Am 1.1.1934 tritt das Sterilisierungsgesetz in Kraft, mehr als 400.000 Menschen (z.B. Epileptiker) werden unfruchtbar gemacht werden (siehe dazu auch in Sexualität im Dritten Reich, im Kapitel "Arische Völkerzucht" den Abschnitt "Zwangssterilisationen"). Obwohl nur ein recht geringer Prozentsatz von Behinderungen durch Vererbung entsteht (weitaus die meisten Handicaps werden durch Infektionskrankheiten oder Unfälle verursacht), fand der Rassenwahn der Nazis in der Verhinderung "erbkranken Nachwuchses" seinen ersten legistischen Ausdruck, so wie später auch der industrialisierte Massenmord zuerst an den Behinderten getestet wurde.
Klare Rechnung? (5,5 Reichsmark wären im Jahre 2008 ca. 25 Euro)
Mit Jahresbeginn wird die Neugründung von Zeitschriften untersagt. Die Tageszeitungen müssen ihre Auflagenhöhen bekannt geben, die Berliner Morgenpost hat die meisten Bezieher, gefolgt vom Völkischen Beobachter, dem NSDAP-Parteiorgan. 1933 mussten zahlreiche (regionale) Tageszeitungen und die Parteizeitungen (insgesamt 600) ihr Erscheinen einstellen.
10. Jänner 1934: Marinus van der Lubbe wird hingerichtet - der mutmaßliche Reichtagsbrandstifter hatte bis zuletzt beteuert, alleine gehandelt zu haben - eine "kommunistische Verschwörung" konnte bis heute ebenso wenig nachgewiesen werden, wie eine Brandstiftung durch Nazis. Verurteilung und Hinrichtung erfolgten widerrechtlich auf Grund eines rückwirkend eingeführten Gesetzes.
Am 13.1. wird das "Gesetz zur Neuordnung der nationalen Arbeit" verabschiedet, mit dem das Prinzip von Führertum und Gefolgschaft verankert wird. Der Unternehmer ("Betriebsführer") steht zu den Beschäftigten ("Gefolgschaft") in einem "Fürsorge-Treue-Verhätnis". Man konnte noch Jahrzehnte nach Kriegsende die Bezeichnung "Gefolgschaftsraum" für Aufenthalts- und Pausenräume hören - die "Volksgemeinschaft" sollte durch die gemeinschaftsfördernde Ausgestaltungen auch im Arbeitsbereich gefördert werden.
Führer und Gefolgschaft - noch ist Hitler nicht so weit, aber er wird
das Ziel erreichen ..
Am 15.1. sagt Hitler in einer Rede: »Wir wollen keinem Volk an seinem Recht rütteln, kein Volk in seinen Lebensmöglichkeiten beschränken, kein Volk unterdrücken, unterwerfen, unterjochen. Aber die Welt muss aufhören, uns zu unterdrücken.« In Mein Kampf hingegen hatte er unverhüllt seine wirklichen Absichten hinausposaunt: »Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewusst einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft.« Der "Russlandfeldzug" war also längst fixiert ..
26.1.: Deutschland und Polen unterzeichnen einen für zehn Jahre geltenden Nichtangriffspakt. Beide Seiten verpflichten sich zur friedlichen Beilegung aller Streitfragen mittels direkter Konsultationen. Dies bezieht sich insbesondere auf deutsche Gebietsabtretungen an Polen aufgrund des Versailler Vertrags.
In Prag veröffentlicht die SPD das "Prager Manifest", die programmatische Erklärung "Kampf und Ziel des revolutionären Sozialismus", darin heißt es u.a.: »Mit dem Sieg des totalen Staates ist die Frage seiner Überwindung mit grausamer Eindeutigkeit gestellt. Die Antwort lautet: Totale Revolution! Ziel ist die Einheit der antinationalsozialistischen Opposition.« (28.1.)
Zum Jahrestag der "Machtergreifung" am 30.1. werden die Länderparlamente endgültig aufgehoben, die Länderregierungen der Reichsregierung unterstellt. Der nur noch aus NSDAP-Mitgliedern bestehende Reichstag verabschiedet einstimmig das von der Regierung Hitler vorgelegte Gesetz zum Neuaufbau des Reiches. Die Länderparlamente werden aufgelöst und ihre Regierungen zu Ausführungsorganen der Reichsregierung gemacht. In Art. 4 heißt es: »Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen.« Das neue Gesetz geht damit über das Ermächtigungsgesetz vom 23.3.1933 hinaus, das noch Schutzbestimmungen für die Verfassungsorgane Reichsrat und Reichstag enthielt. Hitler verfügt nun auch formal über die Grundlage zur uneingeschränkten Machtausübung auf Reichs- und Länderebene.
Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich im Jänner auf 3,774.000,
die Zahl der Beschäftigten auf 13,518.000, die Arbeitsplatzkapazität
der Industrie übersteigt seit Beginn der Krise erstmals wieder 50%. Die
Besserung der wirtschaftlichen Situation wurde vor allem durch die Steigerung
der öffentlichen Ausgaben erreicht. Die Angst der früheren Regierungen vor dem deficit
spending hatte die NS-Regierung nicht.
Zur Arbeitsbeschaffung wurden 1933 im zivilen Bereich insgesamt rund
3,1 Milliarden Reichsmark ausgeworfen: Öffentliche Baumaßnahmen:
856 Millionen, Wohnungsbau: 723 Millionen, Verkehrsausbau: 951 Millionen, Landwirtschaft:
337 Millionen, sonstiges: 234 Millionen. Die Militärausgaben erhöhen
sich von 1932 auf 1933 von 630 auf 763 Millionen Reichsmark. Die massive Aufrüstung
beginnt erst im Jahre 1934. 1932 hatte Dr. Günther Gereke, Reichskommissar
für Arbeitsbeschaffung, für die Schleicher-Regierung ein Sofortprogramm
erarbeitet, er blieb mit diesem Programm bis März 1933 im Amte und
wurde dann wegen seiner Weigerung, der NSDAP beizutreten, abgeschossen und während
der NS-Zeit mehrfach inhaftiert. Der Finanzminister der Schleicher-Regierung,
Schwerin-Krosigk, blieb bis 1945 im Amt.
Für die Durchziehung der vorläufigen wirtschaftlichen Sanierung des Landes war in der Folge Hjalmar Schacht verantwortlich. Er veranlasste die Gründung der "Metallurgischen Forschungsges.mbH." (Mefo) durch die vier größten Firmen der Schwerindustrie (Krupp, Siemens, Rheinmetall und Gute-Hoffnungs-Hütte), die ab August 1933 prolongierbare Wechsel ausstellte, die bei der Reichsbank sofort diskontierbar waren und so wie Bargeld behandelt wurden, ohne dass diese Erhöhung des Geldumlaufes unmittelbare Auswirkungen auf das Defizit des Staatshaushaltes hatte, dieses hielt sich bis 1938 dadurch im Rahmen. Die Mefo-Wechsel waren aber in Realität lediglich Verschleierungen der Erhöhung des Defizits, die Wechsel wurden von ihren Inhabern während des Wirtschaftsaufschwungs nicht eingelöst, sondern ständig verlängert, erlangten somit direkte Geldfunktion, ohne offiziellen Geldcharakter zu haben. Die Mefo gab bis 1938 bei einem Stammkapital von nur einer Million RM, Wechsel in der Höhe von 12 Milliarden (!!) Reichsmark aus. Wirtschaft 1933-1938
Schacht organisierte Hitler die Finanzierung
der Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung
Im Februar 1934 überschreitet die Arbeitsplatzkapazitätsnutzung in der Industrie mit 54,4% erstmals wieder deutlich die 50-Prozentmarke.
In einem Fastenhirtenbrief freut sich der Osnabrücker Bischof Berning darüber, "dass das deutsche Volk sich wieder auf sein eigenes Wesen besinnt." Er betont ferner den Gehorsam und die Ehrfurcht, die man dem Staat und seiner Obrigkeit schulde.
Am 12. Februar 1934 bricht in Österreich der Aufstand des Republikanischen
Schutzbundes gegen die sich verschärfende klerikalfaschistische Herrschaft
los. Die Rebellion der Arbeiterwehren wird von Militär, Polizei und Heimwehren
niedergeschlagen, die Sozialdemokratie in die Illegalität getrieben. Ohne
aktive Arbeiterbewegung ist, wie sich 1938 zeigen wird, der Weg frei für
den "Anschluss" an Nazi-Deutschland.
Nähere Informationen: Der Austrofaschismus, im
Speziellen zum Aufstand selbst: Februar 1934 und im
Besonderen die Einschätzung der Geschehnisse durch den damaligen Landessekretär
der SDAP, Richard Bernaschek, "Die Tragödie der
Österreichischen Sozialdemokratie".
Mitte Februar 1934 berichtet die GESTAPO über vermehrte illegale Tätigkeit von KPD und SPD.
