Aus dem Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg

Die Zeugeneinvernahme von SS-Obergruppenführer ERICH VON DEM BACH-ZELEWSKI (BZ) durch die Anklagevertreter Oberst Taylor (T) und Oberst Pokrowsky (P) - sowie durch die Verteidiger Dr. Exner (E), Dr. Kraus (K), Dr. Servatius (S), Dr. Stahmer (ST) und Dr. Thoma (TH) am 7. Jänner 1946

Erich von dem Bach-Zelewski (1899 - 1972), Berufssoldat im 1. Weltkrieg, bis 1924 Reichswehroffizier, NSDAP-Mitglied seit 1930, 1931 SS-Eintritt, seit 22.6.1941 "Höherer SS- und Polizeiführer Rußland-Mitte", 1942 Bevollmächtiger Himmlers für die "Bandenbekämpfung" (Partisanenliquidierungen), auch persönlich an Massenmorden beteiligt (in Minsk und Mogilev), 1943 "Chef der Bandenbekämpfungsverbände" der gesamten Ostfront, 1944 erhielt er für die Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto das Ritterkreuz.
Aber 1945/46 war Bach-Zelewsi einer der wichtigsten Zeugen der Anklage im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, er belastete Himmler und die SS-Führung schwer. Für seine Mitwirkung an Massenmorden wurde er wohl deswegen nie unter Anklage gestellt, allerdings wurde er später wegen seiner Beteiligung an den Morden im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" und der Ermordung von drei Kommunisten im Jahr 1933 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Aus dem Protokoll der Gerichtssitzung vom 7.1.1946:

(...) T: Welchen letzten Rang bekleideten Sie in der SS?

BZ: SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS.

T: Haben Sie im Krieg 1914/18 gedient?

BZ: Ja, ich war von 1914 bis 1918 an der Front, bin zweimal verwundet worden und erhielt das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse.

T: Blieben Sie nach dem Ende des letzten Krieges in der Armee?

BZ: Ja, ich verblieb im Hunderttausend-Mann-Heer.

T: Wie lange sind Sie in der Armee verblieben?

BZ: Bis zum Jahre 1924, wo ich meinen Abschied nahm.

T: Hörte Ihre militärische Tätigkeit dann auf?

BZ: Nein, ich war dann Bataillonsführer im Grenzschutz und habe anschließend bis zum Polenfeldzug meine Übungen bei der Wehrmacht mitgemacht.

T: Sind Sie der NSDAP beigetreten?

BZ: Ja.

T: In welchem Jahre?

BZ: Im Jahre 1930.

T: Welcher Gliederung der Partei traten Sie bei?

BZ: Der Allgemeinen SS.

T: Welches war Ihre Tätigkeit in der SS vor Ausbruch des Krieges?

BZ: Ich habe die Allgemeine SS und die SS-Grenzschutzformationen in den Regierungsbezirken Frankfurt an der Oder und Schneidemühl aufgestellt und war dann ab 1934 Oberabschnittsführer in Ostpreußen und dann in Schlesien.

T: Waren Sie während dieser Zeit Mitglied des Reichstags?

BZ: Ja, ich bin Reichstagsabgeordneter von 1932 bis zum Schluß gewesen.

T: Haben Sie vor dem Feldzug gegen Sowjetrußland aktiv am Kriege teilgenommen?

BZ: Nein, bis zum Rußlandfeldzug war ich nicht eingesetzt.

T: Was war Ihr Rang zu Beginn des Krieges?

BZ: Zu Beginn des Krieges war ich SS-Gruppenführer und Generalleutnant.

T: Und wann wurden Sie befördert?

BZ: Ich wurde am 9. November 1941 zum SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS befördert.

T: Welche Stellung hatten Sie nach Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion inne?

BZ: Ich bitte die Frage nochmals zu wiederholen, sie war etwas undeutlich.

T: Welches war Ihre Stellung und Ihre Funktion bei Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion?

BZ: Den Beginn des Rußlandfeldzugs machte ich als Höherer SS- und Polizeiführer Rußland-Mitte im rückwärtigen Gebiet der Heeresgruppe Mitte mit.

T: War ein SS-Offizier mit ähnlichen Befugnissen in der rückwärtigen Zone jeder Heeresgruppe eingesetzt?

BZ: Jawohl, in jeder Heeresgruppe, Nord, Mitte und Süd, war ein Höherer SS- und Polizeiführer vorhanden.

T: Wer war der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte?

BZ: Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte war am Anfang Generalfeldmarschall von Bock, später Generalfeldmarschall Kluge.

T: Und wer war der Wehrmachtsbefehlshaber in der rückwärtigen Zone der Heeresgruppe Mitte?

BZ: General der Infanterie von Schenkendorff.

T: War er dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe direkt unterstellt?

BZ: Ja.

T: Wer war Ihr unmittelbarer Vorgesetzter in der SS?

BZ: Heinrich Himmler.

T: Und wer war Ihr unmittelbarer Vorgesetzter in der rückwärtigen Zone der Heeresgruppe?

BZ: General von Schenkendorff.

T: Welches war Ihre Hauptaufgabe als Höherer SS- und Polizeiführer in Zentralrußland?

BZ: Meine Haupttätigkeit bestand in der Partisanenbekämpfung.

T: Sind Sie allgemein mit der Tätigkeit der sogenannten Einsatzgruppen des SD vertraut?

BZ: Ja.

T: Haben diese Einheiten eine irgendwie wichtige Rolle in antirussischen Großaktionen gespielt?

BZ: Nein.

T: Welches waren die Hauptaufgaben der Einsatzgruppen?

BZ: Die Hauptaufgabe der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei war die Vernichtung der Juden, Zigeuner und der Politischen Kommissare.

T: Welche Streitkräfte wurden dann aber für die großangelegten Aktionen gegen die Partisanen verwendet?

BZ: Zur Partisanenbekämpfung waren Formationen der Waffen-SS, der Ordnungspolizei, und in erster Linie die Wehrmacht eingesetzt.

T: Bitte, beschreiben Sie die Natur dieser regulären Heereseinheiten, die für die Partisanenbekämpfung eingesetzt wurden.

BZ: Die Einheiten der Wehrmacht waren in erster Linie die im rückwärtigen Gebiet hinter der kämpfenden Front eingesetzten Sicherungs-Divisionen; ferner sogenannte Landesschützen-Bataillone, die selbständig unter den Wehrmacht- Befehlshabern eingesetzt waren; ferner Wehrmachtformationen zum Objektschutz, eingesetzt an den Eisenbahnlinien, Rollbahnen und zum Schutze sonstiger militärischer Objekte, außerdem ab 1943 oder 1942 sogenannte Alarmeinheiten, die aus den rückwärtigen Formationen, aus den Etappenformationen, aufgestellt waren.

T: Bis zu welchem Zeitpunkt blieben Sie Höherer SS- und Polizeiführer Rußland-Mitte?

BZ: Ich war Höherer SS- und Polizeiführer Rußland-Mitte, mit Unterbrechung einiger Fronteinsätze und einer längeren Erkrankung, von zirka einem halben Jahre, bis Ende 1942, wo ich zum Chef der Bandenkampfverbände ernannt wurde.

T: Wurde diese Stelle als Chef der Bandenkampfverbände besonders für Sie geschaffen?

BZ: Ja.

T: Wem waren Sie in dieser neuen Eigenschaft direkt unterstellt?

BZ: Heinrich Himmler.

T: Waren Ihre Funktionen in dieser neuen Stellung auf einen bestimmten Teil der Ostfront beschränkt?

BZ: Nein, mein Aufgabengebiet umfaßte den gesamten Osten.

T: Welches war der allgemeine Charakter Ihrer Dienstpflichten als Chef der Bandenkampfverbände?

