Zu Stalingrad: Aus den Tagebüchern des
Reichspropagandaministers Joseph Goebbels


Dr. Joseph Goebbels hat Tagebuch geführt, darin konnte er unzensiert seine tatsächlichen Ansichten, Meinungen, Wünsche, Träume, Vorstellungen und Einbildungen eintragen. Im folgenden sind solche Eintragungen im Zusammenhang mit den Ereignissen in Stalingrad zu lesen. Einerseits die subjektiv ehrlichen Ansichten und Bekenntnisse eines Fanatikers, andererseits die Darstellung eines egozentrischen, eitlen Machtmenschen - in beiden Varianten spielte die Realität die Rolle der Kulisse, sie bot je nach Bedarf: Schicksal, Dramatik, Heldentum, Apokalypse, Mythos und Mythen, immer aber den Untergrund für die Entwürfe des genialen Werbefachmannes Joseph Goebbels.


10. August 1942: Der Tag ist durch drei außerordentlich erfreuliche Meldungen charakterisiert. [...] Unser Vorstoß nach dem Süden ist enorm, aber nun ist auch in der Tat Stalingrad unmittelbar bedroht. Das Vormarschtempo ist atemberaubend. Die Infanterie vollbringt hinter den schnellen Verbänden Marschleistungen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Außerordentliche Schwierigkeiten bereitet uns die enorme Hitze, es herrschen fast afrikanische Verhältnisse im Süden der Ostfront. Unsere Infanterie kämpft zum Teil in über 50 Grad Hitze, durch ewige Staubwolken hindurch, und unterliegt damit Strapazen, die kaum vorstellbar sind. Aber es wird geschafft. Jedermann scheint zu wissen, worum es in diesen Tagen und Wochen geht. [...]

23. September 1942: Bezüglich Stalingrads ist entsprechend der gänzlich ungeklärten dortigen Lage ein ewiges Hin und Her in der Nachrichtengebung weiterhin festzustellen. Die Bolschewisten richten Aufrufe an die Verteidiger von Stalingrad, weiter auszuhalten. Sie appellieren erneut an die nationale Widerstandskraft und halten der Stadt die ungeheure Bedeutung vor, die sie heute zu vertreten hat. Man vergleicht in London bereits unser Nichtvorankommen mit dem napoleonischen Debakel an der Beresina. Aber dieser Vergleich ist uns ja im Vorjahr so oft vor Augen gehalten worden, dass er heule kaum noch zieht. Auch sucht man unsere Verluste wahnsinnig zu übertreiben und daraus den Schluss zu ziehen, dass wir zu nennenswerten Erfolgen nicht mehr kommen könnten. Der »Daily Telegraph« erklärt jetzt, dass Stalingrad überhaupt die entscheidende Schlacht des ganzen Krieges sei. Um so mehr müssen wir uns anstrengen, sie zu gewinnen. Das ist tatsächlich eine Frage auf Leben und Tod, und unser Prestige hängt gleichwie das der Sowjetunion in stärkstem Maße von ihrem Ausgang ab. [...]
Im Laufe des Nachmittags hegt man in London wieder größte Hoffnungen. Dagegen ermahnt man von Moskau aus die angelsächsischen Bundesgenossen und stellt ihnen vor Augen, dass sie unter keinen Umständen den Omnibus verpassen dürfen. Die Bolschewisten treiben augenblicklich eine außerordentlich kluge Propaganda- und Nachrichtenpolitik. Sie drücken auf die Engländer und Amerikaner, ohne dass wir nennenswerte Argumente aus ihren Auslassungen schöpfen konnten. Überhaupt muss man dem Kreml nachsagen, dass er eine sehr listige und zum Teil auch überzeugende Führung der politischen und militärischen Geschäfte der Sowjetunion durchführt. [...]

14. Dezember 1942: [...] Es kann keiner sagen, dass im Lande keine gute Stimmung wäre. Vor allem die Partei hat sich trotz der Schläge der vergangenen Wochen großartig herausgemacht und ist heute wiederum die Trägerin der gesamten inneren Haltung des Volkes. Ich bin mit dem Geist, der in dieser Versammlung herrscht, außerordentlich zufrieden. Es ist der alte Kampfgeist der nationalsozialistischen Bewegung, zu vergleichen dem, der in der zweiten Hälfte des Jahres 1932 in unseren Reihen herrschte. Man hat überhaupt den Eindruck, dass die Zeit von jetzt eine überraschende Ähnlichkeit mit jenen sechs Monaten kurz vor der Machtübernahme hat. [...]
Jüdische Rabbiner in London veranstalten eine große Protestversammlung unter dem Thema: »England erwache!« Es ist zum Schreien komisch, dass die Juden jetzt nach 15 Jahren gezwungen sind, uns unsere Parolen zu stehlen und mit derselben Parole die philosemitische Welt zum Kampf gegen uns aufzurufen, mit der wir einmal die antisemitische Welt zum Kampf gegen das Judentum aufgerufen haben. Aber es nützt den Juden alles nichts. Die jüdische Rasse hat diesen Krieg vorbereitet, sie ist der geistige Urheber des ganzen Unglücks, das über die Welt hereingebrochen ist. Das Judentum muss für sein Verbrechen bezahlen, so wie der Führer es damals in seiner Reichstagsrede (vom 30.1.1939) prophezeit hat: mit der Auslöschung der jüdischen Rasse in Europa und vielleicht in der ganzen Welt. [...]

17. Dezember 1942: [...] Zum ersten Male melden sich jetzt deutsche Gefangene aus russischer Gefangenschaft. Es sind etwa vier- bis sechshundert Postkarten aus russischen Gefangenenlagern im Reich angekommen, die ohne jede Propaganda sind. Trotzdem verfolgen die Bolschewisten offenbar mit dieser Taktik einen Propagandazweck. Sie sind zwar nicht der Genfer Konvention angeschlossen, aber sie wollen sich wohl jetzt als gesittete und zivilisierte Nation aufspielen und haben sicherlich die Absicht, durch zunächst unverfängliche Karten eine Verbindung dieser Gefangenen mit der Heimat herzustellen und dann die offene Propaganda nachfolgen zu lassen. Wir behandeln diese Frage außerordentlich delikat. Die Karten sind zwar den Angehörigen ausgeliefert worden, aber diese bekommen dazu auch ein erklärendes Begleitschreiben. In Zukunft sollen zwar die in solchen Karten enthaltenen Wünsche der Gefangenen von Reichs wegen erfüllt werden, aber die Karten selbst sollen nicht mehr den Angehörigen ausgeliefert werden. Man muss hier sehr vorsichtig verfahren, weil man sonst ein Einfallstor für die bolschewistische Propaganda in Deutschland eröffnet.

18. Dezember 1942: [...] Die Ostlage zwingt den Führer, entgegen seinen ursprünglichen Absichten im Hauptquartier zu bleiben. Die Entwicklung um Stalingrad gibt doch zu einigen Besorgnissen Anlass: vor allem ist sie nicht als so sicher anzusehen, dass der Führer sich aus dem Hauptquartier entfernen könnte. [...]

20. Dezember 1942: Die Lage bei Stalingrad gibt zu einigen Besorgnissen Anlass. Der Lufttransport klappt wegen der üblen Wetterlage nicht so, wie das wünschenswert wäre. Unsere Truppen haben nicht mehr ausreichend zu essen.

