Wir kennen die Sprüche der Angehörigen der Hitlergeneration, die Spätergeborenen könnten nicht mitreden, weil sie ja nicht dabeigewesen seien. Und damals sei alles sowieso ganz anders gewesen als es heute geschildert werde.
Aber hier erinnert sich ein Österreicher, der 1938 erlebt hat und doch kein Nazi war:
Zum Ende des Gedenkjahres 1998 wäre es an der Zeit, unseren Staatsbürgern und vor allem unserer Jugend entsprechende Kenntnisse über die Ereignisse im Jahre 1938 mit der Besetzung Österreichs und dem Ende der Ersten Republik zu vermitteln. Dies müsste in einer Art und Weise geschehen, die an Wahrheitsgehalt und Gründlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Die in den Medien bisher erfolgten Beiträge konnten kein vollständiges Bild ergeben, weil dies in der jeweils zur Verfügung gestandenen Zeit gar nicht möglich war und durch die Verschiedenartigkeit der Berichte eher zur Verwirrung Anlass gaben. Sehr oft entstand bei diesbezüglichen Beiträgen im Fernsehen der Eindruck, dass die Verantwortlichen dieser Sendungen - aus welchen Gründen auch immer - auf eine objektive Kommentierung der gezeigten Bilder verzichteten. Gerade deshalb wäre es notwendig, eine objektive Zusammenfassung dieser Ereignisse durch Aussagen von Zeitzeugen unter der Patronanz von Historikern und einschlägigen Fachleuten (Pädagogen, Psychologen etc.) zur Erstellung geeigneter Lehrpläne für unsere Schulen in Angriff zu nehmen. Sollte es gelingen, diese für junge Menschen so notwendigen Geschichtskenntnisse in die Lehrpläne der Schulen aufzunehmen, bestünde die berechtigte Hoffnung, dass unsere Jugend eine demokratische Staatsform nicht nur besser schätzen lernen könnte, die jungen Menschen würden sich auch für die Erhaltung der Demokratie intensiver einsetzen. Es ist ein Irrtum, zu glauben, unsere Staatsbürger interessiert das Verhalten ihrer Urgroßeltern, Großeltern und Eltern in der nationalsozialistischen Zeit nicht. Oft schon wurde die Frage gestellt: "Wie war das möglich?" Oder etwas vorwurfsvoller: "Wieso habt Ihr dagegen nichts unternommen? Wieso habt Ihr das alles zugelassen?"
Die eigentlichen Gründe, wieso die Annexion Österreichs im Jahre 1938 durch das nationalsozialistische Deutschland so reibungslos vor sich ging, wurden bisher kaum in verständlicher Weise aufgezeigt; auf diese Gründe wird im folgenden noch näher eingegangen.
Zunächst soll der Werdegang des aus Braunau am Inn stammenden Adolf Hitler, "Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches", in Erinnerung gerufen werden. Was hat diesen Mann zu seinen für ganz Europa und insbesonders für Deutschland und Österreich so unheilvollen Taten bewegen? Wie war es möglich, dass Hitler seine Veranlagung zur menschenverachtenden Brutalität und zu Sadismus, die zu den verbrecherischen Handlungen führten, umsetzen konnte?
Eine diesbezügliche Hilfe zur Antwort gibt Hitler selbst durch sein Buch "Mein Kampf", wenn auch seine Aussagen, beginnend ab seiner Kindheit über den Marsch zur Feldherrnhalle bis zum eigentlichen Beginn der NS-Herrschaft in Deutschland geschönt und teilweise völlig unglaubwürdig sind. Auf den Seiten 3 und 4 ist zu lesen, dass der junge Adolf am Herumtollen mit robusten Jungen im Freien seine Freude hatte und der weite Schulweg ihn zu allem anderen nur nicht zu einem Stubenhocker machte. Er hätte schon als Kind sein rednerisches Talent entdeckt und wurde bei seinen Kameraden ein kleiner Rädelsführer. Auf Seite 4 ist gleichzeitig zu erfahren, dass Hitler im Kindesalter von 11 Jahren die väterliche Bibliothek durchstöberte und über verschiedene Bücher militärischen Inhaltes auch auf eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 gestoßen sei. Diese zwei Bände seien zur Lieblingslektüre des elfjährigen Adolf geworden, der von nun an für alles schwärmte, was mit Krieg und Soldatentum zusammenhing. Außerdem hätte sich ihm schon damals die Frage aufgedrängt, warum mit den Schlachten schlagenden Deutschen nicht auch Österreich und damit auch sein Vater mitgekämpft hätte.
Obwohl Stil und Ausdrucksweise in Hitlers "Mein Kampf" vernichtend beurteilt wurden, ist es erforderlich, einige Aussagen Hitlers aus seinem Buch wortgetreu wiederzugeben. Hitler fragt u.a. auf den Seiten 4 und 5:
"Gehören wir denn nicht alle zusammen? Dieses Problem begann zum erstenmal in meinem kleinen Gehirn zu wühlen. Mit innerem Neide musste ich auf vorsichtige Fragen die Antwort vernehmen, dass nicht jeder Deutsche das Glück besitze, dem Reich Bismarcks anzugehören: Ich konnte dies nicht begreifen."
Als elfjähriger Bub und "Nichtstubenhocker" hat er also das Verlangen und die Zeit gehabt, dicke Wälzer zu lesen und politische Überlegungen um den Zusammenschluss Österreichs mit Deutschland anzustellen. Dies sei ihm durch das Vorhandensein der entsprechenden Literatur in der Bibliothek seines Vaters, den er als einen pflichtbewussten österreichischen Staatsbeamten schilderte, ermöglicht worden.
Seltsam erscheint dabei, dass ein kaisertreuer Staatsdiener eine vom damaligen Monarchen unerwünschte Literatur nicht nur besaß, sondern sie obendrein einem elfjährigen Kind zugänglich machte.
Es war Hitlers Eitelkeit, dass er sich beim Schreiben seines Buches nach dem Grundsatz "Der Glaube braucht keine Beweise" nachträglich daran erinnerte, schon als elfjähriger Bub ein "apolitisches Wunderkind" gewesen zu sein. Er wollte sich u.a. als "nationalsozialistisches Jesukindlein" dem deutschen Volk präsentieren und wusste, dass niemand sein Geschreibsel anzweifeln durfte.
Auf den Seiten 5-8 des Buches bekannte Hitler, dass er auf Wunsch seines Vaters studieren sollte. Der Vater hätte aber erkannt, dass das humanistische Gymnasium ein Widerspruch zum Wesen, zum Temperament und zur Veranlagung seines Sohnes Adolf war. Besser sei eine Realschule, weil der Vater die Fähigkeit seines Sohnes zum Zeichnen bemerkt habe. Schon mit 12 Jahren erklärte der junge Hitler, er wolle Kunstmaler werden. Die Reaktion des Vaters ist auf den Seiten 7 und 8 festgehalten, die von Hitler wie folgt geschildert wurde:
"Maler? Kunstmaler? Er zweifelte an meiner Vernunft, glaubte vielleicht auch nicht recht gehört oder verstanden zu haben. Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich denn auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen. Seine Entscheidung war hier nur sehr einfach, wobei irgendein Abwägen meiner etwa wirklich vorhandenen Fähigkeiten gar nicht in Frage kommen konnte. "Kunstmaler, nein, so lange ich lebe, niemals." Da nun aber sein Sohn eben mit verschiedenen sonstigen Eigenschaften wohl auch die einer ähnlichen Starrheit geerbt haben mochte, so kam auch eine ähnliche Antwort zurück. Nur natürlich umgekehrt dem Sinne nach. Auf beiden Seiten blieb es dabei bestehen. Der Vater verließ nicht sein "Niemals", und ich verstärkte mein "Trotzdem". Freilich hatte dies nun nicht sehr erfreuliche Folgen. Der alte Herr ward verbittert und, so sehr ich ihn auch liebte, ich auch. Der Vater verbat sich jede Hoffnung, dass ich jemals zum Maler ausgebildet werden würde. Ich ging einen Schritt weiter und erklärte, dass ich dann überhaupt nicht mehr lernen wollte. Da ich nun natürlich mit solchen "Erklärungen" doch den kürzeren zog, insofern der alte Herr jetzt seine Autorität rücksichtslos durchzusetzen sich anschickte, schwieg ich künftig, setzte meine Drohungen aber in die Wirklichkeit um. Ich glaubte, dass, wenn der Vater erst den mangelnden Fortschritt in der Realschule sähe, er gut oder übel eben doch mich meinem erträumten Glück würde zugehen lassen.