BZ: In erster Linie hatte ich im Hauptquartier Himmlers eine zentrale Meldesammelstelle einzurichten, in der alle Meldungen über die Partisanenbewegungen einliefen, und bei der alle diese Meldungen bearbeitet und an die zuständigen Stellen weitergeleitet wurden.

T: Haben Sie jemals im Verlauf Ihrer Tätigkeit mit den Befehlshabern der Heeresgruppen und der Armeen an der Ostfront verhandelt?

BZ: Mit den Oberbefehlshabern von Heeresgruppen, nicht von der Armee, und mit den Wehrmachtsbefehlshabern.

T: Haben Sie die Befehlshaber bezüglich der Methoden, die in der Bekämpfung der Partisanen zur Anwendung kommen sollten, beraten?

BZ: Ja.

T: Können Sie uns einige der Befehlshaber nennen, mit denen Sie persönlich Besprechungen hatten?

BZ: Ohne erschöpfend zu sein, nach dem Gedächtnis: Wehrmachtsbefehlshaber Ostland: General der Kavallerie Bremer mit dem Generalfeldmarschall Küchler; Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord mit den Oberbefehlshabern der Heeresgruppe Mitte: Kluge und Busch mit dem Wehrmachtsbefehlshaber Ukraine; General der Flieger und der Luftwaffe, Kitzinger, mit Generalfeldmarschall Freiherr von Weichs, Oberbefehlshaber in Serbien, also Belgrad, und General Kügler, Wehrmachtsbefehlshaber im Raume von Triest.

T: In welchem zahlenmäßigen Verhältnis standen die in diesen Partisanenbekämpfungs-Aktionen eingesetzten Wehrmachtstruppen zu denen der Polizei und der SS?

BZ: Da die Truppenzahl der Polizei und der SS nur sehr gering war, wurde die Partisanenbekämpfung in erster Linie von Formationen der Wehrmacht durchgeführt.

T: Standen die Partisanenbekämpfungs-Truppen gewöhnlich unter dem Befehl von Wehrmachtsoffizieren oder SS-Offizieren?

BZ: Das war verschieden. Erstens nach dem Gebiet; im Operationsgebiet führte fast allgemein die Wehrmacht. Es galt aber die Bestimmung, daß derjenige Teil, ganz gleich, ob Wehrmacht, Waffen-SS oder Polizei, die Führung für ein Unternehmen hatte, der die meisten Truppen stellte.

T: Haben die höchsten militärischen Führer Anordnungen gegeben, daß die Partisanenbekämpfungs-Unternehmungen mit Strenge durchgeführt werden sollten?

BZ: Ja.

T: Haben die höchsten militärischen Stellen irgendwelche ins einzelne gehenden Anordnungen über die bei der Partisanenbekämpfung anzuwendenden Methoden herausgegeben?

BZ: Nein.

T: Was war die Folge in den letzten Gebieten, daß ausführliche Anweisungen von oben nicht gegeben wurden?

BZ: Es herrschte infolgedessen, als Folge dieses Nichtbefehls, eine wilde Anarchie der Partisanenbekämpfung.

T: Waren nach Ihrer Meinung die Maßnahmen, die in der Partisanenbekämpfung zur Anwendung kamen, viel strenger als es die Umstände rechtfertigten, oder nicht?

BZ: Da keine Befehle vorlagen, und die unteren Kommandeure selbständig handeln mußten, fielen die Unternehmungen nach dem Charakter des Kommandeurs und nach der Qualität der Truppe verschieden aus, und ich bin der Ansicht, daß die Unternehmungen oft nicht nur zweckwidrig, sondern auch weit über das Ziel hinausgeschossen wurde.

T: Hatten diese Maßnahmen die unnötige Tötung einer großen Anzahl von Zivileinwohnern zur Folge?

BZ: Ja.

T: Haben Sie diese Ausschreitungen den Befehlshabern der Heeresgruppen und anderen Wehrmachtsoffizieren, mit denen Sie zusammenarbeiteten, gemeldet?

BZ: Diese Folge war allgemein bekannt; es brauchte darüber nicht besonders berichtet zu werden, weil jede Unternehmung termingemäß und pflichtgemäß sofort in allen Einzelheiten gemeldet wurde und jedem verantwortlichen Führer bekannt war.

T: Wurden irgendwelche wirksame Schritte von den höchsten Militärbehörden oder von den Befehlshabern der Armeegruppen unternommen,

BZ: Ich entsinne mich, daß besonders General von Schenkendorff in dieser Hinsicht unzählige Berichte mit mir abgestimmt hat, die wir beide auf unserem Dienstwege pflichtgemäß weitergegeben haben.

T: Haben diese Berichte des Generals von Schenkendorff irgendwelche Ergebnisse gehabt?

BZ: Nein.

T: Warum nicht?

BZ: Der Generalquartiermeister Wagner hatte wohl versucht, einen gewissen Wandel zu schaffen durch eine straffere Führung, die eingesetzt werden sollte; er ist aber nicht damit durchgedrungen.

T: Wurde jemals ein Befehl erlassen, und zwar von höchster Stelle, daß deutsche Soldaten, die sich Vergehen gegen die Zivilbevölkerung hatten zuschulden kommen lassen, durch Militärgerichte nicht bestraft werden sollten?

BZ: Ja. Ein solcher Befehl ist herausgekommen.

T: Erwies sich dieser Befehl als ein Hindernis bei der Unterdrückung dieser Ausschreitungen seitens der Truppen?

BZ: Ja. Nach meiner Ansicht verhinderte dieser Befehl jede ordnungsgemäße Kampfführung, denn man kann eine Truppe nur dann erziehen, wenn man die Disziplinargewalt und die Gerichtsbarkeit hat und gegen Exzesse einschreiten kann.

T: Welche Auszeichnungen erhielten Sie während des Krieges?

BZ: Ich habe in diesem Kriege die Spangen zum Eisernen Kreuz I. und II. Klasse, das Deutsche Kreuz in Gold und das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhalten.

T: Herr Vorsitzender, der Zeuge steht nun Anderen für das Kreuzverhör zur Verfügung.

VORSITZENDER: Wünscht der Sowjet-Anklagevertreter Fragen zu stellen?

P: Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich eine Reihe von Fragen stellen. Wieviel Kräfte der Polizei und der SS waren unter Ihrem Befehl im Jahre 1941 und 1942, als Sie Chef der Polizei und der SS im rückwärtigen Gebiet des Abschnitts Mitte waren?

BZ: Meinem Befehl direkt waren unterstellt, 1941, ein Polizei-Regiment der Ordnungspolizei, außerdem zeitweise, zirka auf zwei bis drei Monate, eine SS-Kavalleriebrigade.

P: Unterstand Ihnen die Einsatzgruppe B, deren Chef Nebe war?

BZ: Nein.

P: Haben Sie die Berichte von Nebe erhalten, oder nicht?

BZ: Direkt nicht, ich habe sie mir aber besorgt.

P: Was wissen Sie von der Tätigkeit der Einsatzgruppe B?

BZ: Die Einsatzgruppe B saß, der Sitz war in Smolensk, und sie operierte genau so wie die anderen Einsatzgruppen. Man hörte überall gesprächsweise, daß die Juden zusammengesammelt wurden und in Ghettos gebracht wurden.

P: Erstatteten Sie den Kommandos der Operationsgruppen Bericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppe B?

BZ: Ich habe mir die Kenntnis über diese Tätigkeit der Einsatzgruppe B direkt über Schenkendorff, bei dem I c der Heeresgruppe Mitte verschafft.

P: War Ihnen der Befehl des Oberbefehlshabers der 6. Armee, General Reichenau, betreffs der Partisanenbewegung bekannt?