3. Januar 1943: Exposé über die totale Kriegsführung ist mir von den dafür zuständigen Stellen des Ministeriums nach meinen Anweisungen ausgearbeitet worden. Dies Expose soll die Grundlage unserer Besprechung am Montag sein. Es wird darin vorgeschlagen: Einführung des Frauenarbeitsdienstes, absolute Einstellung der Luxuswaren- und zum großen Teil auch der Gebrauchswarenindustrie, Schließung der Warenhäuser, Abschaffung von wenigstens 60 bis 70 Prozent unseres beaufsichtigenden Verkehrspersonals, restlose Überführung der nicht für den unbedingt notwendigen zivilen Bedarf tätigen Industrie in die Kriegsindustrie und ähnliche einschneidende und scharfe Maßnahmen. Es wird damit zwar das zivile Leben eine starke Beschneidung erfahren, aber das ist ja auch der Sinn der ganzen Aktion. Ich bin mir klar darüber, dass ich dabei eine Reihe von gröbsten Schwierigkeiten zu überwinden habe, aber sie machen nicht mutlos. Es handelt sich jetzt um eine so wichtige Veränderung unserer ganzen Kriegsauffassung, dass es sich schon lohnt, alle Kräfte daranzusetzen, hier zum Ziele zukommen. Ich schreibe einen neuen Leitartikel unter dem Thema "Der totale Krieg" in diesem Artikel reite ich eine sehr scharfe Attacke gegen den kleinen Kreis von Parasiten und Faulenzern, der immer noch nicht einsehen will, dass dieser Krieg um unser Leben geht und dass man deshalb ihm gegenüber auch eine entsprechende Haltung einnehmen muss.

5. Januar 1943: [...] Im Laufe des Nachmittags werden die Sowjets in ihrer Nachrichtenführung wieder außerordentlich keß und naßforsch. In der Tat ist bei Stalingrad die Lage etwas ernst geworden. Das Wetter ist nicht so, dass wir einschränkungslos Lufttransporte durchführen können. Die riesigen Verbände verschlingen natürlich viel an Munition und vor allem an Lebensmitteln. Das alles auf dem Luftwege heranzutransportieren, ist außerordentlich schwierig. Wir haben auch einige Verluste an Lufttransportmaschinen, und der ganze Transport reißt natürlich gewaltig in unsere Benzinvorräte. Die ganze Ostlage ist augenblicklich wieder ein riesiges Problem geworden. Zum Teil vertreten Fachleute sogar den Standpunkt, dass die Schwierigkeiten größer seien als im vergangenen Winter, was nach meinen sehr sachlichen Überprüfungen in keiner Weise der Fall ist. Man überschätzt natürlich sehr leicht die Schwierigkeiten, mit denen man am Tage selbst beschäftigt ist, während man die Schwierigkeiten der Vergangenheit etwas auf die leichtere Schulter nimmt. Wenn ich mir vorstelle, von welchen Sorgen wir im vergangenen Winter belastet waren und wieviel geringfügiger die Sorgen dieses Winters doch demgegenüber sind, so kann ich hier schon von einer grundlegenden Wandlung sprechen. [...]
Wir können ja auch den Krieg nicht auf beliebige Dauer ausdehnen. Irgendwann muss er ja einmal zu einem entscheidenden Erfolg führen, und ich bin heute fest davon überzeugt, dass, wenn wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, wir die Sowjetunion im kommenden Sommer niederschlagen können. Sind wir aber einmal im Osten zu einem entscheidenden Erfolg gekommen, dann ist die weitere Fortsetzung des Krieges kein grundlegendes Problem mehr.[...]

7. Januar 1943: Das allgemeine Bild ist sehr trübselig, und wir müssen uns darauf gefasst machen, dass wir noch einige Wochen vor uns haben, die im großen und ganzen den Ereignissen des vergangenen Winters gleichkommen werden. Unsere Verstärkungen sind zwar im Anrollen, aber es wird eine gewisse Zeit dauern, bis sie wirklich im Osten zum Einsatz kommen können. Auf der anderen Seite entsteht dadurch auch die Gefahr, dass wir den Westen entblößen, was zwar für den Augenblick nicht beängstigend ist, aber, sobald der Frühling kommt, doch eine gewisse Sorge bereiten muss. Es fehlt eben an Mannschaften hin und her. Man mag die Decke drehen und wenden, sooft man will, einmal werden die Füße und einmal wird die Nase kalt. (...)
Die Lage in Stalingrad wird geradezu katastrophal geschildert. Allerdings muss man den Verfassern dieser Schilderungen zugutehalten, dass die Dinge in Stalingrad tatsächlich alles andere als erfreulich sind. Denn schließlich und endlich sind hier rund 240.000 Mann eingeschlossen, und es bereitet die denkbar größten Schwierigkeiten, sie mit der notwendigsten Munition und den notwendigsten Lebensmitteln zu versorgen. Die Rationen, auf die unsere Soldaten dort gesetzt sind. sind außerordentlich klein. Sie sind zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel. Man kann sich vorstellen, dass das auf die Dauer auch außerordentlich drückend auf die Stimmung wirken wird. Gespanne gibt es kaum noch, weil die Pferde geschlachtet und verzehrt worden sind. Zum Heizen hat man auch kein Material mehr: die letzten Eisenbahnschwellen sind mittlerweile schon verfeuert worden. Ersatz kann man nicht heranschaffen, weil die nächste deutsche Kampfgruppe etwa 120 bis 150 km von Stalingrad entfernt ist. Das drückt natürlich auf die allgemeine Heeresführung sehr stark. Aber der Führer verfolgt hier eine Kriegführung, die genau der im vergangenen Jahr entspricht, nämlich nichts aufzugeben, was nicht unter dem Zwang der Waffen aufgegeben werden muss. Die Bolschewisten haben in ähnlichen Situationen gleichfalls so gehandelt und damit ihre heutigen Erfolge erzielt. [...]
Selbstverständlich haben wir auch ein Herz für unsere Soldaten und Offiziere in Stalingrad. Niemand bedauert ihre Lage mehr als der Führer. Aber andererseits müssen wir uns darüber klar sein, dass das Unglück, das über die Nation hereinbrechen würde. wenn wir hier nachgäben, ungleich viel schwerer sein würde als das Unglück, das unsere dort eingeschlossenen Truppen betrifft. [...]
Wesentlich erscheint den Herren im OKH (Oberkommando des Heeres) die Änderung der Politik im Osten. Der Führer hat sich dazu noch nicht herbeilassen wollen. Man behauptet unter den OKH-Offizieren, dass man durch eine etwas mildere Behandlung der Ostvölker diese zum Teil auf unsere Seite bringen würde. Ich weiß nicht, ob das den Tatsachen entspricht; denn erfahrungsgemäß verlangen Völker in besetzten Gebieten, wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, die ganze Hand und sind keineswegs mit dem kleinen Finger zufrieden. Das ist eine politische Erfahrung, die man immer wieder gemacht hat und die sich auch bei der Frankreichpolitik als richtig herausgestellt hat. Darauf antworten die Vertreter einer gegenteiligen Politik, dass man Frankreich gegenüber nicht weit genug gegangen sei. Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass man zu weit gegangen ist. Ich halte dafür, dass der Schlüssel zur Lösung der ganzen Lage nur die Einführung der totalen Kriegführung ist. Es stehen uns genügend Mannschaften zur Verfügung, wenn wir sie nur aus dem Volk in der Heimat ausschöpfen. Hier bleibt uns noch so viel zu tun übrig, dass man gar nicht weiß, wo man überhaupt anfangen soll. Wir müssten mit harten Strafen gegen die Saboteure einer totalen Kriegführung vorgehen und uns nicht mehr auf Ermahnungen beschränken, sondern Gesetze und Verordnungen herausgeben. [...]
Die totale Kriegführung hätte vor anderthalb Jahren schon eingeführt werden müssen. Damals aber haben wir aus der furchtbaren Krise des Winters leider nicht die nötigen harten Konsequenzen gezogen, und als zum ersten Mal wieder die Sonne schien, erwachten wieder die Geister eines gefährlichen Illusionismus und gaben sich Hoffnungen hin. die sich nach Lage der Dinge leider nicht erfüllen konnten. [...]