Ich weiß nicht, ob diese Rechnung gestimmt hätte. Sicher war zunächst nur mein ersichtlicher Misserfolg in der Schule."
Fragwürdig ist, ob sich ein Vater mit seinem 12-jährigen Sohn über dessen künftigen Beruf in der damaligen Zeit so massiv auseinandersetzte. Auch ist nicht ganz verständlich, warum der so "begabte" Adolf Hitler als 12-jähriger nicht erkannte, dass die Aufnahme in eine Kunstschule nur beim Nachweis entsprechender Vorbildung möglich gewesen wäre. War das Versagen in der Schule nur Trotz, "es dem Vater zu zeigen" oder waren mangelnde Begabung und Faulheit die eigentliche Ursache? Das Vorhaben des zu Brutalität und Verbrechertum bestens veranlagten Adolf Hitler, "es allen zur gegebenen Zeit schon zu zeigen", wurde später zur traurigen Gewissheit.
Hitler versuchte zunächst, mit der Schilderung seiner Kinderjahre das Deutsche Volk zum Schmunzeln zu bringen. Der große Führer und Reichskanzler war als Kind eben ein kleiner "Lausbub". Keinesfalls wollte er zugeben, dass er sowohl in der Schule als auch im Berufsleben kläglich versagte. Im 2. Kapitel, das er mit "Wiener Lehr- und Leidensjahre" überschrieb, ging Hitler auf seine Versuche, auf den diversen Baustellen als Hilfsarbeiter auch politische Propaganda in seinem Sinne zu betreiben, nur oberflächlich ein. Er gibt zu, dass er mit seinen Parolen bei den Arbeitern nicht ankam. Er verschwieg allerdings, wie es ihm bei handfesten Auseinandersetzungen ergangen war. Vielmehr beschrieb er die Not der Arbeiterschaft in Wien in einer Weise, dass man den Eindruck gewinnen könnte, dass in diesem von Hitler so gehassten Wien nur Arbeitslosigkeit , Elend und Not, Familienväter, die am Wochenende ihren Lohn versaufen und anschließend in ihre Kellerlöcher heimkehrten, um Weib und Kinder zu verprügeln, das Bild der Stadt Wien geprägt haben. Aus Erzählungen unserer Vorfahren wissen wir, dass es in Wien damals auch bittere Armut und Not gab. Am damaligen Wien und seiner Bevölkerung aber überhaupt nichts positiv zu finden, gibt Zeugnis dafür, zu welch unbändigem Hass und Zynismus Hitler fähig und wegen seiner eigenen Unzulänglichkeit im beruflichen und gesellschaftlichen Leben mit Nihilismus und sonstigen Komplexen behaftet war. Hitler hat bei der Schilderung seines Aufenthaltes in Wien auf sein Selbstmitleid nicht vergessen. Wie ein jäher Schlag aus heiterem Himmel hätte ihn die Nichtaufnahme in die allgemeine Malerschule der Akademie getroffen. Auf den Seiten 19 und 20 des Buches ist zu lesen, dass Hitlers Trotz wieder gekommen und sein Ziel endgültig ins Auge gefasst sei. Er schreibt:
"Ich wollte Baumeister werden, und Widerstände sind nicht da, dass man vor ihnen kapituliert, sondern dass man sie bricht. Und brechen wollte ich diese Widerstände, immer das Bild des Vaters vor Augen, der sich einst vom armen Dorf- und Schusterjungen zum Staatsbeamten emporgerungen hatte. Da war mein Boden doch schon besser, die Möglichkeit des Kampfes um so viel leichter: und was damals mir als Härte des Schicksals erschien, preise ich heute als Weisheit der Vorsehung. Indem mich die Göttin der Not in ihre Arme nahm und mich oft zu zerbrechen drohte, wuchs der Wille zum Widerstand, und endlich blieb der Wille Sieger.
Das danke ich der damaligen Zeit, dass ich hart geworden bin und hart sein kann. Und mehr noch als dieses preise ich sie dafür, dass sie mich losriss von der Hohlheit des gemächlichen Lebens, dass sie das Muttersöhnchen aus den weichen Daunen zog und ihm Frau Sorge zur neuen Mutter gab, dass sie den Widerstrebenden hineinwarf in die Welt des Elends und der Armut und ihn so die kennenlernen ließ, für die er später kämpfen sollte.
In dieser Zeit sollte mir auch das Auge geöffnet werden für zwei Gefahren, die ich beide vordem kaum dem Namen nach kannte, auf keinen Fall aber in ihrer entsetzlichen Bedeutung für die Existenz des deutschen Volkes begriff: Marxismus und Judentum."
Hitler wollte auch zum Ausdruck bringen, dass Marxismus und Judentum die Ursache waren, dass er es in Österreich nur bis zum Bauhilfsarbeiter brachte und dies nicht etwa auf seine Unfähigkeit zurückzuführen sei. Bevor auf das 4. Kapitel "München" eingegangen wird, sollten noch ein paar Zeilen Hitlers aus dem 3. Kapitel über die Bedeutung der Rede angeführt werden. Hitler konnte nie verhehlen, wie er zu Leuten stand, die sich mit dem geschriebenen Wort auszudrücken vermochten. Er schreibt auf Seite 116 seines Buches:
"Denn das mögen sich alle die schriftstellernden Ritter und Gecken von heute besonders gesagt sein lassen: die größten Umwälzungen auf dieser Welt sind nie durch einen Gänsekiel geleitet worden! Nein, der Feder blieb es immer nur vorbehalten, sie theoretisch zu begründen. Die Macht aber, die die großen historischen Lawinen religiöser und politischer Art ins Rollen brachte, war seit urewig nur die Zauberkraft des gesprochenen Wortes. Die breite Masse eines Volkes vor allem unterliegt immer nur der Gewalt der Rede. Alle großen Bewegungen aber sind Volksbewegungen, sind Vulkanausbrüche menschlicher Leidenschaften und seelischer Empfindungen, aufgerührt entweder durch die grausame Göttin der Not oder durch die Brandfackel des unter die Masse geschleuderten Wortes und nicht limonadige Ergüsse ästhetisierender Literaten und Salonhelden." (..) (Seite 117) "Daher möge jeder Schreiber bei seinem Tintenfasse bleiben, um sich "theoretisch" zu betätigen, wenn Verstand und Können hierfür genügen: zum Führer aber ist er weder geboren noch erwählt."
Hitler war das geschriebene Wort offensichtlich zuwider, weil man es leichter erfassen und damit auch besser nach dessen Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Ein als "Brandfackel" unter die Massen geschleudertes Wort mit begleitendem "Sieg-Heil-Geschrei" hingegen hatte den von Hitler gewollten "Uberrumpelungs-Effekt". Hitler kam im Jahre 1912 endgültig nach München, nachdem er seiner Einberufung zum Wehrdienst in Österreich nicht nachkommen wollte. Er schreibt auf Seite 138, dass diese Zeit in München vor dem Krieg seine glücklichste und weitaus zufriedenste war. Er begann in den Jahren 1913 und 1914 über weltpolitische Probleme seine Thesen zu erstellen und hat zum erstenmal in verschiedenen Kreisen, die später zum Teil treu zur nationalsozialistischen Bewegung standen, seine politischen Ansichten ausgesprochen. Natürlich galt es auch, in Deutschland alles, was nicht in sein NS- Konzept passte, zu verdammen bzw. auszurotten. Nach der Ermordung des Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Gattin in Sarajevo schreibt Hitler auf den Seiten 176 und 177:
"Der Kampf des Jahres 1914 wurde den Massen, wahrhaftiger Gott, nicht aufgezwungen, sondern von dem gesamten Volke selbst begehrt. Man wollte einer allgemeinen Unsicherheit endlich ein Ende bereiten. Nur so kann man auch verstehen, dass zu diesem schwersten Ringen sich über zwei Millionen deutscher Männer und Knaben freiwillig zur Fahne stellten, bereit, sie zu schirmen mit dem letzten Tropfen Blutes.
Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung aus den ärgerlichen Empfindungen der Jugend vor. Ich schäme mich auch heute nicht, es zu sagen, dass ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, dass er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.
Ein Freiheitskampf war angebrochen, wie die Erde noch keinen gewaltigeren bisher gesehen; denn sowie das Verhängnis seinen Lauf auch nur begonnen hatte, dämmerte auch schon den breitesten Massen die Überzeugung auf, dass es sich dieses Mal nicht um Serbiens oder auch Österreichs Schicksal handelte, sondern um Sein oder Nichtsein der deutschen Nation."
Es gehörten neben den Hassgesängen Hitlers gegen Österreich, gegen Marxismus, Juden- und Slawentum auch seine penetranten heroischen Bekenntnisse, die alles Schmierenkomödiantische in den Schatten stellten. Hitler war dabei auch darauf bedacht, seine Rolle als Wehrdienstverweigerer in Österreich loszuwerden. Auf Seite 179 versuchte er dies mit einer Selbstbeweihräucherung, die plumper nicht hätte ausfallen können. Er schreibt:
"Ich hatte so oft 'Deutschland über alles' gesungen und aus voller Kehle Heil gerufen, dass es mir fast wie eine nachträglich erklärte Gnade erschien, nun im Gottesgericht des ewigen Richters als Zeuge antreten zu dürfen zur Bekundung der Wahrhaftigkeit dieser Gesinnung. Denn es stand bei mir von der ersten Stunde an fest, dass ich im Falle eines Krieges - der mir unausbleiblich schien - so oder so die Bücher sofort verlassen würde. Ebenso aber wusste ich auch, dass mein Platz dann dort sein musste, wo mich die innere Stimme nun einmal hinwies. Aus politischen Gründen hatte ich Österreich in erster Linie verlassen: was war aber selbstverständlicher, als dass ich nun, da der Kampf begann, dieser Gesinnung erst recht Rechnung tragen musste! Ich wollte nicht für den habsburgischen Staat fechten, war aber bereit, für mein Volk und das dieses verkörpernde Reich jederzeit zu sterben.
Am 3. August reichte ich ein Immediatgesuch an seine Majestät König Ludwig III. ein mit der Bitte, in ein bayerisches Regiment eintreten zu dürfen. Die Kabinettskanzlei hatte an diesen Tagen sicherlich nicht wenig zu tun: um so größer war meine Freude, als ich schon am Tage darauf die Erledigung meines Ansuchens erhielt. Als ich mit zitternden Händen das Schreiben geöffnet hatte und die Genehmigung meiner Bitte mit der Aufforderung las, mich bei einem bayerischen Regiment zu melden, kannte Jubel und Dankbarkeit keine Grenze. Wenige Tage später trug ich dann den Rock, den ich erst nach nahezu sechs Jahren wieder ausziehen sollte.
So, wie wohl für jeden Deutschen, begann nun auch für mich die unvergesslichste und größte Zeit meines irdischen Lebens. Gegenüber den Ereignissen dieses gewaltigsten Ringens fiel alles Vergangene in ein schales Nichts zurück." (Seite 180) Eine einzige Sorge quälte mich in dieser Zeit, mich wie so viele andere auch, ob wir nicht zu spät zur Front kommen würden. Dies allein ließ mich oft und oft nicht Ruhe finden. So blieb in jedem Siegesjubel über eine neue Heldentat ein leiser Tropfen Bitternis verborgen, schien doch mit jedem neuen Siege die Gefahr des Zuspätkommens zu steigen.
Und so kam endlich der Tag, an dem wir München verließen, um anzutreten zur Erfüllung unserer Pflicht. Zum ersten Male sah ich so den Rhein, als wir an seinen stillen Wellen entlang dem Westen entgegenfuhren, um ihn, den deutschen Strom der Strome, zu schirmen vor der Habgier des alten Feindes. Als durch den zarten Schleier des Frühnebels die milden Strahlen der ersten Sonne das Niederwalddenkmal auf uns herabschimmern ließen, da brauste aus dem endlos langen Transportzuge die alte "Wacht am Rhein" in den Morgenhimmel hinaus, und mir wollte die Brust zu enge werden. Und dann kommt eine feuchte, kalte Nacht in Flandern, durch die wir schweigend marschieren, und als der Tag sich dann aus den Nebeln zu losen beginnt, da zischt plötzlich ein eiserner Gruß über unsere Köpfe uns entgegen und schlägt in scharfem Knall die kleinen Kugeln zwischen unsere Reihen, den nassen Boden aufpeitschend? ehe aber die kleine Wölke sich noch verzogen, dröhnte aus zweihundert Kehlen dem ersten Boten des Todes das erste Hurra entgegen. Dann aber begann es zu knattern und zu dröhnen, zu singen und zu heulen, und mit fiebrigen Augen zog es nun jeden nach vorne, immer schneller, bis plötzlich über Rübenfelder und Hecken hinweg der Kampf einsetzte, der Kampf Mann gegen Mann. Aus der Ferne aber drangen die Klänge eines Liedes an unser Ohr und kamen immer näher und näher, sprangen über von Kompanie zu Kompanie, und da, als der Tod gerade geschäftig hineingriff in unsere Reihen, da erreichte das Lied auch uns, und wir gaben es nun wieder weiter; Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!
Nach vier Tagen kehrten wir zurück. Selbst der Tritt war jetzt anders geworden. Siebzehnjährige Knaben sahen nun Männern ähnlich.
Die Freiwilligen des Regiments List hatten vielleicht nicht recht kämpfen gelernt, allein zu sterben wussten sie wie alte Soldaten. Das war der Beginn."
Die Ursachen für den Verlust des l. Weltkrieges waren für Hitler mit seinen Phantastereien über Heldentum und Unbesiegbarkeit des deutschen Soldaten nur der Verrat im Hinterland, Streik in den Munitionsfabriken, angezettelt von jüdischen und marxistischen Revolutionären. Eine sachliche Schilderung über das Ausmaß von noch vorhandenen Rohstoffen, Kriegsmaterial, Verpflegung und insbesonders der Hungersnot der Zivilbevölkerung des im Jahre 1918 noch kriegführenden Deutschland ist in Hitlers "Mein Kampf" natürlich nicht zu finden. Als Hitler im Jahre 1919 den Entschluss fasste, eine eigene Partei zu gründen, trat er. zunächst der "Deutschen Arbeiterpartei" bei. Er schreibt hiezu auf den Seiten 242 - 244:
"Mich politisch zu betätigen, war ich längst entschlossen; dass dies nur. in einer neuen Bewegung zu geschehen vermochte, war mir ebenso klar, nur der Anstoß zur Tat hatte mir bis dahin immer noch gefehlt. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die heute etwas beginnen, um morgen wieder zu enden und, wenn möglich, zu einer neuen Sache überzugehen. Gerade diese Überzeugung war aber mit der Hauptgrund, warum ich mich so schwer zu einer solchen neuen Gründung zu entschließen vermochte, die entweder alles werden musste oder sonst zweckmäßigerweise überhaupt unterblieb. Ich wusste, dass dies für mich eine Entscheidung für immer werden würde, bei der es ein "Zurück" niemals mehr geben könnte. Für mich war es dann keine vorübergehende Spielerei, sondern blutiger Ernst. Ich habe schon damals immer eine instinktive Abneigung gegenüber Menschen besessen, die alles beginnen, ohne auch nur etwas durchzuführen. Diese Hansdampfe in allen Gassen waren mir verhasst. Ich hielt die Tätigkeit dieser Leute für schlechter als Nichtstun.
Das Schicksal selbst schien mir jetzt einen Fingerzeig zu geben. Ich wäre nie zu einer der bestehenden großen Parteien gegangen und werde die Gründe dafür noch näher klarlegen. Diese lächerliche kleine Schöpfung mit ihren paar Mitgliedern schien mir den einen Vorzug zu besitzen, noch nicht zu einer "Organisation" erstarrt zu sein, sondern die Möglichkeit einer wirklichen persönlichen Tätigkeit dem einzelnen freizustellen. Hier konnte man noch arbeiten, und je kleiner die Bewegung war, um so eher war sie noch in die richtige Form zu bringen. Hier konnte noch der Inhalt, das Ziel und der Weg bestimmt werden, was bei den großen Parteien von Anfang an schon wegfiel.
