Bekanntlich war das Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften
und der NSDAP nicht ungetrübt.
Die evangelischen Kirchen hatten sich
gespalten, die "deutschen Christen" um "Reichsbischof" Müller
waren stramm auf Parteilinie, die "Bekennende Kirche" um Pastor Niemöller
saß eher im KZ als in Amt und Würden.
Die römisch-katholische Kirche hofierte - vor allem als Kämpfer gegen den gottlosen Bolschewismus - die Nazis lange Zeit. Als man sich langsam klar wurde, dass die Nazis keine Trennung von Loyalitäten zwischen Staat und Kirche dulden und ihre Ideologie auch in religiöse Vorstellungswelten hineintragen wollten, erkannte man zwar, dass man sich etwas zu sehr pronazistisch aus dem Fenster gelehnt hatte, aber ein wirklicher Rückzug, eine wirkliche Distanzierung erfolgte nicht. Hitler konnte bis zu seinem Tode ungemaßregeltes Mitglied der katholischen Kirche bleiben, die von Papst Pius XI. geäußerte Kritik (Enzyklika "Mit brennender Sorge") befasste sich nahezu ausschließlich mit der Verteidigung der kirchlichen Macht- und Einflusspositionen.
1933: katholisches Plakat mit Wahlaufruf für Hitler
Andererseits führten zwar NS-Dienststellen einen ständigen Kleinkrieg mit kirchlichen Einrichtungen, aber das große religiöse Aufräumen wollte man erst nach dem deutschen "Endsieg" durchführen. Mangels dieses Endsieges blieb der religiöse Aspekt des Nationalsozialismus weitgehend ohne praktisch-konkrete Auswirkungen. Hitler sah allerdings im Christentum eine Form des Judentums - die Abschaffung daher als Ziel. Gearbeitet wurde daran mit wenig Aufwand, NS-religiöse Vordenker schufen keine bedeutenden Grundlagen für die Zeit nach dem Krieg.
Im August 1943 wurde Hitler ein Sitzungsbericht mit einer in groben Zügen skizzierten NS-Religion vorgelegt, Hitler vermerkte darauf handschriftlich, dies sei der erste brauchbare Entwurf!
Im Text hieß es: "Sofortige und bedingungslose Abschaffung sämtlicher Religionsbekenntnisse nach dem Endsieg und zwar nicht nur für das Gebiet des Großdeutschen Reiches, sondern auch für sämtliche befreiten, besetzten und annektierten Länder (...) mit gleichzeitiger Proklamierung Adolf Hitlers zum neuen Messias." Davon sollen vorerst "aus politischen Erwägungen (...) der mohammedanische, buddhistische sowie der Shintoglaube" ausgenommen werden." Der Führer ist dabei als ein Mittelding zwischen Erlöser und Befreier hinzustellen - jedenfalls aber als Gottgesandter, dem göttliche Ehren zustehen. Die vorhandenen Kirchen, Kapellen, Tempel und Kultstätten der verschiedenen Religionsbekenntnisse sind in »Adolf-Hitler-Weihestätten« umzuwandeln." Die theologischen Fakultäten der Universitäten sollen ferner auf die Führerreligion eingeschworen werden und "besonderes Gewicht auf die Ausbildung von (..) Wanderpredigern (..) legen, die sowohl im Großdeutschen Reich, als auch in der übrigen Welt die Lehre zu verkünden und Glaubensgemeinschaften zu bilden haben. (..) Als Vorbild des Gottgesandten möge die Figur des Gralsritters Lohengrin dienen (...). Durch entsprechende Propaganda müsste die Herkunft des Führers noch mehr als bisher verschleiert werden, so wie auch sein zukünftiger Abgang einmal spurlos und in vollständiges Dunkel zu erfolgen hätte (Rückkehr in die Gralsburg)."
religiöse Hitlerpostkarte
der Gral wurde auch mit den deutschen Ordensritter in Verbíndung
gebracht,
dieser Orden war Vorbild für die geplante Ostkolonisation der Nazis
Um Hitler in seiner Heilandsrolle zu etablieren, bedienten sich die Nazis unterschiedlichster Mittel. Hitler selbst legte großen Wert darauf, Wagners Vision zu verwirklichen und Deutschland in eine Festspielbühne zu verwandeln. Die Entwürfe Hitlers sollten, ausgeführt von seinem Leibarchitekten Albert Speer, die monumentale Kulisse für das inszenierte Drama abgeben, fünfzig reichsdeutsche Großstädte bis Mitte der fünfziger Jahre von Grund auf umgestaltet werden. Die Prachtbauten waren gekennzeichnet von Hitlers üblicher Gigantomanie, alle bestehenden Rekorde in Länge, Breite und Höhe sollten übertroffen werden. Das hatte laut Hitler den Zweck, dem deutschen Volk seine eigene Größe vor Augen zu führen, die es solche gewaltigen Bauwerke hatte hervorbringen lassen, das Schwelgen in der unpersönlichen Mammutarchitektur sollte den Deutschen nicht ein individuelles, sondern kollektives, "völkisches" Selbstbewusstsein suggerieren. Die dauerhaftesten und feinsten Materialien waren für diese Demonstration gerade gut genug: allen voran Granit und Marmor. Eines der Lieblingskinder war die "Große Halle" in Berlin. In Hitlers monströsem Tempel, seiner "Gralsburg", hätten 150.000 Gläubige ihren Führer und Erlöser in euphorischen Feiern lobpreisen können. Der 290 Meter hohe, 250 Meter durchmessende Kuppelbau hätte auf einer Fläche von 38.000 Quadratmetern das siebzehnfache Volumen des Petersdoms enthalten.