9. Januar 1943: [...] (Goebbels bespricht seine Thesen zum "totalen Krieg".) Im großen und ganzen sind alle Herren mit meinen Vorschlägen einverstanden. Anwesend sind außer Keitel noch Lammers, Bormann, Funk, Sauckel und Speer. Vor allem Speer unterstützt mein Programm sehr stark und intensiv. Leider macht Sauckel aus reiner Ressorteitelkeit Schwierigkeiten, weil er glaubt, er würde mit seinen Vollmachten allein fertig. Er stellt die absurde Behauptung auf, dass Arbeitskräfte genügend zur Verfügung ständen, dass sie aber nicht angefordert würden. Ich kann ihm diese Behauptung mit Leichtigkeit widerlegen. Funk ist auch damit einverstanden, die zivile Wirtschaft radikal einzuschränken zugunsten der Front. Die Auseinandersetzungen bewegen sich lange Zeit nur um die Einsprüche, die Sauckel glaubt erheben zu müssen. Aber es gelingt uns mit vielem Hin und Her doch, auch ihn zu überzeugen, dass jetzt etwas Demonstratives getan werden muss und dass es nicht mehr mit halben Maßnahmen gelingt, zu einem entscheidenden Erfolg zu kommen. Auch muss das Volk durch demonstrative Maßnahmen auf die radikale und totale Kriegführung aufmerksam gemacht und hingewiesen werden, da auch die psychologische Dissonanz zwischen der Front und der Heimat nicht weiter erträglich erscheint. Ich bedauere sehr, dass Sauckel aus den eben erwähnten durchsichtigen Gründen sich in albernen Einwänden ergeht, die gar keine Substanz besitzen. Bormann unterstützt meine Forderungen sehr energisch und wird ihnen, wie er mir versichert, auch die nötige Rückendeckung beim Führer geben. [...]

10. Januar 1943: [...] Auch bezüglich der Politik den besetzten Ostgebieten gegenüber wird man jetzt, von seiten des Militärs vor allem, außerordentlich aktiv. Der Generalstab des Heeres hat eine Denkschrift ausgearbeitet, die in stichwortartiger Zusammenfassung die Probleme des Ostens zur Darstellung bringt. Diese Denkschrift soll in den nächsten Tagen dem Führer vorgelegt werden. Sie hat ungefähr folgenden Inhalt: Widerstandswille der Roten Armee ungebrochen. Verstärkte Kraftentfaltung der Sowjets unter der Parole des nationalen Krieges. Stimmung der bisher deutschfreundlichen Bevölkerungsteile verschlechtert sich zusehends. Bandengebiete breiten sich weiter aus und greifen auch nach den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine über. [...] Verstärkte Bandentätigkeit und schwerwiegende Fehler in der Behandlung der Bevölkerung beeinträchtigen das deutsche Ansehen fühlbar. [...]

14. Januar 1943: Die Lage in Stalingrad ist natürlich weiterhin außerordentlich besorgniserregend. Alles hängt vom Wetter ab. Ist das Flugwetter halbwegs günstig, so können wir unsere dortigen Truppen halbwegs verpflegen und ausstatten. Bricht Schnee- und Nebelwetter ein, so ist das aus. Die eingeschlossenen Truppen sind auf denkbar geringste Rationen gesetzt: zum Teil erhalten sie am Tage 50 Gramm Brot und ernähren sich sonst nur von den letzten Resten ihres Pferdebestandes. Wenn man sich vorstellt, dass unsere Befreiungsarmee noch eine ganze Reihe von Wochen auf sich warten lassen wird, dann kann man sich von der Gespanntheit der dortigen Lage ein sehr klares Bild machen. [...] Kurz und gut, wir sind mitten in einer Winterkrise im Osten, die zwar nicht ganz so bedrohlich ist wie die im vergangenen Winter, aber doch ihre außerordentlich ernsten Vorzeichen hat. Sie äußert sich in ganz anderer Form als im letzten Winter. Im letzten Winter sickerten die Bolschewisten zwar durch unsere Fronten, aber sie hatten doch nicht das dazu gehörende untere Führerpersonal, um zu operativen Umschließungen zu schreiten. Das ist in diesem Winter an verschiedenen Stellen doch der Fall. Wir müssen also alle Kräfte anstrengen, um die erlittenen Nackenschläge wieder zu überwinden.

16. Januar 1943: Bei Stalingrad wird weiter außerordentlich hart gekämpft. Die Lage dort ist sehr ernst. Laut Lagemeldung ist die Truppe physisch am Ende. Es fehlt an Munition, und die Lebensmittelvorräte sind außerordentlich zusammengeschrumpft [...]

21. Januar 1943: [...] Für den 30. Januar reiche ich dem Führer ein Ausweichprogramm ein. Es ist augenblicklich nicht die Zeit, rauschende Feste zu feiern, auch nicht in kriegsgemäßem Rahmen: Wir müssen uns auf einige Proklamationen beschränken. In der Hauptsache denke ich daran, dass der Führer selbst eine Proklamation erlässt, die ich, wenn er nicht nach Berlin kommen kann, im Sportpalast verlesen soll. Der Führer zeigt sich im großen und ganzen meinen Vorschlägen geneigt und will sie im einzelnen noch durchprüfen. [...]
Das große Thema ist natürlich Stalingrad. Wir müssen uns allmählich mit dem Gedanken vertraut machen, das deutsche Volk über die dortige Situation zu unterrichten, Das hätte eigentlich schon längst geschehen können, aber bisher war der Führer immer noch dagegen. Schließlich und endlich aber können wir die Dinge nicht so weit treiben lassen, dass wir dem deutschen Volke erst sagen, wenn alles vorbei ist. In Stalingrad sind nahezu eine Viertelmillion Menschen eingeschlossen: Wenn man diesen Verlust in Vergleich setzt zu den bisherigen Verlusten im Osten überhaupt, dann wird man sich darüber klar, was das bedeutet. [...]
Es spielen sich in Stalingrad menschliche Tragödien von fast sagenhaftem Charakter ab. Was unsere Soldaten und Offiziere dort zu leisten haben, übersteigt alle menschliche Vorstelllungskraft. Sicherlich wird die dortige Lage dem deutschen Volke bald bekanntwerden. Zum großen Teil ist sie ihm schon bekannt. Ich halte es deshalb für richtig, nun auch unsererseits mit der Wahrheit herauszurücken, um für die Aufnahme der schrecklichen Nachricht auch die nötige moralische Stütze bereitzuhalten. Für uns muss Stalingrad das werden, was für den spanischen Freiheitskampf Alcazar (1936 im Bürgerkrieg heftig umkämpfte und zerstörte Festung) gewesen ist: ein Heldenlied deutschen Soldatentums, wie es ergreifender und tragischer überhaupt nicht erdacht werden kann. Ich glaube, dass es uns gelingen wird, das deutsche Volk mit einer solchen Darstellung des Falles Stalingrad nur noch enger an das Regime und an die Aufgaben der Zeit anzuschließen. Im Zusammenhang mit der Totalisierung der Kriegführung wird es überhaupt nötig sein, das deutsche Volk innerlich und äußerlich zu härten. Der Krieg ist in ein Stadium eingetreten, in dem es uns nicht mehr erlaubt ist, an den Dingen vorbeizureden. Wir müssen mit hartem Tatsachensinn der Entwicklung in die wenn auch erbarmungslosen Augen hineinschauen. Je klarer wir uns über die Situation sind, desto festere Entschlüsse werden wir daraus ziehen, und je fester unsere Entschlüsse sind, desto größer werden einmal unsere Erfolge werden.