Je länger ich nachzudenken versuchte, um so mehr wuchs in mir die Überzeugung, dass gerade aus einer solchen kleinen Bewegung heraus dereinst die Erhebung der Nation vorbereitet werden konnte -niemals aber mehr aus den viel zu sehr an alten Vorstellungen hängenden oder gar am Nutzen des neuen Regiments teilnehmenden politischen Parlamentsparteien. Denn was hier verkündet werden musste, war eine neue Weltanschauung und nicht eine neue Wahlparole. Allerdings ein unendlich schwerer Entschluss, diese Absicht in die Wirklichkeit umsetzen zu wollen. Welche Vorbedingungen brachte ich denn selber zu dieser Aufgabe mit? Dass ich mittellos und arm war, schien mir noch das am leichtesten zu Ertragende zu sein, aber schwerer war es, dass ich nun einmal zu den Namenlosen zahlte, einer von den Millionen war, die der Zufall eben leben lässt oder aus den Dasein wieder ruft, ohne dass auch nur die nächste Umwelt davon Kenntnis zu nehmen geruht. Dazu kam noch die Schwierigkeit, die sich aus meinem Mangel an Schulen ergeben musste.
Die so genannte "Intelligenz" sieht ja ohnehin immer mit einer wahrhaft unendlichen Herablassung auf jeden herunter, der nicht durch obligate Schulen durchgezogen wurde und sich das nötige Wissen einpumpen ließ. Die Frage lautet ja doch nie: was kann der Mensch, sondern was hat er gelernt? Diesen "Gebildeten" gilt der größte Hohlkopf, wenn er nur in genügend Zeugnisse eingewickelt ist, mehr als der hellste Junge, dem diese kostbaren Tüten eben fehlen. Ich konnte mir also leicht vorstellen, wie mir diese "gebildete" Welt entgegentreten wurde, und habe mich dabei auch nur insofern getäuscht, als ich die Menschen damals doch noch für besser hielt, als sie leider in der nüchternen Wirklichkeit zum großen Teil sind. So wie sie sind, erstrahlen freilich die Ausnahmen, wie überall, immer heller. Ich aber lernte dadurch immer zwischen den ewigen Schülern und den wirklichen Könnern unterscheiden.
Nach zweitägigem qualvollem Nachgrübeln und Überlegen kam ich endlich zur Überzeugung, den Schritt tun zu müssen.
Es war der entscheidendste Entschluss meines Lebens. Ein Zurück konnte und durfte es nicht mehr geben.
So meldete ich mich als Mitglied der "Deutschen Arbeiterpartei" an und erhielt einen provisorischen Mitgliedsschein mit der Nummer: sieben."
Hitler hat immer versucht, Emotionen der einfachen Menschen zu wecken und hat auch in diesem Kapitel mitleidhaschend geschildert, was die so genannte "Intelligenz" mit ihren "gebildeten Strohköpfen" dem "armen Führer" in seiner schweren Zeit angetan hat. Der mittellose Adolf Hitler verschweigt allerdings, dass es Leute aus der von ihm so gehassten "Intelligenz" waren, die ihm die Mittel zur Verfügung stellten, um vorerst seine braunen SA-Schlägertruppen immer mehr und mehr auszubauen, nachdem er am Anfang des Jahres 1920 die "Deutsche Arbeiterpartei" auf "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" umbenannte. Einer der ersten Förderer der NSDAP war Ernst Röhm, der im Stab des Wehrkreiskommandos München tätig war und in seinem Wirkungskreis der "Hitler-Partei" mit bedeutenden Geldzuwendungen unter die Arme griff. Neben Rahm und Gesinnungsgenossen gab es aber auch eine beträchtliche Anzahl von Leuten aus der Wirtschaft, die sich nicht nur an der Unterstützung Hitlers beteiligten sondern sich nach der hoffentlich bald eintretenden "Machtergreifung" Hitlers von diesem sich einiges versprachen.
Im Kapitel 12 mit der Überschrift "Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" gibt Hitler auf den Seiten 369 - 388 14 Punkte seines 25 Thesen enthaltenden Programmes bekannt und erläutert, wie er sich seinen "Führerstaat" vorstellt. Seine Gefolgsmänner in der Partei und potente Männer der Wirtschaft glaubten zunächst, Hitler mit seiner SA nur als Zugpferd benützen und im Hintergrund die Fäden ziehen zu können. Dass sie dabei die Rechnung ohne Hitler gemacht haben, hat dieser nur allzu bald bewiesen. Nach dem "Hitler-Putsch" mit dem für die NS-Zeit so "ruhmreichen Marsch zur Feldherrnhalle" in München im November 1923 wurde Hitler zwar verhaftet, kam aber bereits im Dezember 1924 von seiner Haft in der Festung Landsberg am Lech in die Politik zurück und gründete neuerlich die bis dahin verbotene NSDAP. In dieser "Kampfzeit" griffen die Schlägerkolonnen der SA mit unbeschreiblicher Brutalität durch. Dabei blieb es nicht nur bei schweren Körperverletzungen der Widersacher; es gab viele Meuchelmorde, wobei es auch aufmüpfige Gefährten in den eigenen Reihen traf. Zu den Sturmabteilungen (SA) zu gehören, war in diesen Jahren in Deutschland allmählich zur Mode geworden. Im Jahre 1930 errang die NSDAP in Deutschland von 577 Sitzen im Reichstag bereits 107 Sitze.
Hitler schreibt in seinen "Grundgedanken über Sinn und Organisation der SA auf Seite 579:
"Das erste Fundament zur Bildung von Autorität bietet stets die Popularität. Eine Autorität jedoch, die allein auf diesem Fundament ruht, ist noch äußerst schwach, unsicher und schwankend. Jeder Träger einer solchen rein auf Popularität fußenden Autorität muss deshalb trachten, die Grundlage dieser Autorität zu verbessern und zu sichern durch Bildung von Macht. In der Macht also, in der Gewalt, sehen wir die zweite Grundlage jeder Autorität. Sie ist bereits wesentlich stabiler, sicherer, durchaus aber nicht immer kraftvoller;' als die erste. Vereinen sich Popularität und Gewalt und vermögen sie gemeinsam eine gewisse Zeit zu überdauern, dann kann eine Autorität auf noch festerer Grundlage entstehen, die Autorität der Tradition. Wenn endlich Popularität, Kraft und Tradition sich verbinden, darf eine Autorität als unerschütterlich betrachtet werden." (Seite 598:) "Die junge Bewegung stand dabei vom ersten Tage an auf den Standpunkt, dass ihre Idee geistig zu vertreten ist, dass aber der Schutz dieser Vertretung, wenn notwendig, auch durch brachiale Mittel gesichert werden muss. Getreu ihrer Überzeugung von der ungeheuren Bedeutung der neuen Lehre erscheint es ihr selbstverständlich, dass für die Erreichung des Zieles kein Opfer zu groß sein darf."
Bei der Reichspräsidentenwahl in Deutschland im Jahre 1932 erhielt Hitler 30% der abgegebenen Stimmen. Er verlangte als Führer der stärksten Partei vom damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für sich die Ernennung zum Reichskanzler. Hindenburg lehnte zunächst die Forderung Hitlers ab, ließ sich aber letztlich doch besonders durch den ehemaligen Politiker Franz von Papen beeinflussen, Hitler per 31.1.1933 zum. Reichskanzler zu ernennen.
Bereits am 24.3.1933 wurde das folgenschwere Ermächtigungsgesetz des Deutschen Reiches beschlossen. Damit wurde die Gesetzgebung der Regierung Hitlers übertragen und die Weimarer Reichsverfassung beseitigt. Der Abgeordnete Otto Wels wies in seiner bedeutsamen Rede am 23.3.1933 im Reichstag auf die drohende Gefahr hin und versuchte leidenschaftlich, die Abgeordneten umzustimmen um dieses Ermächtigungsgesetz abzulehnen. Er konnte aber das Ende der Demokratie in Deutschland nicht mehr aufhalten, musste das Land verlassen und starb im September 1939 in der Emigration.
