziel "Ein Volk, ein Reich, ein Wille". In einer Rede im Berliner Sportpalast beschwört er die bolschewistische Weltgefahr. Für Deutschland fordert er ein Heer von 300.000 Mann (im Friedensvertrag nach dem Weltkrieg war das deutsche Heer auf 100.000 beschränkt worden) und eine einjährige Militärdienstpflicht.
Ende Oktober sind rund 22.000 Personen aus politischen Gründen inhaftiert.
220 deutsche Verbände bekunden ihre Treue und ihr rückhaltloses Vertrauen zum Führer.
Der 31. Oktober wird zum nationalen Spartag erklärt. Geldhamstern ist Sabotage am deutschen Wiederaufbau.
Anfang November wird die Kulturtätigkeit durch die Einrichtung von sieben Kulturkammern unter Kontrolle gestellt. Jede Person, die sich öffentlich entsprechend betätigen will, muss der jeweiligen Kammer angehören (Musik, Bildende Künste, Theater, Schrifttum, Presse, Rundfunk und Film).
Auf seiner letzten Wahlrede sagt Hitler. »Als ich kam, hatte Deutschland 6,2 Millionen Arbeitslose und jetzt sind es 3,71 Millionen. Es ist für neun Monate eine Leistung, die sich sehen lassen kann.« Die Wahlen vom 12. November bringen 92,1% Stimmen für die NSDAP. Speziell hilfreich für dieses »einzigartigste, überwältigenste Bekenntnis, das jemals eine Nation ihrem Führer abgelegt hat« war die Forcierung der offenen Stimmabgaben in den Wahllokalen. Im Wahlkampf hatten sich besonders katholische Kreise um Vizekanzler Papen für eine positive Stimmabgabe eingesetzt.
NS-Wahlwerbung zum 12.11.1933: Der Wolf verkauft
Schafpelze
Wahlplakat mit Slogans für die Katholiken
auch der päpstliche Nuntius Vasallo di Torregrossa warb
auf
Plakaten bei den katholischen Deutschen für Hitler und die
Nazis
Im November erklärt Hitler, dass nach der Regelung der Frage des Saargebietes nichts mehr Deutschland und Frankreich in Gegensatz bringen könnte. Eine Taktik, die er bis zum Kriegsbeginn 1939 beibehält: Bloß immer noch eine, gerechtfertigte Forderung habe er .... Moderate Töne auch in der Reichsregierung: Der Innenminister erklärt, dass man von einer Verschiedenartigkeit aber nicht von einer Verschiedenwertigkeit der Rassen ausgehe. Eine Argumentation, die man auch heute in angeblich gar nicht rechtsextremen Kreisen hören kann.
26.11.: Die Freizeitorganisation der Deutschen Arbeitsfront "Kraft durch Freude" (KdF) wird gegründet. Sie wird zu einem wichtigen Propagandamittel des Nationalsozialismus.
Am 1. Dezember wird das "Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat" erlassen, die NSDAP ist demnach die "Trägerin des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat unlöslich verbunden" - diese Einheit von Partei und Staat war tatsächlich eine: Noch heute kann man nicht gerade selten Äußerungen hören, die eine Pflichterfüllung für das damalige Deutschland in Einheit mit einer solchen für den Nationalsozialismus sehen.
Am 4.12. gelingt dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Seger die Flucht aus dem KZ Oranienburg. In der CSR veröffentlicht er den ersten authentischen Bericht über ein deutsches Konzentrationslager. Die SA hatte nach dem Reichstagsbrand nach Bedarf Haftplätze für die politischen Gegner eingerichtet, die meist nach einigen Wochen wieder aufgelassen wurden. Aber dafür richtete man allenthalben Lager ein, in die man die politischen Gegner konzentrierte: Das System der KZs entstand und wurde zum wesentlichsten Terrorinstrument des Nationalsozialismus, auch als Drohmittel, die KZs waren ja keineswegs geheim, "Volksgenossen", die nicht entsprechend "spurten", konnten sich durchaus mit der Frage konfrontiert sehen, ob sie etwa ins KZ kommen wollten ...
das erste KZ in Dachau in einer aufgelassenen
Pulverfabrik wurde rasch in ein großes Lager ausgebaut
über die Errichtung und den Betrieb des KZ Dachau war
seit
dem Frühjahr in der Presse ausgiebig berichtet worden
ein NS-Propgandafilm aus der Frühzeit der KZs:
im KZ wird für Zucht und Ordnung gesorgt!
Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden an den Klempnerei- und Installateurverband Aufträge in der Höhe von 600 Millionen RM vergeben.
Am 22.12. werden die Urteile im Reichstagsbrandprozess
gesprochen. Der vor Gericht geistig verwirrt agierende van
der Lubbe wird (aufgrund eines rückwirkend erlassenen
Gesetzes!) zum Tode verurteilt, die übrigen Angeklagten
(Torgler, Dimitroff, Popoff und Taneff) werden aber
freigesprochen. Göring tobt,
besonders in der Konfrontation mit Dimitroff hatte er schlecht
ausgesehen, die Agitation der KPD, die NSDAP habe den Brand
selbst gelegt, konnte zwar bis heute nicht bewiesen werden,
fand damals aber durchaus vielfach Glauben.
Das internationale
Aufsehen des Prozesses hatte Terrorurteile gegen die
KP-Funktionäre verhindert, die Freigesprochenen bleiben aber
in Schutzhaft. Die drei ausländischen Kommunisten
dürfen 1934 das Land verlassen, der KPD-Funktionär
Torgler spielt später eine erbärmliche Rolle, ohne Not mutiert
er zum Nazifreund.
der verurteilte geistesschwache
van der Lubbe - der freigesprochene Dimitroff
Gegen Jahresende wird der deutsche Anwaltsverein aufgelöst: Von den 15.000 Mitgliedern waren 3.000 jüdischer Herkunft gewesen.
Zum Jahresausklang schreibt der Neue Vorwärts: »Heute erscheint uns jene Zeit der Verfolgung durch Otto von Bismarck als geradezu liberal. Denn nicht nur keine Morde, keine Misshandlungen und keine Konzentrationslager, sondern es blieben auch die sozialdemokratischen Abgeordneten im Schutze der Immunität.«
An politischen Strafurteilen gab es im Jahre 1933: Wegen Hochverrats 1869, wegen politischer Ausschreitungen 1.128, wegen "heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung" (Verordnung vom 21.3.33) 3.765, aus anderen Gründen 3.734.
Zum Jahresende gibt es 4,058.000 Arbeitslose, Jahresdurchschnitt 4,804.428, Höchststand 6,013.612, Tiefstand: 3,714.646. Ausgewandert sind offiziell 12.786 Personen.