23. Januar 1943: [...] Der Führer schildert mir die Lage in Stalingrad, die geradezu verzweifelt ist. [...] Es spielt sich dort ein Heldendrama der deutschen Geschichte ab, wie es in dieser tragischen und erschütternden Form bisher noch nicht dagewesen ist. Der Führer erklärt mir die ganze Entwicklung an der Ostfront. Die heutige, so außerordentlich kritisch zugespitzte Lage ist in der Hauptsache durch das vollkommene Versagen unserer Bundesgenossen entstanden. Sie haben einfach nicht kämpfen wollen und beim ersten Vorrücken der Russen, sobald sie eines Panzers ansichtig wurden, entweder die Waffen liegenlassen und sind abgehauen, oder sie haben die Hände erhoben. Von Kampfentschlossenheit ist in keiner Weise die Rede gewesen. Die Ungarn haben neben den Rumänen immer nur an ihre spätere territoriale Auseinandersetzung gedacht, und umgekehrt ebenso. Die Italiener haben sich genauso benommen wie in Nordafrika. Wenn man überhaupt eine Liste der militärischen Tüchtigkeit anlegen wollte, so könnte man nur sagen: Schlecht sind die Rumänen, noch schlechter sind die Italiener, und am allerschlechtesten, unter jeder Kritik, sind die Ungarn. Sie haben z. B. die Ausrüstung einer ganzen Panzerdivision einfach im Stich gelassen und sind abgehauen, ja zum Teil haben sie sogar die Leerzüge, die Verwundete in die Heimat bringen sollten, gestürmt, um damit die Reise nach Budapest anzutreten: sie konnten nur mit der blanken Waffe davon abgehalten werden, eine Panik hervorzurufen. [...]
Ich fange im Zusammenhang mit der Lage an der Ostfront gleich an, meine Gedanken vorzutragen, und zwar habe ich mir vorgenommen, nicht hinter dem Berge zu halten, sondern in großen Zügen alles das zu sagen, was ich nun seit Wochen und Monaten durchgegrübelt und durchgesprochen habe und dessen Erkenntnisse mir so klar wie überhaupt nur etwas vor Augen stehen. Ich sehe schon beim ersten Anlauf, dass ich beim Führer das leichteste Spiel haben werde. Er hat sich innerlich auch schon sehr stark mit diesen Gedanken beschäftigt und macht mir keine Schwierigkeiten, sondern radikalisiert meine Ansichten in einer für mich geradezu beglückenden Art und Weise. Wir dürfen jetzt gar keine Rücksicht mehr auf die Heimat nehmen. Die Heimat hat kein Recht, im Frieden zu leben, wenn die Front ungeheure Lasten und Gefahren auf sich nehmen muss. Sie muss in einem Umfange aktiviert werden, von dem wir im Augenblick überhaupt noch keine Vorstellung haben. [...]
(Goebbels liest einige Briefe), die mit dem letzten Kurierflugzeug aus Stalingrad gekommen und erst drei bis vier Tage alt sind. Sie sind erschütternd in Diktion und Inhalt. Einfache Leute schreiben hier nach Hause Abschiedsbriefe, die in der Gesamtheit gesehen ein einziges Heldenlied darstellen. Wenn man sich vorstellt, in welcher Situation sich diese Leute augenblicklich befinden, wie lange sie kaum noch etwas gegessen haben - eine Division beispielsweise hat seit vier Tagen überhaupt keine Verpflegung bekommen, dann findet man ihre Haltung umso bewundernswerter. Man kann nur mit tiefster Erschütterung an ihr Schicksal denken. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sie zu retten, so würde ich gern dafür fünf oder auch zehn Jahre meines Lebens, wenn nicht das ganze Leben hinopfern. Aber es gibt sie nicht. Der Führer hat darüber, wie er mir sagt, tage- und nächtelang nachgegrübelt. [...]
Der Führer beklagt sich auch sehr bitter bei mir darüber, dass die Luftwaffe die von ihr gemachten Versprechungen in keiner Weise eingehalten hat. Erst jetzt, da Milch die Organisation des Luftwaffentransports nach Stalingrad in die Hand genommen hat, klappt sie etwas besser. Aber sie reicht natürlich in keiner Weise aus. Das, was in Stalingrad tatsächlich ankommt, ist zum Leben viel zuwenig und zum Sterben kaum zuviel. Wir müssen uns also wahrscheinlich mit der bitteren Tatsache abfinden, dass die 22 Divisionen in Stalingrad als verloren gelten müssen. (...)
Mitten in der Unterredung kommt ein Telefonat von Zeitzler über die weitere Entwicklung der Lage in Stalingrad. Es ist sehr ernst. Die Bolschewisten sind sechs Kilometer in die deutschen Linien eingebrochen. Unsere Truppen sind nicht mehr widerstandsfähig: sie sind physisch durch Hunger und Kälte so herunter, dass sie zu keinen Kampfleistungen mehr fähig sind. Der Führer ist durch diese Nachrichten auf das tiefste erschüttert. Er hatte immer noch gehofft, dass es vielleicht doch gelingen werde, eine gewisse Kampfgruppe in Stalingrad zu halten und später sogar zu entsetzen [...]
Das alles gibt für mich um so mehr Anlass, nun in voller Rücksichtslosigkeit mein Programm zum Vortrag zu bringen. Ich wiederhole alle die Gedanken und Vorschläge, die ich in diesen Blättern so oft als mein Programm niedergelegt habe. Ich bezeichne das zusammenfassend als ein Reorganisationsprogramm der Heimat, das unter der Überschrift: »Totale Kriegführung« steht.
Es beinhaltet die Frauenarbeitspflicht, die Auflösung aller nicht kriegswichtigen oder kriegsnotwendigen Institute und Unternehmungen und die restlose Einstellung der ganzen Heimatorganisation des zivilen Lebens auf die Bedingnisse des Krieges selbst. Der Führer genehmigt von vornherein alles das. was ich ihm vortrage. Ich finde keinerlei Schwierigkeiten bei ihm: im Gegenteil, er geht in manchen Punkten noch weiter, als ich vorgeschlagen habe. [...] Ich verspreche ihm, den Versuch zu machen, etwa eineinhalb bis zwei Millionen Soldaten bis zum kommenden Sommer freizustellen. Dass das natürlich einen umfassenden Umschichtungsprozess in der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Voraussetzung hat, ist klar: aber das lässt sich nicht vermeiden und ist mit einigem Willen durchzuführen. [...]
Sehr bitter äußert sich der Führer über Frick, der in keiner Weise der Verwaltung und der inneren Organisation des Landes gewachsen ist. Auch Göring gegenüber hat er in der Frage der Totalität der Kriegführung kein besonders großes Vertrauen. Wir haben also jetzt freies Feld. Der Führer lässt uns die Zügel locker. [...] Die ganze Unterredung mit dem Führer verläuft äußerst dramatisch, weil alle Augenblicke eine Nachricht von Stalingrad kommt, die meiner Darstellung das nötige Tempo und die nötige Härte gibt. [...] Ich dringe deshalb auch darauf, dass der Führer nun endlich seine Zustimmung zu einer offeneren und wahrheitsliebenderen Nachrichtenpolitik gibt. Es gelingt mir, ihn in diesem Punkte vollkommen umzustimmen. Er will, sobald die Dinge in Stalingrad als verloren aufgegeben werden müssen, mit der vollen Wahrheit herausrücken und das deutsche Volk zu einer achttägigen Trauer- und Stolzkundgebung aufrufen. In diesen acht Tagen müssen Theater und Kinos geschlossen werden und die ganze Nation sich zu einer einheitlichen Kraftanstrengung aufraffen.
Ich bin überzeugt, dass, wenn wir diesen Appell an die Nation richten, sie ihm in vollem Umfange nachkommen wird. Ich schlage deshalb dem Führer auch vor, den 30. Januar in verkleinertem Rahmen vor sich gehen zu lassen. Das deutsche Volk und insbesondere die Front würden es gar nicht verstehen können, dass wir jetzt in der Heimat Feste feiern, während in Stalingrad 220.000 Menschen verhungern. Der Führer stimmt meinem Ausweichprogramm zu. Es wird also ungefähr so verlaufen, dass nur Göring zur Wehrmacht spricht, der Führer eine Proklamation an das deutsche Volk richtet, die ich in einer Massenkundgebung im Sportpalast verlesen werde. Diese Proklamation wird das Härteste vom Harten darstellen. Es wird in ihr keine Rücksicht auf Sentimentalitäten genommen, sondern es werden in ihr die Forderungen aufgestellt, die die Lage gebietet. Die Partei wird diese Forderungen verstehen und sich in ihrer Durchsetzung beim ganzen Volke zur ehernen Spitze am bleiernen Keil machen. [...]
Ein junger Major, der als letzter auf Befehl des Führers mit dem Flugzeug aus Stalingrad kam, hält beim Führer und dann auch bei mir Vortrag. Seine Darstellung von der Lage in Stalingrad ist erschütternd. Die Truppen haben nichts mehr zu essen, nichts mehr zu schießen und nichts mehr zu feuern. Reihenweise sitzen sie in den Bunkern, verhungern und erfrieren. Ein Bild von wahrhaft antiker Größe. Die Worte fehlen, dieses Heldendrama zu schildern. In Stalingrad selbst hilft man sich mit dem Vergleich, dass das Nibelungenlied in den Schatten gestellt sei. Es ist in der Tat so. Der junge Major, der mir Vortrag hält, ist vollkommen abgemagert: die Augen sind ganz in die Höhlen zurückgetreten: er spricht fahrig und nervös, aber durchaus sachlich. Die Stimmung der Truppe schildert er als über jedes Lob erhaben. Man kann nur den Heldenmut bewundern, mit dem diese einfachen Menschen sich für die Sache des Reiches einsetzen. In ihren Briefen nehmen sie Abschied von ihren Angehörigen und sehen dann stumm, aber bis zur letzten Patrone kämpfend, dem Tod ins Auge. Durch die ganzen Truppenkontingente geht die Frage: »Wem gebührt die letzte Kugel, dem Russen oder mir?« In Gefangenschaft begibt sich kaum einer. Die Truppen sind so geschwächt, dass sie nicht einmal mehr die tatsächlich noch herankommende Munition und Verpflegung nach vorn bringen können. Benzin ist nicht mehr vorhanden, die Pferde sind verzehrt. Die ganze Truppe hat sich in das Innere Stalingrads zurückgezogen und kämpft, solange es überhaupt nur geht. Welch ein Heroismus offenbart sich hier, und welch eine harte und blutige Lehre für uns, die gar nicht überhört werden darf!
Wenn ich jetzt noch Furcht vor Dingen oder Menschen hätte, so würde ich mich vor mir selber schämen müssen. Das kommt auch gar nicht mehr in Frage. Ich werde jetzt stur und eigensinnig meinen Weg gehen, wo ich nur kann, und das fordern bzw. anordnen, was notwendig ist. Ich bin glücklich in dem Gedanken, mich vor diesem Frontoffizier aus Stalingrad nicht schämen zu müssen. Ich meinerseits habe all das getan, was ich tun konnte, und ich werde jetzt - was ich bisher vielleicht hier und da versäumte - auch dafür sorgen, dass mein Programm zum Allgemeingut des Staates, der Partei und vor allem des deutschen Volkes wird. [...]
Der Führer ist mit mir der Meinung, dass man die Judenfrage in Berlin schnellstmöglich lösen muss. Solange sich in Berlin noch Juden befinden, können wir von einer inneren Sicherheit nicht sprechen. Auch aus Wien müssen die Juden so schnell wie möglich heraus. Wir sind uns natürlich alle klar darüber, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen von entscheidender Bedeutung sind. Wir müssen jetzt etwas tun, um zu einer Wendung des Krieges zu kommen. Wir wissen alle, dass, wenn Deutschland den Krieg verlöre, Europa bolschewistisch würde und das Reich selbstverständlich auch verloren wäre. Man legt sich jetzt vor allem im Hinblick auf die Zehnjahresfeier am 30. Januar die Frage vor, was aus Deutschland geworden wäre, wenn der Nationalsozialismus nicht gekommen wäre. Angenommen, ein bürgerliches Deutschland, sagen wir unter Brüning oder Papen, wäre mit einer 100.000-Mann-Reichswehr der bolschewistischen Militärmaschine entgegengetreten - es wäre in einem Blitzkrieg überrannt worden: es hätte kaum noch Widerstand geleistet, und über Europa wehte heute die rote Fahne mit Hammer und Sichel. Auch damals standen unsere Chancen 50:50. Im November und Dezember 1932 wusste man durchaus nicht, dass der Nationalsozialismus siegen würde. Der Kommunismus hatte ebensoviel Chancen. Nur weil wir uns durchgesetzt haben und an unseren Sieg glaubten, ist die entscheidende Wendung gekommen. (Anm.: Was für ein Schwachsinn, die KPD redete zwar immer von der "Revolution", hatte aber keinerlei Chancen - die NSDAP besaß nicht nur mehr als doppelt so viele Anhänger, sondern hatte auch die herrschenden Kreise, Großunternehmungen, Schwerindustrie, Militär, hinter sich) Ich führe dafür eine ganze Reihe von Beispielen an, die dem Führer außerordentlich gefallen. Er wird sie in seinen nächsten Aussprachen, vor allem mit der Generalität, in Gebrauch nehmen. Jedenfalls müssen wir heute davon überzeugt sein, dass wir die letzte Rettung Europas sind. Wenn wir den Bolschewismus nicht aufhalten, wer sollte ihn dann noch aufhalten können? [...]