Hitler schuf sich mit Hilfe der beiden nationalsozialistischen Minister Wilhelm Frick und Hermann Göring in einem 18 Monate dauernden Prozess der "Machtergreifung" eine unangreifbare Stellung an der Spitze eines Einparteienstaates. Die Aufhebung der Grundrechte, das Verbot aller Parteien mit Ausnahme der NSDAP, die Zerschlagung der Gewerkschaften, die "Gleichschaltung" der Länder und die Entmachtung der Parlamente waren erst der Anfang der Maßnahmen im nationalsozialistischen Deutschland. Ohne Gerichtsverfahren ließ Hitler die SA-Führer Gregor Strasser am 30.6.1934 und Ernst Röhm am 1.7.1934 und andere hohe SA-Führer sowie zahlreiche missliebige Persönlichkeiten ermorden. Mit dem fadenscheinigen Vorwand, Röhm und Gefährten hätten eine 2. Revolution geplant, zeigt Hitler seinen anderen "Getreuen", dass mit ihm nicht zu "spaßen" ist, er keinen Widerspruch dulde und sich jeder ihm bedingungslos zu unterwerfen habe. Nach dem Tode Hindenburgs am 2.8.1934 übertrug Hitler auf sich selbst die Befugnisse des Reichspräsidenten und nannte sich nun "Führer und Reichskanzler". Damit bekam er als Oberster Befehlshaber die Wehrmacht in die Hand und war an keine Rechtsnormen gebunden.
Im Jahre 1935 führte er die allgemeine Wehrpflicht ein und besetzte im Jahre 1936 das entmilitarisierte Rheinland. Erbarmungslos wurde die Beseitigung bzw. Vernichtung aller "nichtarischen" besonders jüdischen Menschen vorangetrieben und die Euthanasie zur Vernichtung von "unwerten Leben" legalisiert. Die im Jahre 1933 begonnene Errichtung von Konzentrationslagern (KZ) wurde in kürzester Zeit auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt. Der Sicherheitsdienst (SD) und die Geheime Staatspolizei (GESTAPO) bediente sich eines bestens organisierten Spitzeldienstes, vor dem niemand mehr sicher war. Willkürliche Verhaftungen und jede Art von Terror bei Vernehmungen verbreiteten lähmenden Schrecken. Die Aufrüstung der Deutschen Wehrmacht war in dieser Zeit gigantisch und Hitlers Kriegsvorbereitungen deutlich erkennbar.
Im März 1938 holte Hitler "seine geliebte Heimat heim ins Reich". Er demonstrierte Macht und eine von Minister Goebbels gezielte Propaganda, die beispiellos war. Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg gab vorher in einer Rundfunkansprache noch bekannt, dass er der Gewalt weichen werde. Das damalige österreichische Bundesheer mit seiner jämmerlichen Ausrüstung hätte die Deutsche Wehrmacht nicht einen einzigen Tag aufhalten können. Der ehemalige Nationalratspräsident Dr. Alfred Maleta gab anlässlich einer Fernsehsendung zur Erinnerung an 1938 bekannt, dass die Schützenpanzer des damaligen Bundesheeres mit einer etwas verstärkten Pappenhülle "ausgerüstet" waren; ein Widerstand mit Waffengewalt wäre wahnsinnig gewesen. Trotzdem behauptete erst kürzlich Herr Dr. Otto Habsburg, dass sich Österreich gegen Hitler-Deutschland hätte militärisch verteidigen müssen. Man wäre dann bei späteren Staatsverhandlungen besser dagestanden. Herr Dr. Habsburg fand dabei auch, dass Hitler sein Buch "Mein Kampf" besser mit "Mein Kampf gegen die deutsche Sprache" betiteln hätte sollen und er, Habsburg, hätte noch nie etwas so schlecht Geschriebenes gelesen. Dr. Habsburg weiß, zu welcher Gewaltanwendung Hitler damals entschlossen und befähigt war. Wenn auch bei Dr. Habsburgs Vorfahren eher an Regimenter und Divisionen gedacht und ein sinnloses In-den-Tod-Schicken von jungen Menschen damals vielleicht etwas zu wenig bedacht wurde, sind Dr. Habsburgs mit "staatsmännischer Noblesse" gegebenen Erklärungen über einen österreichischen militärischen Widerstand gegen die Deutsche Wehrmacht im Jahre 1938 unverständlich.
Für 10.4.1938 wurde in der "Heimat des Führers" eine Volksabstimmung angeordnet. Die damaligen österreichischen Bischöfe entschlossen sich, nachstehenden Aufruf an die österreichische Bevölkerung zu richten:
Feierliche Erklärung:
Aus
Innerster Überzeugung und mit freien Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe
der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse
in Deutschösterreich :
Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische
Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der
Sozialpolitik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten
Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch
der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die
Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde. Die Bischöfe
begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und
werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen.
Am Tage der Volksabstimmung
ist es für uns Bischöfe selbstverständliche nationale Pflicht, uns als Deutsche
zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen,
dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.
Wien, am 18. März 1938
gez. Kardinal Theodor Innitzer
gez. Waitz
gez. Johannes Maria Gföllner
gez. Pawlikowski
und weitere Unterschriften.
Der
Beauftragte des Führers für die Volksabstimmung, Gauleiter Bürckel, schloss sich
dieser Feierlichen Erklärung mit folgenden Worten an:
"Mit Freude
und aufrichtiger Genugtuung nimmt das ganze deutsche Volk von der einheitlichen
Stellungnahme der Bischöfe Österreichs zur Wahl Kenntnis. Die Erklärung ist
geeignet, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Sie beweist,
dass in dieser, für das deutsche Volk und seine Zukunft so ereignisreichen Zeit
auch die katholische Kirche den Weg zum neuen Staate finden will. Der Nationalsozialismus,
der das unverrückbare Ziel der Einigung aller Deutschen verfolgt, wird glücklich
sein, auch auf diesem Gebiet den Hader und damit die Zerrissenheit unseres Volkes
beenden zu können. So soll zum ersten Male in unserer Geschickte am 10. April
1938 die ganze deutsche Volksgemeinschaft ohne Rücksicht auf Stämme, Länder
Klassen und Konfessionen geschlossen zur Wahlurne treten und vorbehaltlos ihr
"Ja" aussprechen"'
Viele unserer Landsleute haben damals diese "Feierliche Erklärung" unserer Bischöfe entsprechend gedeutet. "Wenn sogar die "Kirche" die nationalsozialistische Bewegung gutheißt, dann wird diese wohl die richtige sein." Zweifler wurden teilweise überzeugt und die "Überzeugten" noch mehr bestärkt. Noch nie gab es in den Familien und in der Gesellschaft unseres Landes so viel Unsicherheit und so viele Skrupel wegen der angeordneten und erzwungenen "Aufgaben für Führer, Volk und Reich ".Zur Behauptung, Österreich hätte sich im Jahre 1938 gegen Deutschland militärisch verteidigen müssen, wäre vorerst noch einiges zu sagen. Nach den blutigen Auseinandersetzungen in Österreich im Jahre 1934, die mit der Ermordung des damaligen Bundeskanzlers Dr. Dollfuß und dem Versuch der Nationalsozialisten, die österreichische Regierung zu stürzen, geendet haben, wurden in Deutschland die österreichischen "alten Kämpfer" in der so genannten "Legion" zusammengefasst. Hitler benützte diese Organisation zur Schaffung von Kommandostellen für die nationalsozialistische Unterminierung und Wühlarbeit in Österreich. Was die so genannten "Illegalen" (bereits vor 1938 organisierte Nationalsozialisten) für den Empfang ihres "Führers" am 12. März 1938 vorbereitet hatten, war für die österreichische Bevölkerung überraschend und zunächst schockierend.
Mit einem österreichischen Bundesheer ohne Regierung und ohne Befehle konnte der Gedanke zu einem militärischen Widerstand erst gar nicht aufkommen. Keiner jener Strategen, die die Meinung des Herrn Dr. Otto Habsburg teilen, hat bisher gesagt, wie man diesen Widerstand hätte organisieren müssen und welche Versäumnisse man der österreichischen Bevölkerung anzulasten hätte. Auch Herr Dr. Habsburg hat sich dazu nicht näher geäußert, wohl wissend, wie ohnmächtig dieses Österreich damals war.