BZ: Ich bitte den Namen; General von Reichenau?

P: Ja.

BZ: Jawohl, mir ist bekannt, daß - ich glaube es war 1941, aber ich will mich nicht festlegen, es kann auch 1942 gewesen sein - ein Befehl des Generals von Reichenau über alle Wehrmachtsbefehlshaber zur Kenntnis gegeben wurde, in dem er sich vor die Aktionen gegen die Juden und Partisanen stellte.

P: Befanden sich 1943 oder später unter Ihrem Befehl Einheiten oder Kompanien, die besonders zur Bekämpfung der Partisanenbewegung ausgesucht waren?

BZ: 1943, als Chef der Bandenkampfverbände, hatte ich keine direkte Befehlsgewalt, weil ich ja die Zentralstelle führte; ich habe aber an den Stellen, wo die Zuständigkeiten zweier Befehlshaber an den Grenzen sich berührten, auch selbst Unternehmungen geführt.

P: Wissen Sie irgendetwas von dem Bestehen einer besonderen Brigade, die aus Schmugglern, Wilddieben und entlassenen Sträflingen zusammengesetzt war?

BZ: Nach Abzug aller wirklich für den Partisanenkampf geeigneten Truppen wurde im Jahre - Ende 1941, Anfang 1942, zunächst ein Bataillon unter dem Befehl von Dirlewanger bei der Heeresgruppe Mitte zur Partisanenbekämpfung eingesetzt. Dieses Bataillon wurde dann langsam verstärkt durch Ersatzzuführung zunächst auf ein Regiment bis zum Jahre 1944, dann auf eine Brigade. Diese Brigade Dirlewanger bestand zum größten Teil aus vorbestraften Verbrechern, offiziell aus sogenannten Wilddieben, aber es waren auch reine Kriminelle darunter, die bestraft waren wegen Einbruchdiebstahls, Mordes und so weiter.

P: Wie erklären Sie es, daß das deutsche Heereskommando seine Truppenteile und seinen Mannschaftsbestand so bereitwillig durch Einstellung von Verbrechern vergrößerte und diese Verbrecher gegen die Partisanen einsetzte?

BZ: Ich bin der Ansicht, daß ein klarer Zusammenhang besteht zwischen der Rede Heinrich Himmlers Anfang 1941, vor Beginn des Rußlandfeldzugs auf der Weselsburg, wo er davon sprach, daß der Zweck des Rußlandfeldzugs die Dezimierung der slawischen Bevölkerung um dreißig Millionen sein sollte, und diesem Versuch, durch solche minderwertige Truppen auch wirklich in diesem Sinne nun tätig zu sein.

P: Habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich sage, daß der Charakter der Truppen, welche die Befehlshaber gegen die Partisanen einsetzten, vorher sorgfältig in Erwägung gezogen war? Erhielten diese Truppen genaue Befehle, wie sie gegen die Bevölkerung und gegen die Partisanen vorgehen sollten? Ich beziehe mich jetzt auf die vorgeschlagene und amtlich genehmigte Ausrottung der Bevölkerung.

BZ: Ja, ich bin der Ansicht, daß bei der Auswahl bestimmter Kommandeure und ganz bestimmter Formationen dieses Ziel maßgebend war.

P: Mit welchen Mitteln und unter welchen Maßnahmen wurden Wehrmachtteile gegen die Partisanen eingesetzt? Wurden sie besonders zu diesem Zweck eingezogen, oder von Fall zu Fall nach einem bestimmten Plan eingesetzt?

BZ: Ein bestimmter Plan im allgemeinen lag wohl nicht vor. Es wurden zwar sogenannte Großunternehmen zentral eingeleitet, geplant und durchgeführt. In der Mehrzahl waren die Partisanenbekämpfungs-Unternehmen aber Unternehmen impulsiver Art, weil jeder untere Kommandeur verpflichtet war, von sich aus sein Gebiet von Partisanen reinzuhalten, also von sich aus Unternehmungen durchzuführen.

P: Sie haben uns gesagt, daß in sehr vielen Fällen Generale und Offiziere der Wehrmacht die Operationen gegen die Partisanen persönlich geleitet haben. Können Sie uns einige konkrete Tatsachen und die Namen von einigen Generalen und Offizieren nennen?

BZ: Ich habe den Sinn der Frage nicht ganz verstanden; die Namen von Kommandeuren?

P: Sie haben uns gesagt, daß im Verlaute gewisser Operationen des Kampfes gegen die Partisanen Offiziere und Generale der die Maßnahme durchgeführt haben, und nun frage ich, ob Sie uns einige Namen der Offiziere und Generale nennen können?

BZ: Jawohl, einen Teil der Generale hatte ich schon vorher genannt; mir ist noch in Erinnerung, Rußland-Mitte: Generalmajor Hartmann. Ein großes Partisanenunternehmen wurde geführt, oder jedenfalls von ihm von der obersten Stelle geleitet; und Generaloberst Reinhardt, in dessen rückwärtigem Gebiet Hauptpartisanengruppen waren. Ja, ich möchte sagen, es war überhaupt, es gab keinen General in den rückwärtigen Gebieten, der nicht in dem Partisanenkampf selbst eingesetzt war oder führend war. Ich habe natürlich nicht alle Namen im Gedächtnis. Wenn mir die Namen genannt werden, kann ich sagen, wer eingesetzt war oder nicht.

P: Können Sie uns sagen, welches Unternehmen General Ackmann geleitet hat?

BZ: Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.

P: Bestanden irgendwelche allgemeine Befehle gegenüber Kriegsgefangenen, der Zivilbevölkerung oder den Partisanen?

BZ: Es waren leider keine Befehle vorhanden, die klar sagten, wie nun die Partisanen zu behandeln wären oder die Bevölkerung. Das ist ja das, was ich zum Vorwurf mache, daß nicht befohlen wurde, was mit den Partisanen zu geschehen hat, beziehungsweise wer überhaupt als Partisan anzusehen ist. Wenn aber etwas passierte gegen die deutsche Wehrmacht, dann fehlten die Befehle, die klar sagten, was nun als Vergeltung zu geschehen habe.

P: Muß ich das so verstehen, daß mangels direkter diesbezüglicher Befehle die Kommandeure freie Hand und das Recht hatten, jeden Menschen nach Gutdünken als Partisanen zu bezeichnen und ihn dementsprechend zu behandeln?

BZ: Er mußte ohne Frage selbständig handeln und konnte selbständig entscheiden. Eine genaue Kontrolle im einzelnen war nicht möglich; die Tätigkeit aber aller eingesetzten Truppen war dadurch für die höhere Führung ständig ganz klar ersichtlich, weil in den einzelnen Meldungen diese Gegenmaßnahmen genau aufgeführt wurden; das heißt, es mußte genau gemeldet werden, wieviel Partisanen im Kampfe gefallen waren, wieviel erschossen worden sind, wieviel als partisanenverdächtig erschossen worden sind, und wieviel eigene Verluste die Truppe hatte. Ebenso mußte die Beute an Waffen genau aufgeführt werden, sodaß jeder Führer von sich aus klar erkennen konnte, wie ein Unternehmen in der Praxis auslief.

P: Das heißt, jeder Kommandeur entschied selbständig, ob irgendein Grund vorhanden war, einen Mann zu verdächtigen und ihn hinzurichten?

BZ: Jawohl.

P: Wissen Sie von irgendeinem Befehl, der die Ergreifung von Geiseln und das Niederbrennen von Dörfern vorschrieb als Wiedervergeltung für Hilfe, die den Partisanen gewährt worden war?