28. Januar 1943: Das sensationelle Ereignis dieses Tages ist die Zusammenkunft zwischen Churchill und Roosevelt in Casablanca. Die Besprechungen haben also nicht, wie wir angenommen hatten, in Washington, sondern auf dem heißen Boden Afrikas stattgefunden. Unser Nachrichtendienst hat wieder einmal vollkommen versagt und nicht einmal den Ort der Besprechungen feststellen können. Diese haben fast vierzehn Tage gedauert und werden von der Feindpresse pompös als Pforte zum Siege aufgemacht. [...]
Stalin glänzte durch Abwesenheit. Er hatte nicht einmal einen Vertreter geschickt, was im Kommuniqué bitterlich bedauert wird. Stalin hat erklären lassen, er sei nicht abkömmlich, da er die jetzige Offensive führen müsse. In Wirklichkeit denkt Stalin wahrscheinlich nicht daran, sich in die angelsächsischen Packeleien einzumischen. Er glaubt wahrscheinlich, auf eigene Faust und mit eigenen Mitteln mit Europa fertig werden zu können. Das drückt sehr auf die englische und auch auf die amerikanische öffentliche Meinung. [...]
Ich bespreche mit Oberst von Wedel die Behandlung der kommenden Abschlussmeldung über Stalingrad. Wir müssen diese Frage vor der deutschen Öffentlichkeit außerordentlich vorsichtig behandeln. Vor allem muss dabei eine Sprache geführt werden, die dem geschichtlichen Gewicht dieses heroischen Kampfes gerecht wird. Wir müssen uns darüber klar sein, dass noch in Jahrhunderten die Nachricht von der Liquidierung Stalingrads als Beispiel in der Geschichte verzeichnet stehen wird. Ich schlage für die daraus entstehende Schockwirkung eine Reihe von Abstützungsversuchen vor, die zweifellos zu einem gewissen Ergebnis führen werden. Es ist klar, dass die Frage Stalingrad im deutschen Volke heiß diskutiert wird und dass wir starke auch psychologische Schwierigkeiten zu überwinden haben, um diesen Fall klarzumachen. Was am meisten bedrückt, ist, dass, wahrscheinlich von den Offizieren des OKH ausgehend, Gerüchte verbreitet werden, die die Führungsautorität des Führers zu unterminieren geeignet sind. Ich werde alles daransetzen, um mich der üblen Wirkung dieser Gerüchte entgegenzustemmen. [...]