Als Renner erweist sich der Volksempfänger, ein relativ billiges Rundfunkgerät, von dem innerhalb eines halben Jahres 600.000 Stück abgesetzt werden. Dieses Radio wird den Spitznamen "Goebbelsschnauze" erhalten, weil es seine eingeschränkten Möglichkeiten der Senderauswahl und seine massenhafte Verbreitung zu einem Hauptmittel der NS-Propaganda machen. Die Entwicklung der Rundfunkteilnehmer (in Millionen) 1933: 4,3 - 1934: 5,1 - 1935: 6,1 - 1936: 7,2 - 1937: 8,2 - 1938: 9,1 - 1939 (inklusive Ostmark und Sudetenland) 11,5 - bei Kriegsbeginn haben 60% der deutschen Haushalte Rundfunkempfang.
immer mehr Leute haben Radios, der Rundfunk wird dadurch zum wesentlichen
Propagandamittel, die Rundfunkansprachen Hitlers werden zu wahren "Straßenfegern"
Um "die Verbundenheit der Wehrmacht mit Volk und Staat zum Ausdruck zu bringen", ordnet Präsident Hindenburg an, das Hoheitszeichen der NSDAP (Adler mit Hakenkreuz) auf den militärischen Kopfbedeckungen anzubringen.
Uniformschau der deutschen Wehrmacht,
unten das oben geschilderte Hoheitsabzeichen
Auf einer Rede in München sagt Hitler am 24.2., die Nationalsozialisten seien "ebenso fanatische Verfechter des Friedens, wie wir Verfechter der Gleichberechtigung und damit der Lebensrechte der deutschen Nation sind".
Am 27.2. werden die im Reichstagsbrandprozess freigesprochenen Kommunisten Dimitroff, Popoff und Taneff nach Moskau abgeschoben.
Am 24.3. werden u.a. Albert Einstein, Max Seydewitz, Rudolf Leonhard, Theodor Plivier, Johannes R. Becher, Frank Arnau und Oskar Maria Graf ausgebürgert.
Ende März ist die Arbeitslosenzahl auf rund 2,8 Millionen gesunken. Das mit 1.4. beginnende neue Budgetjahr sieht Erhöhungen der Rüstungsausgaben von 733 auf 1090 Millionen Reichsmark vor. In Wirklichkeit werden die Militärausgaben aber rund 4,2 Milliarden RM erreichen, wovon mehr als die Hälfte durch die Ausgabe der MEFO-Wechsel verschleiert wird. England und Frankreich protestieren gegen die vorgesehene Steigerung der Rüstungsausgaben.
Mitte April wird in Dresden eine "Staatsakademie für Rassen- und Gesundheitspflege" eröffnet. Eine "Amtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums" wird eingerichtet.
Zu Hitlers Geburtstag am 20.4. ernennt Göring Heinrich Himmler zum Leiter der politischen Polizei in Preußen, ihm wird die Geheime Staatspolizei in allen deutschen Ländern unterstellt.
In einem Aufruf zum 1. Mai erklären Hitler und Hindenburg: "Zum ersten Mal in unserer Geschichte ist der innere Bruderzwist beseitigt und die Einigkeit aller Deutschen erreicht. Was unsere Väter seit Jahrhunderten ersehnt haben, ist damit Wirklichkeit geworden. Am 2. Mai werden für die Delikte "Hoch- und Landesverrat" eigene "Volksgerichtshöfe" eingerichtet. Gegen "Miesmacher, Kritikaster, Gerüchtemacher und Nichtskönner" ordnet Propagandaminister Goebbels eine achtwöchige Versammlungs- und Propagandaaktion an. Die Zahl der Beschäftigten erreicht 15,33 Millionen, das sind um 3,8 Millionen mehr als im Jänner 1933. Die Einkommen der Unselbständigen übertreffen jetzt zwar das Niveau der Jahre 1932 und 1933, erreichen aber bei weitem noch nicht das Niveau des Jahres 1931.
Nicht ganz auf dem Laufenden ist die SPD-Zeitung Neuer Vorwärts. Man meint "Heute ist das System schwächer denn je, es löst sich mit großer Geschwindigkeit auf". Die Ansicht aus der Zeit vor der nationalsozialistischen "Machtergreifung", dass Hitler in kurzer Zeit abgewirtschaftet haben werde, ist offensichtlich immer noch nicht ein realistischeren Einschätzung der Lage gewichen.