BZ: Nein. Ich glaube nicht, daß solche schriftliche Befehle jemals vorlagen, sondern ich sehe ja gerade den Fehler in dem Nichtvorliegen von irgendwelchen Befehlen. Es hätte klar befohlen werden müssen, wieviel zum Beispiel als Vergeltung hingerichtet werden dürfen auf die Vernichtung eines deutschen Soldaten hin oder auf zehn deutsche Soldaten hin.

P: Muß ich das verstehen, daß, wenn bestimmte Kommandeure Dörfer als Strafmaßnahme gegen die Bevölkerung niederbrannten, diese Kommandeure dies aus eigenem Antrieb taten?

BZ: Ja. Diese Entschlüsse faßte der Kommandeur selbständig. Es war ja auch seitens seiner Vorgesetzten gar keine Möglichkeit vorhanden, dagegen was zu machen, weil ja ausdrücklich der höchste Befehl dahinging, daß wegen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung im Raume der Partisanen keine Disziplinar- oder Gerichtsmaßnahmen durchgeführt werden durften.

P: Kann man annehmen, daß dasselbe auch für die Ergreifung von Geiseln galt?

BZ: Ja, ich glaube, daß im Zusammenhang mit der Partisanenbekämpfung Geiseln überhaupt nicht einvernommen worden sind; ich glaube, daß das »Geisel-System« doch wohl mehr im Westen war. Der Ausdruck »Geisel« jedenfalls wurde im Partisanenkampf nicht verwandt.

P: Wissen Sie irgendetwas über die gewaltsame Entführung und Verschickung von Minderjährigen im Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren nach Deutschland?

BZ: Im einzelnen, also jahrgangsweise, weiß ich das natürlich nicht. Ich habe es aber selber begrüßt, als auf meine Vorstellungen hin, wie ich Chef der Bandenkampfverbände wurde, verboten wurde, daß die Truppe wahllos Vergeltung übt, als eine Verfügung dahingehend herauskam, daß im Partisanenkampf festgenommene Partisanen und Partisanenverdächtige nicht mehr zu erschießen seien, sondern zum Arbeitseinsatz über die Organisation Sauckel ins Reich kämen.

P: Wenn ich Ihre Antwort auf die Frage, die Ihnen vorher mein Kollege, der amerikanische Anklagevertreter gestellt hat, richtig verstanden habe, dann sagten Sie, daß der Kampf gegen die Partisanenbewegung ein Vorwand für die Ausrottung der slawischen und jüdischen Bevölkerung war?

BZ: Ja.

P: Wußte die Wehrmachtführung von den Methoden des Kampfes, die zur Bekämpfung der Partisanenbewegung und zur Ausrottung der jüdischen Bevölkerung angewandt wurden?

BZ: Die Methoden waren allgemein bekannt, also auch bei der militärischen Führung. Ich weiß natürlich nicht, ob sie von dem Plan, den Himmler erwähnte, Bescheid wußte.

P: Nahmen Sie persönlich an irgendwelchen Besprechungen mit Generalen der Wehrmacht teil, in denen die Methoden der Partisanenbekämpfung klar und ausführlich besprochen wurden?

BZ: Es wurden die Kampfmethoden als solche genau besprochen und als bekannt vorausgesetzt. Es ist aber bei diesen Besprechungen nicht etwa gesagt worden, es sind nun soundsoviele Menschen zu erschießen; so ist das nicht zu verstehen.

P: Sie haben uns gesagt, daß die Deutschen die Absicht hatten, die slawische Bevölkerung zu vernichten und auf dreißig Millionen zu reduzieren. Wie kamen Sie auf diese Zahl und diesen Befehl?

BZ: Ich darf berichtigen, nicht auf dreißig Millionen, sondern um dreißig Millionen. Diese Zahl hat Himmler während seiner Rede auf der Weselsburg genannt.

P: Bestätigen Sie, daß tatsächlich alle von den deutschen Befehlshabern und der Wehrmacht in den besetzten russischen Gebieten durchgeführten Maßnahmen nur auf den einen Zweck hinzielten, die slawische und jüdische Bevölkerung um dreißig Millionen zu verringern?

BZ: Der Sinn ist mir nicht ganz klar. Ob die Wehrmacht gewußt hat, daß die slawische Bevölkerung um dreißig Millionen verringert werden sollte? Mir war die Frage nicht ganz klar. Ich bitte, diese Frage noch einmal zu wiederholen.

P: Ich habe gefragt: Können Sie wirklich und wahrhaftig bestätigen, daß die von der Wehrmacht in den damals von den Deutschen besetzten Verwaltungsgebieten getroffenen Maßnahmen den Zweck hatten, die slawische und jüdische Bevölkerung um dreißig Millionen zu verringern? Verstehen Sie die Frage jetzt?

BZ: Ich bin der Ansicht, daß diese Methoden wirklich zur Vernichtung von dreißig Millionen geführt hätten, wenn sie so weiter fortgeführt worden wären, und wenn nicht durch die Entwicklung der Lage sich die Situation ganz geändert hätte.

P: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen zu stellen.

VORSITZENDER: Haben die Verteidiger irgendwelche Fragen zu stellen?

E: Herr Zeuge, Sie haben uns gesagt, Sie waren Chef der Bandenbekämpfung, nicht wahr?

BZ: Chef der Bandenkampfverbände.

E: Sagen Sie, wenn solche chaotische Verhältnisse da existiert haben, warum haben Sie nicht das System geändert?

BZ: Weil man mir niemals Befehlsgewalt gegeben hat.

E: Wie meinen?

BZ: Weil man mir niemals Befehlsgewalt gegeben hat. Ich durfte weder befehlen, noch hatte ich die Disziplinargewalt, noch war ich Gerichtsherr.

E: Ja, haben Sie Ihren Vorgesetzten über diese Verhältnisse gemeldet?

BZ: Jeden Tag. Ich hatte einen ständigen Stab bei Himmler.

E: Und haben Sie Vorschläge über eine Änderung gemacht?

BZ: Laufend.

E: Und warum sind die nicht verwirklicht worden?

BZ: Ich glaube, ich habe mich vorhin ganz klar ausgedrückt; weil ich der Ansicht bin, daß man diese Änderung nicht wollte.

E: Sie haben auch, wie Sie uns gesagt haben, jeweils Ihrer vorgesetzten Behörde berichtet über die Toten und Verwundeten und Gefangenen beim Gegner nach einer derartigen Aktion? Sagen Sie, in welchem Verhältnis, ungefähr, sind denn da die Gefangenen gestanden zu den Toten beim Gegner?

BZ: Ja, das war im einzelnen verschieden. Also man kann nicht alle Unternehmungen da über einen Kamm scheren. Tatsache war, daß die Gefangenenzahl doch wohl die Feind-Toten um ein Vielfaches übertrafen.

E: Die Gefangenen übertrafen die Toten.

BZ: Aber auch erst in den Jahren, seitdem der Befehl war, daß Gefangene gemacht werden durften.

E: Erst war das System schärfer, und später ist es gemildert worden, sagen Sie?

BZ: Jawohl, eine gewisse Änderung trat dadurch ein, daß ja nun klare Befehle vorlagen, wohin die Gefangenen zu transportieren seien, was ja am Anfang nicht vorhanden war, wem sie abgegeben werden müßten.

E: Können Sie mir Befehle nennen, die Sie von militärischer Seite bekommen haben, und die gerichtet waren oder irgendwie abzielten auf die Vernichtung von Millionen von Slawen?

BZ: Ich habe ja vorhin schon diese Frage dem Anklagevertreter beantwortet, daß ein solcher schriftlicher Befehl nicht vorlag.

E: Wissen Sie, daß die Meldungen, die Sie an Himmler gemacht haben über die Aktionen, die Sie durchführten, von Himmler direkt dem Führer vorgelegt wurden?