1. Februar 1943: Die Lage im Südteil Stalingrads ist geradezu verzweifelt geworden. Wenn man sich vorstellt, dass jetzt die Verwundeten und Kranken schon keine Nahrung mehr bekommen, dann kann man daran den Grad der menschlichen Katastrophe, die sich dort abspielt, ermessen. Wir geben den Südteil nun gänzlich auf. Von Paulus, der übrigens noch zum Generalfeldmarschall befördert worden ist, kommt als Letztes die Nachricht, dass die Russen vor den Türen stehen und dass er nunmehr seine Übermittlungsapparatur zerstören müsse. [...]
Wir stellen uns die Frage, ob Generalfeldmarschall Paulus überhaupt noch lebt. Es bleibt für ihn ja nach Lage der Dinge nichts anderes als ein ehrlicher Soldatentod übrig. Das Schicksal hat ihn in eine Situation hineingestellt, in der er, zumal da schon so viele seiner Leute gefallen sind, auf fünfzehn oder zwanzig Jahre seines Lebens verzichten muss, um seinen Namen auf Jahrtausende lebendig zu erhalten. Man kann wohl der Befürchtung Ausdruck geben, dass damit die Kämpfe in Stalingrad sich ihrem Ende zuneigen. Man vermag sich nicht vorzustellen, wie sich unsere Truppen dort noch auf längere Zeit halten könnten. [...] Neben Paulus hat der Führer noch Weichs, Busch und Kleist zu Generalfeldmarschällen ernannt. Sie haben sich bei den Abwehrschlachten dieses Winters ein überragendes Verdienst erworben. Der Nordteil in Stalingrad hält sich noch. Es entsteht nur die Frage, auf wie lange.
In London wie in Washington kann man sich doch dem Eindruck der großen politischen Reden und Proklamationen vom 30. Januar nicht entziehen. Die Rede Görings wird etwas belächelt. Das liegt wohl in der Hauptsache daran, dass er seine Kundgebung um eine Stunde wegen ein paar englischer »Mosquito«-Flugzeuge verschoben hat. Die englische Presse wirft ihm nun vor, dass er einmal erklärt habe, er wolle Meier heißen, wenn je ein englisches Flugzeug über Berlin erscheine, und jetzt seine eigene Rede wegen ein paar englischer Flugzeuge aufschieben müsse. Aber das ist eine sehr kurzsichtige und alberne Kritik der Engländer, die von uns nicht ernst genommen zu werden braucht. Im Übrigen versteifen sich die Engländer auf diesen einen Umstand der Kundgebungen vom 30. Januar, um nicht in eine für sie peinliche Auseinandersetzung über die Gefahr des Bolschewismus hineinzugeraten. Meine Rede wird als außerordentlich vertrauensvoll dargestellt. Man gibt zu, dass die Stimmung im Sportpalast eine derartige gewesen ist, dass man vorläufig keine Hoffnung hegen könne, das deutsche Volk bräche über kurz oder lang zusammen. Das war auch der Sinn der Übung. Die Berliner haben im Sportpalast durchaus politisch gehandelt und sich um die Interessen des Reiches in der gegenwärtigen Lage ein großes Verdienst erworben. Wenn sie stumm und steif auf ihren Plätzen sitzen geblieben wären, dann hätten die Engländer zweifellos daraus gefolgert, dass in Deutschland eine defaitistische Stimmung herrsche und die Möglichkeit eines moralischen Zusammenbruchs doch über kurz oder lang gegeben sein könnte.
Aus der Führerproklamation lesen die Engländer angeblich Angst. Das aber tun sie auch, um nicht auf das Hauptthema zu sprechen kommen zu müssen. Die Kommentare in London sind außerordentlich lang, bewegen sich aber doch immer um denselben Punkt. Sie sind frech und überheblich gehalten. Die Engländer reden jetzt dumm und hochnäsig und verfahren dabei meiner Ansicht nach außerordentlich kurzsichtig. Sie machen ihr eigenes Volk nicht auf den Zuwachs an Potential aufmerksam, den wir zweifellos durch die Einführung totalerer Kriegsmethoden im Reich erreichen werden. Nur vereinzelt erklären englische Blätter, dass ein übertriebener Optimismus im Augenblick noch durchaus unangebracht sei: das Reich verfüge noch über so große Hilfsquellen, dass man sich auf einen langen Krieg gefasst machen müsse. [...]

2. Februar 1943: Aus Moskau kommt die deprimierende Nachricht, dass Paulus und vierzehn seiner Generäle in bolschewistische Gefangenschaft geraten seien. Diese Nachricht ist alles andere als beglückend. Man kann sich vorstellen, welche psychologischen Folgen sie haben wird, wenn sie den Tatsachen entspricht. Vorläufig kann man das noch nicht feststellen. [...] In London bricht man geradezu in ein Hohngeschrei aus. Der Südkessel ist jetzt von den Sowjets gänzlich ausgeräumt worden. Wäre Paulus dabei wirklich in Gefangenschaft geraten, so stellte das für uns im Hinblick auf die außerordentlich schweren Opfer, die wir an Mannschaften und Offizieren haben, einen kaum wiedergutzumachenden Prestigeverlust dar. Man mag der Meinung Ausdruck geben, dass es leicht ist, von Berlin aus eine solche Sache nach dem ungeschriebenen nationalen Ehrenkodex zu beurteilen; aber immerhin muss hier mit in Betracht gezogen werden, dass der Befehlshaber in Stalingrad die Wahl hatte, entweder 15 oder 20 Jahre länger zu leben oder ein mehrtausendjähriges ewiges Leben in unverwelklichem Ruhm zu gewinnen. Diese Wahl kann meiner Ansicht nach nicht schwergefallen sein. [...]
Die Bolschewisten erklären jetzt, dass die ganze Katastrophe von Stalingrad nur auf die Starrköpfigkeit des Führers zurückzuführen sei. Entgegen den Ratschlägen seiner Generäle habe er an seinem Entschluss festgehalten, die Position in Stalingrad zu halten und keinen Rückzug anzutreten. Die Zahl der in Stalingrad vernichteten Truppen wird jetzt von den Bolschewisten künstlich auf 330.000 Mann heraufgeschraubt. Die Bolschewisten bringen auch ein Kommuniqué über die dort gemachte Beute. Auch dies Kommuniqué ist wahnsinnig übertrieben. Aber das wäre alles nicht so schlimm, wenn wir aus dieser Katastrophe wenigstens mit einem moralischen Erfolg herauskommen. Dieser allerdings wäre sehr gefährdet, wenn Paulus lebend in bolschewistische Hände geraten wäre. Ich möchte darüber noch kein endgültiges Urteil abgeben, bevor nicht nähere Nachrichten vorliegen. Es kann sich um eine Tatsache handeln, die außerordentlich zu bedauern wäre, es kann sich aber auch um ein sowjetisches Bluffmanöver handeln, das jedoch sehr bald schon aufgedeckt werden würde. Wir müssen abwarten, wie die Sowjets weiter prozedieren. Unter Umständen kann das einige Tage dauern: denn ob sie Paulus haben oder nicht, es liegt in ihrem Interesse - da sie wissen, dass wir den wahren Sachverhalt nicht wissen können -, uns noch etwas zappeln zu lassen. Auch der Führer teilt meine Meinung über den Fall Paulus, wenn er wirklich sich so verhielte, wie die Sowjets ihn darstellen. Aber so weit wollen wir im Augenblick noch nicht gehen. Unter Umständen tun wir dem Generalfeldmarschall schwerstes Unrecht. Man muss abwarten, wie die Dinge sich tatsächlich gestaltet haben. Dann erst kann man ein Urteil abgeben. Im Übrigen kämpft die Nordgruppe in Stalingrad immer noch mit verbissener Wut. Die Sowjets werden noch einige Schwierigkeiten zu überwinden haben, sie zu überrennen. Aber an dem endgültigen Schicksal ist wohl kaum noch etwas zu ändern.