In Prag beginnt Mitte Mai der geflüchtete ehemalige führende NS-Funktionär vom "linken" Parteiflügel, Otto Straßer, mit der Herausgabe der Zeitschrift Die deutsche Revolution.
Auf der dritten Tagung der Genfer Abrüstungskonferenz Ende Mai lehnt Deutschland den Vorschlag Frankreichs zur Einrichtung eines kollektiven Nichtangriffspaktes der mittel- und osteuropäischen Staaten ab.
Der im Gegensatz zu den NS-orientierten Evangelischen um Reichsbischof Müller stehende Bruderrat der Bekennenden Kirche, u.a. mit Martin Niemöller, tagt Ende Mai in Barmen und formuliert seine religiösen und politischen Grundlagen, der Totalitätsanspruch des Staates wird darin ebenso abgelehnt wie staatliche Funktionen für die Kirche.
Bis Ende Mai hat sich die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr von 5 auf 2,5 Millionen halbiert.
Am 1.6. vereinbaren Frankreich und Deutschland für den 13. Jänner 1935 eine Volksabstimmung über den zukünftigen Status des Saarlandes (dieses steht seit 1920 unter der Verwaltung des Völkerbundes, als Kriegsentschädigung war das Saarland für 15 Jahre der wirtschaftlichen Nutzung durch Frankreich überlassen worden). Der Völkerbund billigt diese Übereinkunft.
Anfang Juni werden die Pflichten des deutschen Soldaten neu formuliert. Der Artikel 1 verpflichtet die Wehrmacht als Waffenträger des deutschen Volkes, "dieses im Nationalsozialismus geeinte Volk und seinen Lebensraum zu schützen". Am 6.6. befiehlt Hitler im Widerspruch zum bestehenden Friedensvertrag die Erhöhung des Mannschaftsstandes der Reichswehr von 100.000 auf 300.000 Soldaten.
Fahnenübergabe
Zwischen Hitler und SA-Führer Röhm weitet sich ein Konflikt aus. Röhm ist der Ansicht, dass die "nationale Revolution" fortgesetzt werden müsse, er fordert vor allem die Eingliederung der SA in die Reichswehr, diese ist durch den Friedensvertrag (noch) auf 100.000 Mann beschränkt, die SA hat um die vier Millionen Mitglieder, die Parteimiliz als eine Art Volksheer gäbe dem SA-Führer eine ungeheure Machtposition, was Hitler verhindern muss. Er hat ja inzwischen die Militärs für seine Pläne gewonnen, er schickt den zum Störfaktor gewordenen Röhm am 7.6. auf einen mehrwöchigen Krankenurlaub und beurlaubt die SA-Einheiten für den Juli. Ab 1.8. soll die SA wieder "ausgeruht und gekräftigt bereitstehen, um ihren ehrenvollen Aufgaben zu dienen".
Am 14.6. tritt Hitler einen Staatsbesuch in Italien an, der zweitägige Besuch bringt zu Hitlers Ärger keine nennenswerten Ergebnisse.
Am 17.6. hält Vizekanzler Papen auf der Jahresversammlung des Universitätsbundes in Marburg eine Rede, in der er das Einparteiensystem und die Ausschaltung des geistigen Menschen kritisiert und sich für gewisse Freiheitsrechte ausspricht. Der Verfasser der Rede, der Schriftsteller Edgar Jung, wird verhaftet und am 30.6. ermordet.
In einer Rundfunkrede am 25.6. warnt Heß SA-Führer Röhm: "Wehe dem, der die Treue bricht im Glauben, durch eine Revolte der Revolution dienen zu können". Am nächsten Tag warnt auch Göring vor "Landes- und Hochverrat in den eigenen Reihen, wer gegen Hitlers Vertrauen sündigt, hat sich um den Kopf gebracht".
Am 27.6. empfängt Hitler drei katholische Bischöfe und meint, es seien zu viele Marxisten in die NSDAP eingetreten, dadurch mangle es an geeigneten Führern, er werde die Aufgabengebiete der Kirche beschützen, die neuheidnische Propaganda solle in Zukunft unterbleiben.
Am 28.6. ordnet Hitler für den 30.6. eine Zusammenkunft der SA-Führung
in Bad Wiessee an. Am 30.6. werden in Bad Wiessee die dort eingetroffenen
SA-Führer festgenommen, auch in Berlin kommt es zu Festnahmen. Auf Hitlers
Befehl erschießt seine SS-Leibstandarte unter Sepp Dietrich im Gefängnis
München-Stadelheim die Verhafteten, in Berlin werden u.a. der Vorgänger
Hitlers als Reichskanzler, General Schleicher und Gregor Straßer,
der ehemalige Führer der NSDAP in Norddeutschland, ermordet. Diese Maßnahmen
werden mit einem angeblich geplanten SA-Putsch begründet.