Allmählich wurde die Ohnmacht der Österreicher durch Marschierende in weißen Stutzen mit Hakenkreuzschleifen und -fahnen in eine Begeisterung verwandelt. Die weit verbreitete Not in unserem Land trug sehr wesentlich dazu bei, die Parolen, dass es nun besser werden würde, zu glauben. Viele hofften, endlich einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Nur wenige wussten in Österreich im März 1938 vom bisherigen 'Wirken' Hitlers in Deutschland und von seinen wahnsinnigen Vorhaben. Kein Vater dachte damals daran, dass kurze Zeit später sein Sohn in der Hitler-Jugend angehalten wurde, den eigenen Vater wegen "Abhören eines Feindsenders" oder wegen "Wehrkraftzersetzung" anzuzeigen, womit die Einweisung in ein Konzentrationslager mit praktischem Todesurteil erfolgt wäre. Trotz dem "Sieg-Heil-Geschrei" und den Aufmärschen der braunen Kolonnen dachte damals die österreichische Bevölkerung noch nicht an "Mauthausen" bzw. an die Errichtung von insgesamt 400 Konzentrationslagern und mehr als 100 GESTAPO-Gefängnissen - verstreut auf das ganze Reichsgebiet. Es konnte sich in dieser Zeit niemand vorstellen, dass er ein paar Monate später in Angst und Schrecken versetzt werden würde, weil er zum "Arier-Nachweis" aus der vorhergehenden 2. oder 3. Generation kein "reines Blut" vorfand. Die Angleichung der "Ostmark" an das "Altreich" erfolgte mit einer nicht mehr zu überbietenden deutschen Gründlichkeit; handelte es sich doch um die "Heimat des Führers".
Die 286. - 290. Auflage des Buches "Mein Kampf" aus dem Jahre 1938 war zur Ausgabe auch für die "Ostmark" bestimmt. Der Erwerb war im Sinne einer "nationalsozialistischen Freiwilligkeit" für das Bücherregal jedes "ordentlichen deutschen Haushaltes" gedacht. Ob die "Volksgenossen" dieses "Werk" auch lasen, war den damals Mächtigen eher gleichgültig. Was die "Ostmärker" in der Zeit vom März 1938 bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges an NS-Propaganda brauchten, bekamen sie ohnehin durch Aufmärsche, Großkundgebungen und Führerreden. Da eine Kritik oder ein Anzweifeln der schriftlichen oder auch wörtlichen Ergüsse Adolf Hitlers ohnehin nicht möglich war, konnte "Mein Kampf" ohne weiters in den Bücherregalen verstauben.
Mit dem Beginn des II. Weltkrieges wurden zwar die Weichen für den Untergang des nationalsozialistischen Deutschland gestellt, aber es ahnte unter der österreichischen Bevölkerung noch niemand, wie groß die Opfer werden würden, die dieser Krieg forderte.
Die verzweifelten Versuche, Hitler im Jahre 1944 zu stürzen, schlugen fehl und werden kaum gewürdigt.
Männer wie Stauffenberg, Goerdeler, die Generäle Beck, Witzleben und Rommel, Admiral Canaris und noch viele andere, die Deutschland zu retten versuchten und dies mit dem Tod durch den Henker bezahlen mussten, wurden allzu lange in die "Verräterrolle" gedrängt.
Alle, die über die entsetzlichen Verbrechen Hitlers und seiner Helfer ohne Voreingenommenheit Kenntnis erhielten, brauchen keine Auflistung dieser Grausamkeiten; jene, die darüber authentisch wissen, diese Geschehnisse heute aber ableugnen, erst recht nicht.
Nach dem II. Weltkrieg wurde unser Land durch vier Besatzungsmächte im Rahmen des Alliierten Rates von 1945 - 1955 überwacht. Besonders die Mitglieder der russischen Besatzungsmacht rügten die jeweiligen österreichischen Bundesregierungen immer wieder, die nach dem Krieg eingeführten Nationalsozialisten-Gesetze zu wenig streng konzipiert bzw. angewandt zu haben.
Es ist eine Tatsache, dass es viele Österreicher gab, die neben Hitler, Kaltenbrunner, Eigruber, Eichmann und Kumpanen schwere Schuld auf sich luden. Wenn es in unserer Bundeshymne eine Textstelle gibt, die da lautet: "Heimat bist Du großer Söhne...", gehören die vorgenannten sicher nicht dazu. Die österreichischen Regierungsmitglieder ab 1945, die überwiegend während der NS-Zeit aus politischen Gründen inhaftiert waren, wussten sehr genau, wie es den Österreichern im Jahre 1938 ergangen war und wie man das Volk auf den "Führer des Großdeutschen Reiches" ausgerichtet hatte. Es werden gelegentlich die Bilder vom Heldenplatz in Wien mit den im Jahre 1938 jubelnden "Ostmärkern" gezeigt. Hämische Bemerkungen über das damalige Verhalten der Bevölkerung sind nicht zu überhören. Zum Vergleich wird das Verhalten tschechischer Studenten im Jahre 1968, die sich unbewaffnet und protestierend gegen die Russenpanzer stellten, herangezogen. Vergessen wird dabei, dass man sich in der Tschechei noch sehr gut an die russischen Kampftruppen gegen Ende und nach dem Ende des II. Weltkrieges erinnern konnte, die wenig Unterschied zwischen deutschen und tschechischen Frauen machten und in "Eigentumsfragen" auch in der Tschechei nicht zimperlich waren. Durch die verschiedene Sprache gab es in der Tschechei mit den Russen immer "Verständigungsschwierigkeiten".
Ohne die vielen "braunen Schafe", die im Jahre 1938 in Österreich weideten, weiß färben zu wollen, sollten die Verhältnisse bei uns zum Zeitpunkt der Annexion doch in einem anderen Licht gesehen werden. Die Verantwortlichen in unserem Lande gingen nach 1945 daran, den Wiederaufbau Österreichs anzukurbeln. Dabei war das Miteinander und die Nachsicht für jene, die sich 1938 zwar geirrt aber nichts verbrochen haben, erforderlich. Es ist zu bedauern, dass einerseits so genannte "Scheibenträger" (Abzeichen für Mitglieder der ehemaligen NSDAP), die keine wesentliche Schuld auf sich luden, teilweise sehr hart bestraft wurden und andererseits Leute durch die Maschen des Gesetzes schlüpften, die während der NS-Zeit anderen Menschen schweres Leid zufügten.
Trotz dieser Unzulänglichkeiten wurde aber nach besten Möglichkeiten vermieden, die Zeit von 1938 - 1945 selbstzerstörerisch hochzuschaukeln. Dieser österreichische Weg wurde immer ^wieder in Frage gestellt, obwohl die vielen Bewährungsproben, die auf unsere junge Demokratie zukamen, - das darf man nach mehr als 50 Jahren sagen - so gemeistert :wurden, wie das eben bei einem Neubeginn möglich war. Mit frischen und tiefen Wunden kann man nicht ins Freibad gehen, man muss diese Wunden zunächst verbinden und heilen. Zurückbleibende Narben werden sicher größtenteils später am Strand nicht verborgen bleiben. Es ist nicht möglich, alle Probleme, die in der Aufbauphase auftraten und zu einem großen Teil sehr gut gelöst wurden, aufzuzeigen, Stellvertretend für die vielen österreichischen Leistungen nach 1945 soll eine davon erwähnt werden.
Nach dem II. Weltkrieg wurden Millionen Deutsche und Österreicher aus ihren ehemaligen Heimatländern vertrieben. Es galt, sich dieser Menschen, die vor dem Nichts standen, anzunehmen. Die in Österreich verbliebenen Heimatvertriebenen mussten zunächst mit Unterkunft und Arbeitsplatz versorgt werden. Dass dies nicht immer zur vollsten Zufriedenheit der Betroffenen ausfallen konnte, ist verständlich. Etwas aber, von den meisten Österreichern zunächst nicht bemerkt, kann als beispielgebende humanitäre und zukunftsträchtige Tat vermerkt werden. Der österreichischen Regierung war völlig klar, dass für die von den Heimatvertriebenen in den ehemaligen Ostblockländern erworbenen Pensionsversicherungszeiten keine wie auch immer geartete Abfindung von den betroffenen Ländern zu erwarten ist.