4. Februar 1943: Wir sind nunmehr gezwungen, die Aufgabe Stalingrads dem deutschen Volke mitzuteilen. Das ist ein sehr bitterer, aber notwendiger Entschluss. Wir bringen die Nachricht als Sondermeldung nachmittags gegen 4 Uhr im Rundfunknachrichtendienst und machen sie mit einem entsprechenden heroischen Zeremoniell auf. Ich stimme alle Einzelheiten mit dem Führer persönlich ab, der sich meinen Vorschlägen im ganzen anschließt. Bei Gelegenheit der Bekanntgabe der Aufgabe von Stalingrad erlasse ich eine Kundmachung, nach der für das ganze Reichsgebiet bis einschließlich Sonnabend sämtliche Theater, Kinos und Vergnügungsstätten geschlossen werden. Ich glaube, dass diese Maßnahme den Empfindungen des Volkes entspricht.
Das Volk ist jetzt sehr ernst und gehalten und erwartet von der Führung in dieser schweren Stunde ein Wort des Trostes und der Aufrichtung, aber auch der Stärkung der Gemüter. Unsere Meldung trägt diesen Gefühlen in jeder Weise Rechnung. Sie ist ernst, sachlich, nüchtern, unpathetisch, aber auch ohne jede Kälte. Man merkt ihr die tiefe geschichtliche Verpflichtung an, die hinter dem ganzen Drama von Stalingrad steht. Es ist immer noch die Frage, ob Generalfeldmarschall Paulus noch lebt oder ob er freiwillig in den Tod gegangen ist. Die Bolschewisten beharren darauf, dass er sich in ihrer Hand befinde, und ich glaube, es besteht kaum ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Meldung. So fest und bestimmt würden selbst die Sowjets das nicht behaupten, wenn sie Paulus nicht tatsächlich in ihren Händen hätten. Diese Tatsache stellt für das Heer eine schwere moralische Einbuße dar. Man vermag im Augenblick noch nicht zu übersehen, zu welchen Weiterungen in psychologischer Hinsicht das führen wird.
Die Sowjets prahlen mit einer Riesenbeute, die sie angeblich in Stalingrad gemacht haben. Es wird ihnen sehr viel in die Hände gefallen sein, aber das meiste haben unsere Soldaten sicherlich rechtzeitig zerstört. Die Meldung von Stalingrad übt im deutschen Volke eine Art von Schockwirkung aus. Man hatte sie zwar erwartet, aber nun, da sie da ist, ist sie doch schmerzlicher, als man zuerst gedacht hatte. Wir müssen jetzt alles tun, das Volk über diese schwere Stunde hinwegzubringen. Ich lasse auch das ganze Rundfunkprogramm umstellen. Der Unterhaltungs- und Sportteil wird gänzlich gestrichen und die Sendefolge ausschließlich auf ernste und klassische Musik eingestellt. [...]

8. Februar 1943: (Hitler spricht zu führenden NS-Funktionären) Der Führer hält vor ihnen ein fast zweistündiges Referat über die allgemeine Lage. Es ist erstaunlich, mit welcher Offenheit, um nicht zu sagen Brutalität des Wahrheitsfanatismus der Führer vor diesem kleinen Kreise die Lage charakterisiert. Er beginnt gleich mit der Feststellung, dass er heute mehr denn je an den Sieg glaube und sich in dieser Gläubigkeit durch kein Ereignis beirren lassen wolle und beirren lassen werde. Unsere Situation sei in ihren Schwierigkeiten in keiner Weise mit den schweren Parteikrisen aus der Vergangenheit zu vergleichen. Wenn auch die Dimensionen ganz andere geworden seien, die Mittel und Methoden, mit denen wir früher Parteikrisen überwunden hätten, müssten jetzt auch zur Anwendung kommen, um die gegenwärtige militärische und politische Krise zu überwinden. Die Katastrophe an der Ostfront wird vom Führer in allen Einzelheiten geschildert. Er legt noch einmal dar, wie sie entstanden sei, nämlich durch das vollkommene Versagen unserer Verbündeten, zuerst der Rumänen, dann der Italiener und dann der Ungarn. [...]
Was die Verluste in Stalingrad anlangt, so erklärt der Führer, dass in Stalingrad bei Beginn der Aktion 240.000 Mann gewesen seien. Davon seien aber größere Kontingente noch aus der Umklammerung entwichen, viele seien auch als Verwundete aus Stalingrad heraustransportiert worden. Man könne hoffen, dass auch eine große Anzahl in Gefangenschaft geraten sei. Er schätze die Totalverluste in Stalingrad durch Tod auf etwa 100.000. [...]
Was die weitere Menschenzufuhr zur Ostfront anlangt, so hat der Führer den festen Entschluss, den Jahrgang 1925 richtig auszubilden und ihn nicht in die Schlacht hineinzuführen. Halbausgebildete junge Leute will der Führer überhaupt nicht zum Kämpfen bringen. Sie stellen ja nur Kanonenfutter dar. Der Jahrgang 1925 umfasst rund 600.000 Mann. Diese 600.000 Mann müssen wir uns als operative Reserve vorbehalten, die für Aktionen offensiven Charakters eingesetzt werden solle. Ausführlich spricht der Führer dann über die Psychologie des Krieges. Er macht sich meine Darlegungen über die Optik des Krieges hundertprozentig zu eigen, und zwar steht er nicht nur auf dem Standpunkt, dass wir in der Heimat alles das tun müssen, was uns Menschen für Front und Rüstungsindustrie schafft, sondern auch alles, was uns Menschen erhält. Die Gauleiter sollten sich wieder der Kampfzeit erinnern, wo wir auch, und das mit Erfolg, nach solchen Methoden des totalen Sieges prozediert hätten. Besondere Worte widmet der Führer den so genannten Luxuslokalen. Er vertritt hier denselben radikalen Standpunkt wie ich. Freßrestaurants, die im Volke aufreizend wirken und nur von einigen hohen Offizieren oder Staatsbeamten besucht würden, hätten heute keine Daseinsberechtigung mehr. Er nennt hier Horcher als Beispiel, eine scharfe unausgesprochene Zurückweisung für Göring, der sich ja wenigstens in der ersten Zeit noch für solche Lokale auf das wärmste eingesetzt hat. Der Führer vertritt den Standpunkt, dass nur die Partei die gegenwärtige Krise überwinden kann. [...]
Es könne natürlich keine Rede davon sein, dass das Reich aus dem letzten Loch pfeife. Wir hätten einen ernsten Rückschlag erlitten. Dieser sei aber nicht einmal lebensbedrohend, geschweige denn tödlich. Es kommt jetzt alles darauf an, welche Konsequenzen wir aus diesem Rückschlag zögen. Der Feind kämpfe unter Zuhilfenahme der Technik. Sein Infanteriematerial sei denkbar schlecht. Es müsse für uns ein direkt zerschmetternder Gedanke sein, wenn wir uns vorstellten, dass wir als die höchste Rasse Europas am Ende der Technik eines Halbaffenvolkes zum Opfer fielen. Davon könne gar keine Rede sein. Im Übrigen habe die Weltgeschichte ihren tieferen Sinn, und der bestehe nicht darin, dass die höchste Rasse Europas zum Schluss von einer der minderwertigsten zugrunde gerichtet würde. Im Übrigen hätten wir noch eine ganze Reihe von Trumpfkarten in der Hand. Wie der Führer aus internen Informationen erfahren hat, haben wir im vergangenen Jahr dreimal soviel an feindlichem Schiffsraum versenkt, als der Feind an neuem Schiffsraum gebaut hat. Das heißt also, dass die Tonnagelage, wie ja auch aus der englischen und amerikanischen Presse jeden Tag wieder zu Entnehmen ist, für den Feind täglich bedrohlicher wird. [...] Das letzte Bataillon und die letzte Viertelstunde werden entscheiden. [...] Der Führer hofft eindringlich, dass es ihm gelingen werde, bis zum Ende des kommenden Frühjahrs wieder seine operative Freiheit zurückzugewinnen. Dann werden wir bald wieder obenauf sein. [...]