Vor dem Reichskabinett
erklärt Hitler am 3.7. u.a.: "Unter Führung von Röhm
hat sich ein eng begrenzter Klüngel von SA-Führern gebildet, der nicht
aus Treue zur Bewegung, sondern lediglich durch persönlichen Ehrgeiz und
besondere Veranlagung (Anspielung auf die Homosexualität Röhms
und eines Teiles der SA-Führung, die jedoch Hitler seit Jahren bekannt
gewesen sein dürfte) zusammengehalten wurde (..) Die SA sollte nach
den Wünschen Röhms ein Staat im Staate werden. Da es sich "um
eine militärische Meuterei gehandelt (habe), bei der es ein prozessähnliches
Verfahren nicht geben könne", übernehme er "die volle
Verantwortung für die Erschießung von 43 Verrätern, denn dadurch
ist das Reich gerettet und womöglich das Leben unzähliger anderer
gerettet worden."
Das Reichskabinett beschließt ein Gesetz,
das die Erschießungen nachträglich für rechtens erklärt:
"Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe
am 30.Juni und am 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr
rechtens.
Hitler hat sich mit diesem Schlag der letztmöglichen Opposition entledigt
und das Militär endgültig für sich gewonnen, die Zusammenarbeit
mit der Reichswehr ist gesichert. Hindenburg dankt Hitler für sein Eingreifen.
Zum Stabschef der SA wird Viktor Lutze (1890-1943, Tod durch
Autounfall) ernannt, die SA hat hinkünftig nur noch dekorative Bedeutung
(Aufmärsche, Umzüge, Kundgebungen, Parteitage), bis Kriegsbeginn verliert
die SA etwa Zweidrittel ihres Mitgliederbestandes.
Ihr politischer Stellenwert geht an die SS über, die durch ihre Verquickung
mit dem Polizeiapparat immer mehr zum bedingungslos hitlerhörigen Arm der
NS-Staatsgewalt wird. Formal war die SS bisher Teil der SA - ab 20.7. wird sie
zu einer selbständigen Gliederung der NSDAP, der Reichsführer-SS ohne
Zwischeninstanzen direkt Hitler unterstellt. Die Reichswehr ist froh über
die Ausschaltung der Parteimiliz, der aus der Reichswehr entstehenden Wehrmacht
wird späterhin die SS zu einer Konkurrenz, mit der ständig Kleinkriege
um Macht, Einfluss, Waffensysteme und Rekruten geführt werden.
SA-Führer Ernst Röhm,
nachdem er sich weigerte,
Selbstmord zu begehen, wurde er am 2.7.34 ermordet
schon vor der "Machtergreifung" gab es Zeitungsberichte
über "warme" SA-Leute, wie hier von 1931
die SS: so wurde sie im Brockhaus-Lexikon der NS-Zeit beschrieben
die Sieger: Polizei- und SS-Führer mit ihrem Chef Heinrich Himmler
(3.v.l.),
der Erste von rechts in der hinteren Reihe: Reinhard
Heydrich
Mit 9.7. werden die Konzentrationslager dem Reichsführer der SS und Kommandeur der GESTAPO, Heinrich Himmler, unterstellt. Man spricht vom "Himmler-Reich".
Auf der Reichstagssitzung vom 13.7. spricht Hitler schon von 77 erschossenen Parteigenossen, aber er übernimmt "vor der Geschichte die Verantwortung für die 24 Stunden der bittersten Entschlüsse meines Lebens". Göring dankt Hitler für die tatkräftige und entschlossene Rettung des Vaterlandes vor Bürgerkrieg und Chaos. "Wir alle billigen immer das, was unser Führer tut." Alleine in Preußen sind im Zusammenhang mit der Maßnahmen gegen die SA-Führung 1124 Personen in Schutzhaft genommen worden. Die Militärs sind befriedigt, dass damit ihre Position im NS-Staat gefestigt wurde, auch von großen Teilen der Bevölkerung wird die Ausschaltung der SA, in der sich gerne gewalttätige Krakeeler als "kleine Hitler" von eigenen Gnaden aufspielten, begrüßt.
Am 16.7. findet in München die letzte Besprechung österreichischer Nazis statt, die für den 25.7. einen Putsch in Wien vorbereiten.