BZ: Darf ich dazu ausführlicher Stellung nehmen? Zunächst hatte ich einen ständigen Stab bei Himmler. Mein Chef des Stabes war ständig dort, während ich vorn war, draußen war. Es fand zwischen den Wehrmachtsstellen, also OKW und OKH und meinem Stab, ein ständiger, das heißt terminmäßig sich immer wiederholender und festgelegter Austausch statt. Es ist ja nicht so, daß die Meldung über die Partisanenunternehmungen mich zuerst erreichte, denn es gab ja ganze Gebiete, die Operationsgebiete, wo der Meldeweg über OKH lief; das heißt, die Wehrmacht gab mir genau soviel Meldungen ab wie umgekehrt ich an die Wehrmacht. Daß diese Meldungen dann in meinem Stab zusammengefaßt wurden, ist Tatsache; und jeden Tag gingen diese Meldungen an Himmler, der sie weitergab.

E: Weitergab, an wen?

BZ: Die Herren der Wehrmacht haben es mir hier selbst bestätigt, schon in der Gefangenschaft, daß bei der Lagebesprechung diese Meldungen vorgelegt worden sind.

E: Sagen Sie, waren bei diesen Partisanengruppen Juden beteiligt?

BZ: Es war ohne Frage, daß bei einzelnen Partisanengruppen entsprechend der jüdischen Bevölkerungszahl auch Juden beteiligt waren.

E: Bei einzelnen; es dürfte eher eine Ausnahme gewesen sein, nicht?

BZ: Es war bestimmt also eine Ausnahme.

E: Darum verstehe ich nicht genau, wie die Bekämpfung der Partisanen zu einer Ausrottung der Juden führen sollte?

BZ: Das habe ich auch nicht gesagt, sondern es war vorhin die Rede von den [Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei.

E: Ah, das ist etwas anderes. Kennen Sie das Regiment Dirlewanger, das Regiment, ist Ihnen das ein Begriff?

BZ: Das ist die Brigade Dirlewanger, die ich vorhin dem Herrn Anklagevertreter genau erläutert habe.

E: Ja. Ist sie gelegentlich unter Ihrem eigenen Befehl gestanden?

BZ: Im Jahre 1941, jawohl.

E: War das eine Formation des Heeres oder der SS?

BZ: Nein, Dirlewanger war auch nicht eine Formation der Waffen-SS, sondern sie wurde versorgt von der Allgemeinen SS, also von dem Amt Berger.

E: Können Sie sagen, wer bei der Rede Himmlers auf der Weselsburg anwesend war?

BZ: Da waren zirka zwölf Gruppenführer anwesend. Soll ich die Namen nennen, dann bin ich bereit. E: Sie meinen Gruppen von... Der SS; waren es Offiziere der Wehrmacht?

BZ: Nein.

PROFESSOR DR. KRAUS: Sie waren am 18. August 1935 in Königsberg zugegen, als der frühere Reichsbankpräsident Schacht dort auf der Ostmesse eine Rede hielt?

BZ: Jawohl.

K: Welchen Beruf hatten Sie damals?

BZ: Ich war Oberabschnittsführer.

K: Oberabschnittsführer. Sind Sie in dienstlicher Eigenschaft bei dieser Rede zugegen gewesen?

BZ: Als Oberabschnittsführer der SS, ja.

K: Jawohl. Sie haben dann mitten in der Rede aus Protest den Saal verlassen?

BZ: Ich habe mitten in der Rede den Saal verlassen, jawohl.

K: Den Saal verlassen, das war aus Protest?

BZ: Ja, das stimmt. K: Also, Sie waren mit der Rede nicht einverstanden?

BZ: Wegen der Rede nicht, sondern aus Protest.

K: Ja, also wegen des Inhalts der Rede.

BZ: Nein.

K: Darf ich dann bitten, wogegen Sie protestierten?

BZ: Es ist ja bekannt, daß ich in Ostpreußen einen scharfen Kampf gegen den Gauleiter Koch geführt habe, der zu seiner Beurlaubung führte, und daß ich mit Koch in einer derartigen Kampfstellung war, daß ich es nicht verstand, daß Reichsminister Schacht, der doch, weiß Gott, nicht der Richtung Kochs angehörte, in dieser Rede besonders Komplimente machte dem Manne, in dem ich einen korrupten Menschen sah.

K: Ich verstehe nur nicht; war das nun ein Protest gegen die Haltung des Herrn Schacht oder gegen Herrn Koch?

BZ: Ich glaube, daß es Herrn Schacht bekannt ist, daß es ein Protest gegen Koch war; jedenfalls ließ ich ihm das nachträglich erklären; wir haben uns ja dann durch Mittelspersonen schließlich auch wieder vertragen.

K: So.

S: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, daß eine Änderung eingetreten ist bezüglich der Behandlung der Partisanen, und zwar sei angeordnet worden, daß diese nunmehr dem Arbeitseinsatz zugeführt werden sollten. Woher kam diese Anordnung?

BZ: Ja, im einzelnen kann ich das so nicht sagen. Ich weiß nur, daß Herr Sauckel selber ja im Osten herumfuhr und große Reden hielt und sagte, es wäre doch am besten, wenn diese Menschen, die doch im Partisanenkampf gefangengenommen wurden, wenn die nun in den Arbeitseinsatz durch seine Organisation kämen.

S: Ich habe gefragt, woher die Anordnung kam, von Himmler oder von der Organisation Sauckel, wie Sie gesagt haben?

BZ: Nein, die Organisation Sauckel kann natürlich niemals eine Anordnung über Partisanenkampf geben. Ich nehme an, daß die Organisation Sauckel das veranlaßt hat; die Befehle mußten dann natürlich von Himmler oder vom OKW kommen; das weiß ich nicht.

S: Was wissen Sie von dem Bestehen einer Organisation Sauckel, wo bestand sie?

BZ: Ja, das, was allgemein bekannt war, daß die Organisation dazu da war, Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie ins Reich zu bringen.

S: Ja, Sie haben von einer Organisation gesprochen; eine solche Organisation kennen Sie aber nicht?

BZ: Nein, also ich meine nicht in dem Sinn, wie Sie meinen, eine große, selbständige Organisation; so meine ich das nicht, daß, wenn ein Mann den gesamten Arbeitseinsatz leitet, daß er auch eine Organisation hat. Ich bitte um Entschuldigung, es ist ein Lapsus nunmehr meinerseits.

S: Es ist Ihnen also nicht bekannt, daß Sauckel keinerlei Exekutive hatte und über keinen eigenen Verwaltungsapparat verfügte?

BZ: Nein, das weiß ich nicht.

VORSITZENDER: Ich ersuche um die Aufmerksamkeit der Verteidigung: Ich muß feststellen, daß, wenn die Verteidigung und die Zeugen nicht langsam sprechen und genügende Pausen zwischen den Fragen und den Antworten machen, es für die Dolmetscher unmöglich ist, richtig zu übersetzen. Das einzige Ergebnis ist dann, daß die Fragen und Antworten vom Gerichtshof nicht verstanden werden; auch werden die Verteidiger sich nicht über die wahre Bedeutung der in der Hauptvernehmung gegebenen Antworten klar, und alles, was Sie im Kreuzverhör durch rasche Fragestellung zu gewinnen glauben, verlieren Sie durch die Ungenauigkeit der Übersetzung. Ich möchte wiederholen, daß Sie am Ende des Satzes und ebenso am Ende der Frage Pausen machen müssen, um den Dolmetschern genügend Zeit zur Übertragung zu geben.

ST: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, daß Sie seit 1942 Chef der Bandenkampfverbände gewesen sind, 1942, nicht wahr? Als solcher waren Sie doch eingesetzt zur Bekämpfung der Banden im Osten?

BZ: Jawohl, im Osten, das ist richtig.