Die österreichischen Pensionsversicherungsträger wurden per Gesetz angewiesen, diese im Ausland erworbenen Versicherungszeiten beitragsfrei zu übernehmen. Das bedeutet, dass beim Anfall einer Pension auch die in den Ostblockländern zurückgelegten Berufsjahre berücksichtigt werden und keine Schmälerung der Pension zustandekommt. Dass für diese Teilleistungen zur Gesamtleistung seit eh und je und auch künftighin Steuermittel verwendet werden müssen, ergibt sich von selbst. Man hat damit verhindert, dass es österreichische Staatsbürger l. und 2. Güte gibt, worüber wir uns alle glücklich schätzen können. Das Zusammenleben der Heimatvertriebenen mit den alteingesessenen Österreichern wurde im Lauf der Jahre immer besser, diesbezügliche Probleme sind heute praktisch nicht mehr vorhanden.
Vor mehr als 50 Jahren wurde begonnen, Österreich zu dem zu machen, was es heute ist. Viele Österreicher verdienen heute ganz gut, haben ihre Häuser gebaut, fahren schicke Autos und schauen sich in den Urlaubstagen per Flugzeug die halbe Welt an. Ein Blick über die Grenzen ermöglicht ihnen auch, zu beurteilen, ob es sich in unserem Land einigermaßen leben lässt. Es wird immer Landsleute geben, die über unsere Lebensqualität verschiedene Meinungen haben. In einer Demokratie gibt es neben der persönlichen Freiheit auch Meinungs- und Redefreiheit. Es ist daher auch möglich, ungestraft unser Land herabzusetzen und längst Vergangengeglaubtes zu glorifizieren. In Österreich hat man in den letzten 50 Jahren den ehemaligen Nationalsozialisten die Hände zur Versöhnung angeboten. Diese Hände wurden von vielen aber nicht von allen angenommen.
Wenn die Aussage, "Politik ist die Kunst des Möglichen" stimmt, dann wurde auch bei uns in Österreich nach dem II. Weltkrieg das Mögliche - und das ist mit vielen Fehlern behaftet - getan.
Eine fehlerlose Politik hat es weder in demokratischen und schon gar nicht in totalitären Staatsformen gegeben.
Die Herren Hitler und Stalin befanden sich im Spitzenfeld der Verbrecher, die mit ihren Diktaturen die Völker in den Abgrund führten. Die Demokratie in Österreich ist zwar zur "Selbstverständlichkeit geworden, wird aber vielfach benörgelt, belächelt oder überhaupt beängstigend abgewertet. Um eine demokratische Staatsform zu erhalten, gäbe es auch für den einfachen Staatsbürger Aufgaben, die er besser nicht von "anderen" erledigen lassen sollte. Wer unsere Demokratie nicht bewusst zerstören will, muss sich im klaren sein, dass es in einem demokratischen Österreich politische Parteien mit demokratischen Grundsätzen geben muss. Die Qualität dieser Parteien, ihrer Funktionäre und Mandatare wird immer davon abhängen, ob sich die Staatsbürger im Rahmen ihrer Möglichkeiten jeweils für ihre Partei ehrenamtlich interessieren und mit größeren gemeinschaftlichem Auftreten eine gewisse Kontrollfunktion ausüben. Die Nominierung der Volksvertreter - und es sollten womöglich gute sein -dürften nicht von nur kleineren Gremien erfolgen. Sich zurücklehnen und uninteressiert am politischen Geschehen alle persönlichen Annehmlichkeiten erwarten, ergibt keine Garantie für den weiteren Bestand unserer Demokratie.
Nach dem II. Weltkrieg wurde von den Siegermächten den Deutschen und auch den Österreichern eine "Kollektivschuld" zugewiesen; so wie das immer zwischen kriegführenden Ländern zum Nachteil der Unterlegenen war und sein wird. Die Deutschen und die Österreicher haben mittlerweile bewiesen, dass sie mit den anderen Völkern in guten und vernünftigen Verhältnissen nebeneinander leben wollen. Natürlich ist es dabei keinesfalls dienlich, mit hysterischem Geschrei die Aufrechnung der von anderen Staaten begangenen Grausamkeiten mit jenen des eigenen Landes zu versuchen.
Auch die direkten und indirekten Glorifizierungen mit der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" und dem Bekenntnis - beide Hände zum Himmel hebend - "man habe ja nur seine Pflicht getan", führen kaum dazu, dass die von 1939 - 1945 gegen Deutschland kriegführenden Länder: ihre diesbezüglichen Ressentiments und Vorbehalte in der nächsten Zeit abbauen werden. An den diversen Biertischen wird in der letzten Zeit wieder intensiver über unsere Vergangenheit und den damit zusammenhängenden Problemen diskutiert. Es wird dabei meist vergessen, dass die von Deutschland und Österreich überfallenen Länder nach dem Ende von zwei Weltkriegen uns zur Räson gebracht haben. Wenn ab und zu in verbrämter Form NS-Gedankengut aufflackert, bleiben die am Stammtisch versammelten Zuhörer meistens stumm. Sie haben nicht den Mut, ihre ablehnende Ansicht dazu kundzutun und lassen sich, ohne es zu wollen, in eine "nationalsozialistische Ecke" drängen.
In der Fernsehreihe "Hitlers Helfer" kam ein ehemaliger Berufsoffizier auf das Bild und hätte mit seinen Worten die Verherrlichung des "Führers" nicht besser inszenieren können. Er schilderte, dass sein General sich einmal vornahm, in das Hauptquartier zu fahren und Hitler über die wirkliche Lage an der Front aufzuklären. Nach 24 Stunden sei dieser General zurückgekehrt und berichtete, dass ihn die "leuchtenden Augen und die Ausstrahlungskraft des Führers" überzeugt hätten, dass der "größte Feldherr aller Zeiten" es schon richtig machen würde. Von den Schreikrämpfen und Tobsuchtsanfällen Hitlers und seinen Drohungen, Widersprechende an die Wand stellen zu lassen, wurde natürlich nichts erwähnt, wobei auch ein General das Recht hat, durch Schweigen vor einem wahnsinnigen Despoten, sich der Hand des Henkers zu entziehen.
Wenn in diesen Ausführungen davon die Rede war, dass nach dem II. Weltkrieg die Zeit von 1938 - 1945 in Österreich nicht selbstzerstörerisch hochgeschaukelt wurde, dürfen die dadurch entstandenen Unzulänglichkeiten nicht verschwiegen werden. Die besondere Situation nach 1945 hat die Verantwortlichen in unserem Lande vor die Entscheidung gestellt: entweder Wiederaufbau mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zum Wohle unserer Bevölkerung oder eine rigorose Abrechnung mit schonungslosem Aufzeigen der Vergangenheit. Es bedarf keiner Erklärung, was die Zweite Möglichkeit für so viele Familien aber auch für unsere Wirtschaft, unsere Institute und öffentlichen Einrichtungen bedeutet hätte.
Nach mehr als 50 Jahren können Kritiker leicht aufzählen, was alles in diesem Zeitraum in Österreich versäumt wurde.
Es ist nicht zu leugnen, dass ab dem Jahre 1955 mit dem Abzug der Besatzungstruppen und der wiedererlangten Freiheit unseres Landes viele unbelehrbare Nationalsozialisten im Schutze der Demokratie und unter Ausnutzung der Redefreiheit ihre weiter vorhandene Nähe zum Nationalsozialismus bekundeten. Vor der Wahl des Herrn Dr. Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten in Österreich konnte man einen vorläufigen Höhepunkt der immer noch vorhandenen Strömungen erkennen.
"Die sollen doch endlich einmal aufhören damit", ist vielfach zu hören, wenn in irgendeiner Form die entsetzlichen NS-Verbrechen aufgezeigt werden. Die Wehrmachtsausstellung war wieder einmal Anlass, diese als "Geschichtsfälschung" anzuprangern und die stets "saubere Deutsche Wehrmacht" zu verteidigen. Dazu kommen die an Dummheit nicht mehr zu überbietenden Hinweise auf die "Haager Landkriegsordnung" vom 29.7.1899, wonach beispielsweise Partisanen, die in Jugoslawien gegen deutsche Truppen kämpften, zu diesem Widerstand mangels einer international anerkannten Uniform gar nicht "berechtigt" gewesen wären. Wenn demnach Banditen einen Eigentümer in seinem Heim überfallen, dürfte sich dieser nicht wehren, weil er ja kein "Polizist" und daher auch kein Uniformträger ist.