Am 25. Juli scheitert in Wien dieser Putschversuch der österreichischen
Nazis. Angehörige der 89. SS-Standarte besetzen (als Bundesheerangehörige
verkleidet) das Bundeskanzleramt. Die geplante Festnahme der Regierung kann
nicht erfolgen, weil die Regierungssitzung vorfristig beendet worden war, nachdem
Heimwehrführer Fey die Regierung vor einer geplanten Aktion gegen das Bundeskanzleramt
gewarnt hatte.
Der kleinwüchsige aber machtbesessene klerikalfaschistische Diktator Engelbert
"Millimetternich" Dollfuß wird von den Putschisten erschossen.
Die Besetzung der Rundfunkanstalt gelingt, die Nazis verkünden den Rücktritt
der Regierung Dollfuß und die Übernahme der Regierungsgeschäfte
durch Dr. Rintelen, den österreichischen Gesandten in Rom. Um 19h ergeben
sich die Putschisten im Bundeskanzleramt, in den Bundesländern werden bis
30.7. die nur vereinzelten lokalen Aufstandsversuche niedergeschlagen, die österreichische
SA hatte wegen der Ausschaltung der deutschen SA-Führung in diesen Tagen
ein gespanntes Verhältnis zur SS, was a priori die Erfolgsaussichten des
Putsches beeinträchtigte. Hitler distanziert sich vom Putschversuch, der
deutsche Gesandte in Wien, Dr. Rieth, wird abberufen, er habe "ohne
jeden Grund das Deutsche Reich in eine interne österreichische Angelegenheit
hineingezogen", und durch den bisherigen deutschen Vizekanzler Papen
ersetzt. Am 3.8. ordnet Hitler die Auflösung der österreichischen
Leitung der NSDAP an. Der Putschversuch forderte 101 Tote auf seiten der Exekutive
und 98 Tote unter den Putschisten, 13 Putschführer wurden hingerichtet.
Italien unterstützt in diesem Konflikt Österreich, Mussolini
lässt Truppen am Brenner aufmarschieren.
die beiden klerikalfaschistischen Diktatoren in Österreich, links der
Zerstörer der österreichischen Demokratie, Engelbert Dollfuß,
rechts sein Nachfolger, Kurt Schuschnigg, er lieferte das Land widerstandslos
an Hitler aus - siehe dazu: Der Austrofaschismus
oder direkt der Naziputsch
das "Anhaltelager Wöllersdorf", hier sperrten die Klerikalfaschisten
ihre politischen Gegner,
Sozialdemokraten, Kommunisten, Nazis, ein - für das soziale Problem hatte
man in Schlögen
in Oberösterreich ein ähnliches Lager, dort sperrte man die durchs
Land ziehenden Bettler ein
der tote Dollfuß - er wurde von den Falschen ausgeschaltet,
die Nazis konnten den Ruhm, Dollfuß beseitigt zu haben, für sich
nutzen!
Hier ein Wort zur österreichischen NSDAP: Seit 1904 hatte es im Sudetenland eine "Deutsche Arbeiterpartei" gegeben, deren Führer, ein gewisser Dr. Walter Riehl, aus der Sozialdemokratie stammte und der Partei ein antisemitisches, antiklerikales, antislawisches, aber auch antikapitalistisches Gepräge gab. 1911 entsandte die Partei drei Abgeordnete in den österreichischen Reichsrat. 1918 wurde die Partei in "Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei" umbenannt, die zwar Kontakte mit der deutschen Partei Drexlers hatte, aber noch kein "Ableger" war, die schon länger bestehende österreichische Partei war sogar größer.
die D.A.P.- Führer Walter Riehl (Österreich) und Anton Drexler
(Deutschland)
auf einem Treffen der beiden Parteien in Salzburg 1920
Der vom Sudetenland nach Wien abgewanderte Dr. Riehl fiel in den Zwanzigerjahren parteiinternen Machtkämpfen zum Opfer und trat in der Folge politisch nicht mehr in Erscheinung, nach 1945 soll er der ÖVP angehört haben. Nach endlosen Fraktionskämpfen und mehrmaligen Spaltungen wurde 1926 die Partei als der österreichische Ableger der NSDAP neu gegründet. Damals bekannte NS-Funktionäre: Frauenfeld, Habicht, Tavs, Leopold, Proksch, Reschny, Lukesch (letzterer war Stabschef der österreichischen SA und trat noch als 90jähriger bei Gemeinderatswahlen für die FPÖ an). Die NSDAP blieb bis 1932 bei Wahlen in Österreich fast überall bedeutungslos, lediglich in Kärnten zogen 1930 zwei Nazis in den Landtag ein. Dann folgte das Überlaufen der Anhänger der Deutschnationalen und anderer Rechtsparteien: Bei den Landtagswahlen 1932 (Wien, NÖ, Salzburg) verloren Großdeutsche, Landbund und Heimwehren 80% ihrer Stimmen an die NSDAP, die sich verfünffachte. Zusammen hatten Großdeutsche, Landbund, Heimatblock und NSDAP 18,9%, (vorher 17,3%) der Stimmen, die Nazis erreichten davon alleine 16,3%.