ST: Zur Bekämpfung der Banden? Nun haben Sie gesagt, es hätte Unklarheit darüber bestanden, was unter »Partisanen« zu verstehen sei. Der Begriff der »Partisanen« sei in der ganzen Zeit unklar gewesen. Ist das richtig?

BZ: Dem Sinne nach, ja. Nach meiner Ansicht war und ist ein Unterschied zu machen zwischen Partisanen und Partisanenverdächtigen. Die Truppe machte diesen Unterschied nicht immer. Ein Partisan war ein besonders vom Gegner ausgesuchter und ausgebildeter Gegner, der auch besonders gut bewaffnet war. Ich legte immer Wert darauf, daß dieser Begriff nichts Vages, sondern besonders herauszuschälen ist. Man sagt ich bekomme aus einem Dorf, aus einem Ort, aus einem Wald Feuer; also ist alles, was drin ist, auch Partisane. Das stimmt nicht, denn die Taktik der Partisanen war ja gerade die, nach einem Erfolg schleunigst wieder zu verschwinden, weil ja die Partisanen gerade kämpften durch ihr Überraschungsmoment, das in ihrem Kampf lag. Wenn nun die Truppe zu Gegenmaßnahmen schritt, und sie war nicht besonders geschult, und dieser Begriff war nicht genau geklärt, dann führte das dazu, daß die Truppe sich sagte, aus dem Dorf ist geschossen worden, also sind das alles Partisanen. Nach meiner Ansicht war ein Partisan nur derjenige, der wirklich mit der Waffe in der Hand angetroffen, das heißt, oder gefangen genommen worden ist. Wer keine Waffe in der Hand hat, konnte eben auch nicht als Partisan bezeichnet werden.

ST: Was haben Sie nun positiv unternommen, um den Begriff der Partisanen zweifelsfrei festzulegen?

BZ: Ich habe vorhin schon angedeutet, daß ununterbrochen seit 1941, noch bevor ich Chef der Partisanenkampfverbände war, nicht nur von mir, sondern auch gerade von General von Schenkendorff, ununterbrochen eine Reihe von Denkschriften eingereicht wurde, die entsprechende Vorschläge enthielten. Wir haben zum Beispiel in Rußland-Mitte auch direkte Schulen der Partisanenbekämpfung eingerichtet, wo das geschult werden sollte. Wir haben, das heißt Schenkendorff und ich gemeinsam, auch eine sogenannte Partisanenkampfvorschrift ausgearbeitet, die aber niemals herausgekommen ist. Mein Stab hat gleich, nachdem ich zum Chef der Partisanenkampf verbände ernannt wurde, also Anfang 1943, sofort seine Arbeit aufgenommen und wieder eine neue Bandenkampfvorschrift ausgearbeitet. Es hat monatelang gedauert, bis eine solche Vorschrift dann endlich herauskam, im Jahre 1944, als der Sinn eigentlich schon hinfällig wurde.

ST: Von wem wurde diese Vorschrift erlassen? BZ: Diese Vorschrift ist regelrecht dann herausgegeben von der Wehrmacht als regelrechte Wehrmachtsvorschrift. ST: Sie wurde von der Wehrmacht erlassen?

BZ: Im Jahre 1944 ist sie herausgekommen. ST: Und welchen Inhalts?

BZ: Sie hieß direkt: »Bandenkampfvorschrift«.

ST: Welchen Inhalt hatte sie?

BZ: Der Inhalt war die gesamte Partisanenbekämpfung; da war also alles genau drin, Aufklärung, Einsatz eines Unternehmens, Unterscheidung zwischen kleinen, mittleren, großen Unternehmen.

ST: Wenn diese Bandenkampfvorschrift erst 1944 herausgekommen ist, war es dann nicht Ihre Aufgabe, da Sie ja die Bandenbekämpfung im gesamten Osten hatten, von sich aus Ihre Verbände anzuweisen, wie sie sich im einzelnen zu verhalten hatten?

BZ: Erstens hatte ich keine Befehlsgewalt; das habe ich schon vorhin gesagt. Ich konnte also nur Vorschläge unterbreiten. Zweitens hat es überhaupt niemals feste Bandenkampfverbände gegeben, das war ein leerer Titel, sondern von Fall zu Fall wurden eben x-beliebige Truppen dazu zusammengezogen. Es ist nicht so, daß ich nur Truppen hatte, die nur zum Bandenkampf mir zur Verfügung standen. Ich möchte betonen, daß meine Ernennungsurkunde zum Chef der Partisanenbekämpfung ausdrücklich erklärte, daß für die Bandenbekämpfung allein zuständig ist entweder der Höhere SS- und Polizeiführer oder der betreffende Wehrmachtsbefehlshaber. Ich selber hatte nach dieser Vorschrift nur Inspekteureigenschaft entgegen meiner ständigen Forderung, Befehlsgewalt zu bekommen.

ST: Das ist mir nicht ganz verständlich.

VORSITZENDER: Sie müssen langsamer sprechen und zwischen Ihren Sätzen Pausen einschalten.

ST: Als General der Waffen-SS mußten Sie doch Befehlsgewalt haben?

BZ: Ich hatte nur Befehlsgewalt, wenn ich selbst ein Unternehmen führte.

ST: Wenn Sie... Sie sagten doch... Sie waren doch eingesetzt zur Bandenbekämpfung, also mußten Sie doch Verbände dafür haben?

BZ: Ich hatte keine Verbände dazu.

ST: Womit führten Sie denn die Bandenbekämpfung aus?

BZ: Von Fall zu Fall ging ich dann zu dem betreffenden Oberbefehlshaber hin, besprach mit ihm den ganzen Einsatz und bat dann um die betreffenden Truppen, wenn Sie mir nicht, wie es oft der Fall war, direkt vom OKW oder OKH zur Verfügung gestellt wurden. ST: Sie erbaten sich also Truppen, wenn sie Ihnen nicht zur Verfügung gestellt wurden? Diese Truppen unterstanden dann doch, wenn Sie die Truppen erhielten, unterstanden sie doch Ihrem Befehl?

BZ: Nein, nur wenn ich das Unternehmen führte; sonst führte, das habe ich ja schon vorhin gesagt, sonst führte entweder der betreffende General der Wehrmacht, oder wenn es im Gebiet der Zivilverwaltung war, der betreffende Höhere SS- und Polizeiführer das Unternehmen. Es war in der Vorschrift für die Einsetzung des Chefs der Bandenkampfverbände ausdrücklich vermerkt, daß ich den Befehl nur beantragen durfte, wenn sich die Zuständigkeit zweier Höherer SS- und Polizeiführer, beziehungsweise zweier Wehrmachtsbefehlshaber in dem Gebiete überschnitten, so daß nur ein höheres Kommando zur Auslassung der Kompetenzschwierigkeiten notwendig wurde.

ST: Haben Sie denn nie ein Unternehmen selbst durchgeführt?

BZ: Ich habe ein Unternehmen 1943 selbst durchgeführt.

ST: In welcher Weise?

BZ: Dieses Unternehmen fand statt im Herbst 1943, im Raum Idrizza-Polotsk. Ich flog zuerst zur Heeresgruppe Mitte, besprach alles mit dem dort damaligen Chef, General Krebs, und dann zur Heeresgruppe Nord, wo ich das mit Generalfeldmarschall Küchler besprach. Generalfeldmarschall Küchler faßte alle Truppen der SS und Polizei, beziehungsweise auch der Wehrmachtteile im rückwärtigen Gebiet zusammen unter einem sogenannten Korps, das Jäckel führte. Dasselbe machte die Heeresgruppe Mitte mit ihren Kräften und stellte auch ein Korps unter dem dortigen Höheren SS- und Polizeiführer auf. Ich selber saß als Stab darüber und bekam den Oberst von Mellenthin vom OKH als Verbindungsoffizier in meinen Stab. Dann führte ich das Unternehmen selber durch. Inzwischen war bei Nebel die Front durchbrochen, und ich faßte den selbständigen Entschluß, gegen diese durchgebrochene Rote Armee Front zu machen und war auf diese Weise selbst mit meinen Verbänden vorderste Linie.