13. Februar 1943: Ich aktiviere im Innern und nach außen hin unseren propagandistischen Kampf gegen den Bolschewismus. Ich mache daraus eine propagandistische Großaktion erster Klasse, und zwar soll sie sich auf mehrere Wochen erstrecken. Jeder Artikel, jede Auslassung, jede Nachricht soll mit dem »ceterum censeo« des alten Catilina enden (Goebbels verwechselt hier Catilina mit Cato, der seine Reden im altrömischen Senat mit dem Satz "ceterum censeo Karthaginem esse delendam" - im Übrigen bin ich der Meinung, Karthago müsse zerstört werden - beendete). Wir können mit dieser Parole unter Umständen die ganze internationale Öffentlichkeit gegen die Sowjetunion alarmieren und sogar in die feindliche öffentliche Meinung eine Bresche schlagen. Dieser Feldzug muss mit Konsequenz und Zähigkeit geführt werden. Er darf nicht von einem Tag auf den anderen anfangen und angehalten werden, sondern er soll ein Propagandastück auf Dauer darstellen. [...]
Es muss deshalb weiter gehetzt und angetrieben werden. Zu diesem Behuf berufe ich für nächsten Freitag eine neue Massenkundgebung im Sportpalast ein, die ich wieder mit richtigen alten Parteigenossen bestücken lassen will. Möglichst viele Prominente sollen dazu eingeladen werden, und ich werde eine Rede halten, die an Radikalismus alles bisher Dagewesene übertrumpft. An der Reaktion aus dem Publikum können dann die Prominenten feststellen, wie eigentlich der Hase läuft. Manche hohen Behörden- und Parteiprominenten haben den Kontakt mit dem Volke schon so weit verloren, dass sie gar nicht mehr wissen. was das Volk eigentlich will. Das muss ihnen durch eine solche Versammlung wieder einmal plastisch vor Augen geführt werden. [...]
Im Übrigen kann ich feststellen, dass der Führer noch nicht einen einzigen meiner Vorschläge abgelehnt hat. Auch meine neuen Maßnahmen bezüglich der Optik des Krieges in Berlin sind von ihm gebilligt worden. Der Führer ist viel radikaler, als man allgemein annimmt, wenn wir es nur verhindern könnten, dass die Halbstarken sich immer wieder Zugang zu ihm verschaffen und ihn nach der flauen Richtung hin zu beeinflussen versuchen. Aber das wird ja auch auf die Dauer aufhören. Ausschlaggebend ist der Verlauf der nächsten Massenversammlung im Sportpalast. Ich werde diese Versammlung wieder über alle Sender übertragen lassen, um damit auch auf die öffentliche Meinung in den einzelnen Gauen einen Druck auszuüben, so dass also ein Gauleiter, wenn er sich gegen diese oder jene harte Maßnahme bisher noch geweigert hat, sich vielleicht doch bequemen wird, das bisher Versäumte nachzuholen, weil er sonst allzustark unter den Druck der öffentlichen Meinung gerät.
Wir müssen jetzt wieder die bewährten Kampfmittel aus der Zeit vor 1933 zur Anwendung bringen. Auch da sind wir manchmal etwas demagogisch verfahren; aber es hat doch fast immer zum Erfolg geführt. Eine gute Demagogie ist durchaus keine verächtliche Sache: wenn man sie für ein großes Ziel einsetzt, dann hat sie auch schon ihre moralische Begründung. Ich bin dazu jetzt mit aller Rücksichtslosigkeit entschlossen. [...]

15. Februar 1943: Die Krise an der Ostfront ist noch ständig im Steigen begriffen. Wir haben für die nächsten Tage eine Reihe weiterer Schläge zu erwarten. [...] Für uns entsteht die schwere Frage, ob es uns in absehbarer Zeit überhaupt gelingen wird, eine neue Verteidigungsfront zu bilden. Es macht den Anschein, als hätten wir im Augenblick nicht die Möglichkeit, uns irgendwie einmal wieder festzusetzen, gleichgültig an welcher Stelle. [...]

19. Februar 1943: Am Nachmittag um 5 Uhr (am 18.2.1943) findet nun die lange erwartete Sportpalastversammlung statt. Der Besuch ist überwältigend: schon um halb fünf Uhr muss der Sportpalast wegen Überfüllung gesperrt werden. Die Stimmung gleicht der einer wilden Raserei des Volkes. [...] Der Berliner stellt das politischste Publikum, über das wir augenblicklich im Reich verfügen. Fast das gesamte Reichskabinett, eine ganze Anzahl von Reichs- und Gauleitern und fast alle Staatssekretäre sind im Sportpalast vertreten: kurz und gut, diese Versammlung stellt einen Querschnitt durch das ganze deutsche Volk dar. Ich bin, glaube ich, rednerisch sehr gut in Form und bringe die Versammlung in einen Zustand, der einer totalen geistigen Mobilmachung gleicht. Der Schluss der Versammlung geht in einem Tohuwabohu von rasender Stimmung unter. Ich glaube, der Sportpalast hat noch niemals, auch nicht in der Kampfzeit, solche Szenen erlebt. Das Volk ist, wie diese Kundgebung bezeugt, bereit, alles für den Krieg und für den Sieg hinzugeben.
Wir brauchen jetzt nur zuzugreifen. Allerdings, täten wir das nicht, so würde sich, wie ich schon verschiedentlich betonte, diese Bereitschaft in Bitterkeit verwandeln. Aber ich werde schon dafür sorgen, dass der totale Krieg nicht nur auf dem Papier stehen bleibt. [...] Die Übertragung der Sportpalastkundgebung mit meiner Rede findet abends von 8 bis 10 Uhr im Rundfunk statt. Ich glaube, dass sie im Volke den tiefsten Eindruck hinterlassen wird. Ich höre mir noch einmal die Übertragung der zehn Fragen und Antworten des Publikums an. Die Ja-Rufe und die Ovationen der Sportpalastbesucher drohen fast den Lautsprecher zu sprengen. Auch auf die Engländer wird das nicht ohne Eindruck bleiben. Sie können jedenfalls daraus entnehmen, dass in Deutschland von einer nachgiebigen Stimmung überhaupt keine Rede sein kann. Es wird vielfach am Abend die Meinung vertreten, dass diese Versammlung eine Art von stillem Staatsstreich darstellt. Wir sind einfach über die Hürden, die die Bürokratie vor uns aufgebaut hatte, hinweggesprungen. Der totale Krieg ist jetzt nicht mehr eine Sache weniger einsichtiger Männer, sondern er wird jetzt vom Volke getragen. In der Führung wird sich ihm niemand mehr entgegenstellen können. Hoffentlich wird das Wort wahr, das ich an den Schluss meiner Rede gestellt habe: »Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los!«

21. Februar 1943: Wohl kaum ist während des ganzen Krieges in Deutschland eine Rede gehalten worden, die so lebhaft über den ganzen Erdball zitiert und kommentiert wird wie diese Sportpalastrede vom 18. Februar. Sie beherrscht immer noch die Schlagzeilen der großen Blätter in allen Ländern der Erde. [...] Die Wirkung im Inland ist enorm. Ich entnehme das einem zusammenfassenden Bericht der Reichspropagandaämter, der außerordentlich positiv ist. Die deutsche Presse hat die Rede großartig aufgemacht und dazu sehr wirksame Kommentare geschrieben. Nur der SD-Bericht sticht von der allgemeinen Meinung ab. Hier hat man mit Fleiß alle stänkerischen Stimmen zusammengesucht, um sie zu einem Konglomerat von Kritik zusammenzufassen. Ich wende mich schärfstens gegen diese Methoden des SD, die mir in letzter Zeit schon einige Sorgen bereitet haben. Im SD haben die verantwortlichen Leute, die diese Berichte verfassen, etwas die Nerven verloren. Sie bewegen sich zuviel in Berlin im Regierungsviertel und glauben, dass die Stimmung, die hier von den höheren Beamten zur Schau getragen wird, die allgemeine Stimmung des deutschen Volkes sei. Die neutrale Presse bringt geradezu phantastische Artikel über mich persönlich und über die Art meiner Propaganda. Man liest beispielsweise in Berner, Baseler und Züricher Zeitungen Kommentare, wie sie mit einer solchen warmen Sympathie selbst in der deutschen Presse nicht geschrieben werden könnten. Alles in allem genommen, kann man feststellen, dass die Rede hundertprozentig ihren Zweck erreicht hat. Ich kann über diesen propagandistischen Erfolg außerordentlich glücklich sein. Wenn der Kampf gegen den Bolschewismus einen geistigen Boden haben musste, so hat er ihn hier bekommen. [...]


Abschließend könnte man sarkastisch zusammenfassen: Zwar sind in Stalingrad massenhaft Menschen gestorben, aber Goebbels hat ihren Tod genial verkauft, sogar die Auslandspresse lobte seine Rede, die Primadonna des Nationalsozialismus ist ganz hingerissen von sich selbst. Und das deutsche Volk zieht in den "totalen Krieg"...