der Wiener Gauleiter Frauenfeld begrüßt Hitler, zwischen
den beiden Otto Wächter, einer der Leiter des Juli-Putsches
Reichsbischof Müller meldet seinem Führer, dass von den 28 evangelischen Landeskirchen lediglich drei (Bayern, Württemberg und Hannover) immer noch Widerstand gegen eine Eingliederung in die nationalsozialistisch ausgerichtete Reichskirche leisten.
der Reichsbischof Müller und sein Führer
Reichspräsident Hindenburg erkrankt am 31. 7. schwer und stirbt am 2. August. Ein rasch erlassenes Gesetz vereinigt die Funktionen Reichspräsident und Reichskanzler, Hitler nennt sich ab sofort Führer und Reichskanzler. In der Trauersitzung des Reichstages am 6.8. weist Hitler "in ergriffener Dankbarkeit auf das unermeßliche Verdienst" hin, das sich Hindenburg mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erworben habe. Der schon recht altersdemente Hindenburg (Anekdote zu Hitlers Machtübernahme: Hindenburg, so berichtete der Volksmund, soll die paradierenden SA-Männer wegen der braunen Uniformen für gefangene Russen gehalten haben) hatte mit dieser Entscheidung tatsächlich den Weg ins Dritte Reich ermöglicht.
Die Fehler, die 1932 bei der Reichspräsidentenwahlen von den Gegnern des Nationalsozialismus gemacht worden waren, konnten nicht mehr korrigiert werden. Ein gemeinsamer Kandidat der Linken, der Liberalen und der gemäßigten Bürgerlichen hätte einen Hindenburg und in der Folge vielleicht dadurch auch Hitler verhindert.
eine NS-Propaganda-Postkarte, Hitler als der logische
Fortsetzer der
imperialen Politik der Vergangenheit
die Wehrmachtssoldaten werden ab sofort direkt auf den "Führer
des Deutschen
Reiches und Volkes, Adolf Hitler" vereidigt: "Ich schwöre bei
Gott diesen heiligen
Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler,
dem
obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und
als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit mein Leben einzusetzen."
Die KPD steigt jetzt endlich von der stupiden und schändlichen Stalinlosung herunter, die Sozialdemokratie als Sozialfaschismus und wichtigste soziale Stütze des Faschismus zu bezeichnen. In Frankreich wird zwischen SPD und KPD ein Einheitspakt unterzeichnet.
Am 20.8. findet eine Volksabstimmung über die Vereinigung der Funktionen von Präsident und Kanzler in Hitlers Hand statt. Von den 45,5 Millionen Wahlberechtigten, stimmen 43,6 Millionen ab, gut 800.000 Stimmen sind ungültig, 38,4 Millionen stimmen mit JA, 4,3 Millionen mit NEIN.
Ab 22.8. lautet die Vereidigungsformel des Beamtendiensteides: "Ich schwöre es: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflicht gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe".
Am 30.8. erklärt Baldur von Schirach, dass über 90% der Jugend in der HJ vereinigt seien.
die Kinder und Jugendlichen werden auf Hitler fixiert,
die Hitler-Jugend bietet Spiel, Sport, Abenteuer - und vormilitärische
Ausbildung
Mit Ende August gibt es 2,4 Millionen Arbeitslose und 15,5 Millionen Beschäftigte, der Wirtschaftsfachmann Schacht ist seit August Wirtschaftsminister und bewerkstelligt eine Reihe von günstigen Außenhandelsabkommen, gegenüber 1933 sind die deutschen Auslandsschulden von 25 auf 13,9 Milliarden Reichsmark abgesunken, was Schacht vor allem dadurch erreichte, dass durch eine rigorose Devisenbewirtschaftung die ausländischen Gläubiger wenig Aussicht hatten, ihre auf Sperr- und Abrechnungskonten liegenden Gelder in absehbarer Zeit in Devisen zu bekommen, das veranlasste viele, ihre Schuldentitel zum halben Nominale zu verkaufen.