ST: Haben Sie - Sie sagten vorher, Sie wären mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet worden. Haben Sie nur für dies eine Unternehmen diese Auszeichnung erhalten?

BZ: Nein, ich habe gesagt, daß ich, vorhin schon gesagt, daß ich ja schon 1941 Fronteinsätze hatte. Ich hatte - immer wieder war ich an der Front eingesetzt: 1941 vor Moskau, 1942 vor Weliki-Luki, später bei Köbel, bei Warschau, beim Aufstand Warschau, und von 1944 ab habe ich dann ein SS-Korps geführt.

ST: Ist Ihnen nicht bekannt, daß Sie von Hitler und Himmler besonders belobt und gerade wegen Ihres harten und erbarmungslosen Durchgreifens bei der Bandenbekämpfung ausgezeichnet worden sind?

BZ: Nein, ich habe keine Auszeichnung für die Bandenbekämpfung bekommen, sondern ich habe alle meine Auszeichnungen von der Spange zum E. K. II angefangen an der Front verdient und sie von der Wehrmacht bekommen. Die Namen will ich gern nennen.

ST: Die Brigade Dirlewanger war eine SS-Brigade, nicht wahr?

BZ: Die Brigade Dirlewanger gehörte nicht zur Waffen-SS, das war eine Organisation, die man höchstens zur Allgemeinen SS rechnen kann, weil sie versorgungsmäßig und alles, was dazu gehört, nicht der Waffen-SS unterstellt war, sondern dem Amt Berger.

ST: Gehörte der Kommandeur Dirlewanger der SS an?

BZ: Jawohl.

ST: Haben Sie nicht selbst vorgeschlagen, Verbrecher zusammenzufassen und im Bandenkampf einzusetzen?

BZ: Nein.

TH: Herr Zeuge, wissen Sie, daß die Zivilverwaltung in Weiß-Ruthenien oft gegen die Art der Bandenbekämpfung protestiert hat?

BZ: Ja.

TH: Die Zivilverwaltung unterstand einem Reichskommissar, der Reichskommissar unterstand dem Minister für die besetzten Ostgebiete, Rosenberg, stimmt das?

BZ: Ja.

TH: Herr Zeuge, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie die Art der Bandenbekämpfung, von der viele Unschuldige betroffen wurden, und die Existenz des Regiments Dirlewanger und auch die Rede des Reichsführers-SS mißbilligt?

BZ: Ja.

TH: Wie haben Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, trotzdem der Chef, der Inspekteur der Bandenbekämpfung und auch Leiter von solchen Einsatzgruppen zu bleiben?

BZ: Von Einsatzgruppen bin ich niemals Chef gewesen.

VORSITZENDER: Die Frage ist uns durch den Dolmetscher noch nicht übersetzt worden als Sie schon mit Ihrer Antwort begannen. Sie müssen längere Pausen zwischen Frage und Antwort einschalten.

TH: Wie haben Sie es mit Ihrem Gewissen verantworten können, der Inspekteur der Bandenbekämpfung im Osten zu bleiben?

BZ: Ich habe das nicht nur mit meinem Gewissen vereinbaren können, sondern ich habe diese Stellung sogar selbst angestrebt; denn, weil ich im Jahre 1941 und 1942 mit Schenkendorff zusammen, sah, daß es so weiter eben nicht ging, und mich hat ja gerade General Schenkendorff, mein direkter Vorgesetzter, vorgeschlagen.

TH: Sie haben aber doch gewußt, daß Sie mit diesen Vorschlägen nichts erreichen?

BZ: Nein, das konnte ich nicht wissen, ich meine, diese Erkenntnis, die ich heute zum Ausdruck gebracht habe. Das war doch keine Vorkenntnis. TH: Auf jeden Fall haben Sie doch nichts erreicht?

BZ: Das glaube ich nicht, denn ich bin der Ansicht, daß, wenn statt meiner andere an meiner Stelle gewesen wären, noch viel mehr Unglück passiert wäre.

TH: Glauben Sie, daß die Rede Himmlers, in der er verlangte, daß dreißig Millionen Slawen ausgerottet würden, seine Anschauung war, oder war das nach Ihrer Meinung, oder hat diese Ansicht nach Ihrer Meinung der nationalsozialistischen Weltanschauung entsprochen?

BZ: Ich bin heute der Ansicht, daß das die logische Folgerung unserer Weltanschauung war.

TH: Heute?

BZ: Heute.

TH: Was hatten Sie damals für eine Ansicht?

BZ: Es ist schwer für einen Deutschen, sich zu dieser Überzeugung durchzuringen. Ich habe lange dazu gebraucht.

TH: Wie kommt es, Herr Zeuge, daß vor einigen Tagen hier ein Zeuge aufgetreten ist, und zwar der Zeuge Ohlendorf, der zugegeben hat, daß er im Wege der Einsatzgruppen 90000 Mann getötet hat, und daß er in diesem Gerichtssaal sagte, das entsprach nicht der nationalsozialistischen Ideologie?

BZ: Da bin ich anderer Ansicht. Wenn man jahrelang predigt, jahrzehntelang predigt, daß die slawische Rasse eine Unterrasse ist, daß die Juden überhaupt keine Menschen sind, dann muß es zu einer solchen Explosion kommen.

TH: Trotzdem bleibt bestehen, daß Sie neben einer Weltauffassung, die Sie damals hatten, auch noch ein Gewissen hatten?

BZ: Heute auch, deswegen stehe ich hier.

VORSITZENDER: Dr. Exner, wollen Sie im Namen eines anderen Angeklagten verhören?

E: Ich möchte zwei Fragen oder drei Fragen, die mir mein Klient jetzt in der Pause als wichtig mitgeteilt hat, stellen.

VORSITZENDER: Sie haben schön ein Kreuzverhör vorgenommen, nicht wahr?

E: Ja, aber ich habe jetzt drei neue Fragen. Wir konnten uns auf dieses Kreuzverhör nicht vorbereiten.

VORSITZENDER: Gut. Fahren Sie fort.

E: Herr Zeuge, Sie haben gesagt, im Jahre 1944 ist eine Verordnung gekommen über Partisanenbekämpfung, und nun habe ich soeben in der Pause in unserem von der Anklagebehörde vorgelegten Dokumentenbuch unter 1786-PS erwähnt gefunden: Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung vom 27. November 1942. Ist Ihnen die bekannt?

BZ: Nein.

E: Sie muß wohl existieren, denn sie ist darin.

BZ: Nicht bekannt.

E: Bitte sagen Sie, kennen Sie eine russische Dienstvorschrift für Partisanen?

BZ: Ja, es hat eine russische gegeben. E: Ja? Können Sie uns etwas aus dem Inhalt dieser Vorschrift sagen? Die Kampfmethoden?

BZ: Das habe ich nicht mehr in Erinnerung. E: Wissen Sie, wo diese Vorschrift etwa erhältlich ist?

BZ: Nein.

E: Danke schön.

MR. BIDDLE: Einen Augenblick! Wissen Sie, wieviele Angehörige der Wehrmacht zu einer bestimmten Zeit in der Bandenbekämpfung eingesetzt waren? Welches war die größte Zahl von Truppen, die jemals eingesetzt wurde?

BZ: Große Unternehmungen nannte man Unternehmungen in der Stärke von einer Division aufwärts. Ich glaube, daß die größte Zusammenfassung, rein zahlenmäßig, vielleicht drei Divisionen war.