Was die "Sauberkeit" der deutschen Truppenverbände betrifft, muss man zunächst wissen, dass ab 1941 Musterungskommandos der Waffen-SS sich den Nachwuchs für ihre Einheiten aussuchten. Den jungen Männern beim Reichsarbeitsdienst wurde eine Frage gestellt: "Haben Sie Mut?" Man kann sich leicht vorstellen, was die Betroffenen geantwortet haben. Es waren keine "Freiwilligen" mehr, die zu den SS-Truppen eingezogen wurden. Diese jungen Leute hatten aber noch während des Krieges und besonders nach dem Krieg das "Erbe" ihrer Vorgänger zu tragen. Wer die damaligen Ereignisse mitgemacht hat, muss zugeben, dass sich die brennenden Dörfer in Jugoslawien nicht von selbst entzündeten. Und es ist nicht zu leugnen, dass die "saubere Deutsche Wehrmacht" bei der Bekämpfung der Partisanen mit den zivilen Frauen und Männern, die im Verdacht standen, während der Nacht Partisanen mit Nahrungsmittel versorgt zu haben, "kurzen Prozess" machten. Und so, wie sich in Friedenszeiten immer wieder zeigt, wozu Menschen fähig sind und wie sensationslüstern, zynisch und sadistisch sich viele zeigen, konnte man das erst recht bei nicht wenigen im Schutz einer Wehrmachtseinheit und mit einer Maschinenpistole bewaffnet feststellen. Wer diese vielen "Einzelfälle" in Abrede stellt, war entweder "garnisonsverwendungsfähig" (gvh.) und in der Heimat oder er belügt sich selbst. Man sollte sich endlich entschließen, unwahre Schutzbehauptungen zu unterlassen.
Die Voraussagen des "Führers", dass das deutsche Volk, wenn es nicht siegen würde, untergeht, haben sich nicht bestätigt. Hitlers Wunsch, dass die Deutschen nicht weiterleben dürften, wenn sie im Kampf gegen das Slawentum unterliegen, hat sich ebenfalls nicht erfüllt. Kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches war Adolf noch in der Wochenschau zu sehen, wie er 14-jährige Kinder in Volkssturmuniformen an der Backe streichelte. Durch den tausendfachen und sinnlosen Tod dieser Hitler-Jungen konnte der "tapfere Führer" vielleicht noch einen Tag länger mit seiner Eva im Bunker leben, um dann durch das Einnehmen von Gift den "Heldentod" zu sterben.
Was müsste ein Mann zunächst seinem eigenen Volke noch alles antun, dass er als das erkannt und bezeichnet wird, was er wirklich war? Wie groß sind Selbstherrlichkeit, Fanatismus zur Lüge und die vermeintliche "Distanz zum gewöhnlichen Volk" der noch immer "Getreuen des Führers", dass sie nicht endlich über ihren eigenen Schatten springen können? Die Behauptungen, "Auschwitz und die KZs hat es nie gegeben", konnten zwar nicht aufrechterhalten werden, dafür kam die Redewendung "Ja, aber ....." Und man darf diesen Leuten ja nicht mit der Wiedergutmachung bzw. Entschädigung der KZ-Opfer und deren Hinterbliebenen kommen.
"Nach so langer Zeit sollen die Juden endlich aufhören, unberechtigte Forderungen zu stellen", ist die stereotype Aussage.
Den Hinterbliebenen und Angehörigen der NS-Opfer wird es nicht gerade leicht gemacht, die Enteignungen ihrer Vorfahren nachzuweisen. Wenn im Jahre 1938 beispielsweise ein Geschäftsmann seines jüdischen Glaubens wegen "enteignet" wurde oder seinen Besitz zwangsweise für einen lächerlich geringen Betrag veräußern musste, lebte davon der "arische" Käufer während des Krieges und besonders nach dem Krieg hervorragend. Durch entsprechende Transaktionen erwarb er andere Projekte, die er vor seinem natürlichen Tod seinen Angehörigen überschrieb. Um Millionenbeträge und entsprechendes freies Wohnrecht gingen diese Häuser meist an Geldinstitute über und die arischen Nachkommen haben auf Lebenszeit ein hervorragendes Auskommen. Die von den tatsächlichen Vorgängen keine Ahnung habenden Angehörigen ehemaliger jüdischer Staatsbürger haben größtenteils keine Unterlagen und Beweise über die Enteignung ihrer Vorfahren.
Auch wenn das Geschrei an unseren Biertischen gegen eine Wiedergutmachung noch so laut ist, das an der jüdischen Bevölkerung begangene Unrecht kann nicht geleugnet werden.
Die furchtbaren Ereignisse während des II. Weltkrieges aber auch in der Nachkriegszeit sind kaum aufzulisten.
An den Millionen unschuldiger Menschen hinterließen die Kriegsfolgen verheerende und meist nie wieder gutzumachende Spuren. Ob es die Insassen der Konzentrationslager oder die Zwangsarbeiter für die deutsche Rüstungsindustrie während des Krieges waren oder die Millionen von Heimatvertriebenen aus den Ostblockländern, die die Revanchegelüste in der schrecklichsten Art und Weise zu spüren bekamen, ob es die Bombenopfer, die alles und teilweise auch ihr Leben verloren haben, und ob es schließlich die Familien der Kriegsgefallenen, die vielen Kriegsinvaliden oder die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft waren und sind, allen hat dieser wahnsinnige "Gefreite" ihr Hab' und Gut, die Lebensqualität, die besten Jugend- und Berufsjahre und zum größten Teil das Leben oder die Gesundheit genommen.
Will man nicht als realitätsfremd bezeichnet werden, muss man zugeben, dass für die vorgenannten bedauernswerten Opfer eine wirkliche Wiedergutmachung nicht möglich ist. Die in diesem Zusammenhang von Österreich nach dem Krieg erbrachten Leistungen sollen nicht geschmälert werden. Es ist aber eine Tatsache, dass die von Hitler überfallenen Länder niemals an eine Vermögensrückgabe oder sonstige Entschädigung für Heimatvertriebene denken. Wer jetzt eine "Wiedergutmachung für alle" verlangt und damit eine illusorische Junktimierung fordert, ist nicht etwa grenzdebil, sondern zynisch. Wer sich damit schützend vor Schweizer oder inländische Geldinstitute stellen will und durch "Nibelungentreue zum Führer" gegen die Rückgabe von jüdischem Vermögen auftritt, sollte offen bekennen, was er von der Rechtmäßigkeit in Vermögensfragen bei noch möglichen Ansprechpartnern hält. Dass man mit der vorgenannten Haltung "politisches Kleingeld" kassieren will, verleitet zu der Aussage: "Man merkt die Absicht und ist verstimmt!" Es ist bedauerlich, dass es Leute gibt, die verbal gegen Juden auftreten, obwohl sie diesen bis 1938 und vorher nie etwas tun wollten oder getan haben. Warum können sich viele Menschen keine eigene Meinung mehr bilden und plappern nur mehr die "Weisheiten" von Demagogen nach? Man ist versucht, zu sagen: "Das alles muss eine Demokratie aushalten!" Wie belastbar ist aber eine Demokratie, wenn weiter Probleme wie Arbeitslosigkeit, Vernachlässigung von Bildung und Forschung, Mangel an Solidarität, Zweidrittelgesellschaft und noch einige mehr auf sie zukommen?
Eines sollten wir allmählich begreifen: Das Erwachen eines Volkes aus einem "Dornröschenschlaf" erfolgt nicht sehr spät, sondern immer zu spät! Man kann nur hoffen, dass es zu keinen gravierenden Änderungen unserer Staatsform kommt und die 'Nachgeborenen' nicht wieder einmal fragen müssen: "Wie war das möglich?"
Zum Schluss dieser Ausführung soll ein Nachkomme des ehemaligen Feldmarschall Erwin Rommel zu Worte kommen. Er fragte sehr tiefsinnig - als Eintragung in alle Stammbücher geeignet: "Bin ich deshalb ein besserer Mensch, weil ich damals noch nicht gelebt habe? Wer weiß, wie ich mich seinerzeit verhalten hätte?"
(dieser Text wurde 1998 zum 60. Jahrestag des "Anschlusses" verfasst)