Am 4. September beginnt in Nürnberg der sechste Reichsparteitag mit dem Untertitel Triumph des Willens, Hitler verkündet, dass in den nächsten tausend Jahren in Deutschland keine Revolution mehr stattfinden werde. Womit er vermutlich auf jeden Fall recht hatte. Über den Parteitag wird von Leni Riefenstahl ein Dokumentarfilm gedreht, der zu den Höhepunkten der NS-Propaganda zählt. Dieser Parteitag hat natürlich mit einem Parteitag im üblichen Sinn nichts gemein. Er besteht praktisch nur aus Aufmärschen, Befehlsappellen und Ansprachen. Heß bezeichnet den Titel Führer als "staatsrechtlich verankerten Begriff".
zwei Szenenfoto des Riefenstahl-Films, der Führer beim Einzug der Standarten,
und bei der Fahnenweihe mit der "Blutfahne" des missglückten
Putsches von 1923
Hitler-Stellvertreter Heß trifft sich am 18. 9. mit Henlein, dem Führer des Sudetendeutschen Heimatbundes.
Ab 24.9. gilt für den Außenhandel die "Verordnung über den Warenverkehr" - mit Import- und Exportsteuerung will der im August zum Wirtschaftsminister bestellte Schacht die außenwirtschaftlichen Engpässe in den Griff bekommen. Die forcierte Aufrüstung vermindert die Exporte und steigert den Importbedarf (Rohstoffe).
Am 4. Oktober erlässt Goebbels an die Gauleitungen konkrete Richtlinien zum Grundsatz, den Hitler am Reichsparteitag verkündet hatte: Die Partei befiehlt dem Staat. Ab 16.10 werden die Mitglieder des Reichskabinetts auf Hitler vereidigt.
Probleme hat die KPD mit dem Umschwenken Stalins: Die Kommunistische Internationale wirft ihr linkssektiererisches Verhalten vor und fordert sie auf, direkte Verhandlungen mit der SPD-Führung aufzunehmen.
Vizehitler Heß verbietet am 14.11. das Beflaggen und die Jubelartikel zu Geburtstagen führender Nazis - öffentlicher Jubel soll wohl alleine dem "Führer" vorbehalten bleiben.
Am 16. November erklärt Reichspressechef Dietrich den kategorischen Imperativ Kants ("Handle so, dass die Maxime Deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann") für die "geradezu klassische Formulierung nationalsozialistischer Ethik".
Ende November teilt das Statistische Amt mit, dass seit dem Regierungsantritt Hitlers das Arbeitsvolumen von 579 Millionen Stunden auf 1,02 Milliarden gestiegen sei.
19. Dezember: Für den Fall seines Todes bestimmt Hitler Hermann Göring zu seinem Nachfolger.
Am 20.12. wird das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Partei und Staat (Heimtücke-Gesetz) erlassen. Auf Grundlage dieser Rechtsvorschrift können gegen alle regimekritischen Äußerungen Haftstrafen verhängt werden. Bisher wurde zu gleichem Zweck die Verordnung vom 21.3.1933 "zur Abwehr heimtückischer Angriffe auf die Regierung der nationalen Erhebung" verwendet.
Statistisches zum Jahresende. Das Deutsche Reich hat 66,6 Millionen
Einwohner, von den 18,2 Millionen unselbständig Erwerbstätigen hatten
im Jahresdurchschnitt 15,5 Millionen eine Beschäftigung, die Zahl der Kriminalfälle
ist von (1933) 329.744 auf 288.000 gesunken, die Geburten haben um 230.000 auf
knapp 1,2 Millionen zugenommen. Das Volkseinkommen erhöhte sich von 46,5
auf 52,7 Millionen Mark. Mit Einrichtungen der Deutschen Arbeitsfront (Kraft
durch Freude) fuhren 2,2 Millionen Arbeiter auf Urlaub.
Die Wohnungsneubauten stiegen von 133.000 auf 175.000.
Im Herbst wurden mittels eines Amnestiegesetzes ein großer Teil der Inhaftierten
freigelassen, darunter auch Personen, die aus politischen Gründen verurteilt
worden waren. Der Nationalsozialismus gewinnt mit seinen nun vorherrschenden
wirtschaftlichen Erfolgen weitere Zustimmung in der Bevölkerung.
Ende 1934