MR. BIDDLE: Ich meine, alle Truppen an der Ostfront, die zu irgendeiner bestimmten Zeit zur Bandenbekämpfung eingesetzt wurden.

BZ: Das kann ich nicht beantworten, weil ja niemals die Truppen zusammen mir unterstellt waren, sondern die einzelnen Unternehmungen nebenherliefen. Es waren überall dauernd größere, kleinere und mittlere Unternehmungen; Tag für Tag kamen Meldungen über solche Unternehmungen ein.

MR. BIDDLE: Wissen Sie, wieviele Einsatzgruppen verwendet wurden?

BZ: Mir ist bekannt drei; jede Heeresgruppe eine.

MR. BIDDLE: Wissen Sie, wieviele Einsatzgruppen verwendet wurden?

BZ: Mir ist bekannt drei; jede Heeresgruppe eine.

VORSITZENDER: [zu Oberst Taylor gewandt] Wollen Sie den Zeugen rückverhören?

T: Nein, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Dann kann der Zeuge gehen.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

T: Hoher Gerichtshof! Damit ist die Beweisführung bezüglich Punkt 3 und 4 der Anklageschrift beendet. Ich möchte nur einige allgemein ergänzende Bemerkungen machen.

Ich bitte den Hohen Gerichtshof, zu beachten, daß das deutsche Oberkommando nicht ein schattenhaftes Gebilde oder die Schöpfung eines unruhigen Jahrzehnts ist, noch eine Gedankenschule oder eine Tradition darstellt, die zerstört und vollkommen diskreditiert wäre. Das deutsche Oberkommando und die militärische Tradition haben in der Vergangenheit Siege gewonnen und Niederlagen überlebt. Sie haben Sieg und Unheil erlebt und haben beides dank einer merkwürdigen Beständigkeit überlebt.

Ein großer amerikanischer Staatsmann und Diplomat, Herr Sumner Welles, schrieb, und ich zitiere aus seinem Buch »The Time for Decision« - »Die Zeit für die Entscheidung«: »Die Autorität, auf die das deutsche Volk so oft und mit so unglücklichen Folgen reagierte, war in Wirklichkeit nicht der Deutsche Kaiser von gestern oder der Hitler von heute, sondern der deutsche Generalstab.

Ob der scheinbare Herrscher der Kaiser oder Hindenburg oder Adolf Hitler ist, so gilt doch die unverbrüchliche Treue der Bevölkerungsmasse jener militärischen Macht, die vom deutschen Generalstab geführt und geleitet wird.«

Ich glaube, daß dies die historische Bedeutung der Entscheidung unterstreicht, die der Gerichtshof zu treffen hat. Wir rufen jedoch den deutschen Generalstab jetzt nicht vor den Richterstuhl der Geschichte, sondern klagen ihn wegen bestimmter Verbrechen gegen das Völkerrecht und gegen die Vorschriften des Weltgewissens an, wie sie in dem Statut, nach dem sich dieser Gerichtshof richtet, niedergelegt sind.

Das Bild, das wir gesehen haben, ist das einer Gruppe von Männern mit großer Macht zum Guten und zum Bösen, und die das Böse wählten. Männer, die mit Vorbedacht darauf ausgingen, Deutschland so zu bewaffnen, daß der deutsche Wille der übrigen Welt aufgezwungen werden konnte, Männer, die sich freudig mit den bösen Mächten verbanden, die in Deutschland herrschten.

»Hitler hat die Ergebnisse geschaffen, die wir alle sehnlichst herbeiwünschten«, haben uns Blomberg und Blaskowitz gesagt, und das ist offenbar die Wahrheit. Das Umgekehrte ist nicht minder zutreffend; die militärischen Führer statteten Hitler mit der notwendigen Macht und den Mitteln aus, so daß er sich behaupten konnte, um nicht die Ermöglichung seiner Ziele zu erwähnen, die uns im Jahre 1932 als lächerlich und unmöglich, im Jahre 1942 als so schrecklich nahe erschienen sind.

Ich sagte, daß die deutschen Militaristen ebenso untüchtig als beharrlich waren. Obwohl Hitler ohne sie hilflos gewesen wäre, so gelang es ihm dennoch, sie seinem Willen zu unterwerfen. Die Generale und die Nazis waren im Jahre 1933 Verbündete. Aber den Nazis genügte es nicht, daß die Generale ihre freiwilligen Verbündeten waren. Hitler wollte sie ständig und vollkommen unter seiner Kontrolle haben. Aller politischen Fähigkeiten und Grundsätze bar, fehlte es den Generalen geistig oder moralisch an Widerstandskraft. Am Todestage des Präsidenten Hindenburg im August 1934 schworen die deutschen Offiziere einen neuen Eid. Der frühere Eid war dem Vaterland geschworen, nun schworen sie auf einen Mann, Adolf Hitler. Später wurde das Nazi-Abzeichen ein Teil ihrer Uniform und die Nazi-Flagge ihre Standarte. Durch eine schlaue, allmähliche Inbesitznahme von Schlüsselstellungen gewann Hitler die Kontrolle über die gesamte Militärmaschine.

Wir werden ohne Zweifel hören, wie die deutschen Generale die Frage aufwerfen, was sie dagegen hätten tun können. Wir werden zu hören bekommen, daß sie machtlos waren, und daß sie Hitlers Entscheidungen hätten Folge leisten müssen, um ihre Stellungen, ihre Familien und ihr Leben zu erhalten. Dies ist zweifel los richtig, aber die Generale gehörten zu den wichtigsten Faktoren bei Hitlers Machtergreifung und hatten an seinen verbrecherischen Angriffsplänen entscheidenden Anteil. Es ist immer schwer, sich von einer verbrecherischen Verschwörung zurückzuziehen. Noch niemals ist die Auffassung vertreten worden, daß ein Verschwörer deshalb um Gnade flehen dürfe, weil seine Mitverschwörer ihm mit Verderben drohten, falls er sich von der Verschwörung zurückziehe.

Das Bild, das die Gruppe Generalstab und Oberkommando heute darbietet, ist in vieler Hinsicht das am meisten entwürdigende von allen Gruppen und Organisationen, die vor diesem Gerichtshof stehen. Generalstab und Oberkommando sind die Träger einer Tradition, der Tapferkeit und Ehre nicht abzusprechen sind, sie gehen jedoch aus diesem Kriege mit Verbrechen und Unfähigkeit beladen hervor. Von der militärischen und angriffslustigen Nazi-Politik angezogen, fanden sich die deutschen Generale in Abenteuer hineingezogen, deren Umfang sie nicht vorausgesehen hatten. Aus Verbrechen, an denen sie fast alle willig und zustimmend teilnahmen, wurden andere Verbrechen geboren, an denen sie teilnahmen, teilweise weil sie nicht in der Lage waren, die herrschende Nazi-Politik zu ändern und teilweise, weil sie die Zusammenarbeit weiterführen mußten, um ihre eigene Haut zu retten.

Nachdem die Gruppe Generalstab und Oberkommando diese Partnerschaft eingegangen war, plante und führte sie viele Angriffshandlungen aus, die Europa in ein Totenhaus verwandelten. Sie sind dafür verantwortlich, daß die Wehrmacht für schimpfliche Taten verwendet wurde, für Terror, Plünderung und Massengemetzel. Niemand soll sagen, daß sie sich hinter ihrer militärischen Uniform verstecken können, oder daß sie eine Zufluchtsstätte finden können, indem sie sich als Mitglieder eines Berufes bekennen, dem ihre Handlungen für immer zur Schande gereichen.

(Nürnberger Prozess-Protokoll zum 7.1.1946)