Modellbild der Grossen Halle
1934 kaufte Heinrich Himmler, der Reichsführer-SS, Schloss Wewelsburg, rund zwanzig Kilometer von Paderborn. In Sklavenarbeit mussten Häftlinge eines nahegelegenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Konzentrationslagers die Anlage ausbauen - der Kriegsverlauf verhinderte die Fertigstellung des gewaltigen Projekts. In dem langgestreckten Hauptgebäude sah Himmler Parsifals Lanze.
Parsifals Lanze ...
... sollte zu einer weitläufigen Anlage ausgebaut werden
Der ursprüngliche Bergfried bildete das Zentrum der obskuren Kultstätte. In dem mächtigen Turm richtete Himmler ein Observatorium ein, darunter, in der ehemaligen Zisterne, ein Gewölbe, das als Tempel bzw. Ruhmeshalle "Walhall" zur Meditation gedacht war. Inmitten des kreisrunden Raums mit seiner außergewöhnlichen Akustik befindet sich ein Marmorbecken, in dem ein Zentralfeuer "nordischen Geist" beschwören sollte. Um diese "Waberlohe" ringen sich zwölf Sockel, die für die ranghöchsten SS-Leute bestimmt waren. Abgesehen davon, dass die gesamte Anlage als geistig-weltliches Zentrum der SS konzipiert war - mit Konferenzräumen, dem "Hohen Gericht" der SS und Luxusquartieren für Nazigrößen - war die Einrichtung einer Art Eliteschule für Jugendliche vorgesehen. Hier sollte dem Nachwuchs die Rassentheorie eingetrichtert werden; ferner stand das Studium der Germanenkunde, Runenkunde und Astrologie auf dem Programm.
Wewelsburg-Sonnenrad, eine Art Multihakenkreuz
Hitler pflegte religiöse, mystische Elemente in den Massenveranstaltungen wie den Reichsparteitagen mit der "Fahnenweihe", bei der er auf Tausende von Standarten durch Berührung seinen angeblich göttlichen Segen übertrug. Himmler rüstete Expeditionen in die Pyrenäen, das französisch-spanische Grenzgebirge, und nach Zentralasien in den Himalaja aus, ließ nach dem Heiligen Gral suchen und widmete sich ausgiebig weiteren esoterischen und okkulten Themen, die schon in den ideologischen Keimen des Nationalsozialismus angelegt waren.
SS-Abzeichen
Ordensburgen ähnlich dem Muster der Wewelsburg sollten über das ganze Reich verteilt werden. Dort, wie auf der Ordensburg Vogelsang in der Eifel, wurde die kommende Generation zum "selbstverleugnenden Dienst an der Rasse und Hass auf das Judentum" erzogen, sollte die "gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend", die Hitler forderte, herangezüchtet werden. Im obligatorischen Kultraum im Turm der Schule stand zwischen den Namenstafeln der Märtyrer des Hitler-Putsches von 1923 eine "nackte Heldengestalt" als Altarbild. Der Orden selbst war nichts anderes als die SS unter der Leitung Heinrich Himmlers. Nach dem Vorbild des Jesuitenordens gegründet, bestimmte Hitler das Auftreten der SS bis ins Detail der schwarzen Uniformen und rituellen Dolche. Mit Gebeten, Treueiden und Kulthandlungen schworen die SS-Angehörigen ihrem neuen Parsifal unbedingten Gehorsam, nur gemäß dem Rassendogma gewachsene, große, kräftige Männer waren bei den Eingeweihten von Hitlers "Blutorden" zugelassen.
Bemerkenswerterweise stieß ein Mitglied der Neutempler des Wiener Rassisten Jörg Lanz von Liebenfels, Karl Maria Wiligut, genannt Weisthor, zur SS und wird Vorsteher des Departements für Vor- und Frühgeschichte innerhalb des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS ernannt.
Karl Maria Wiligut - geb. 10.12.1866 in Wien, gest. 3.1.1946 in
Arolsen. Im 1. Weltkrieg Oberst der k.u.k Armee. Wiliguts Bedeutung für
die völkisch-okkulten Gruppen und die SS beruhte auf seiner Behauptung,
Nachkomme einer langen Ahnenreihe germanischer Weiser, deren Ursprung bis zu
einer vorgeschichtlichen Ära zurückreiche, zu sein, er wollte ein
angestammtes hellseherisches Erinnerungsvermögen besitzen, das ihn befähige,
sich an die Geschichte und Erfahrungen seiner Sippe über Tausende von Jahren
zu erinnern, er glaubte vom germanischen Göttergeschlecht der Asen abzustammen.
Wiligut wurde 1924 gerichtlich für geschäftsunfähig erklärt
und wegen fortgesetzter Gewalttätigkeiten gegenüber seiner Familie
in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nach seiner Entlassung aus der Heilanstalt
lebte er seit 1933 als Privatgelehrter in München, trat in die SS ein und
brachte es zum SS-Brigadeführer (Generalmajor). Er war bis 1938 Leiter
des Amtes für Vor- und Frühgeschichte im persönlichen Stab Himmlers
und sein Berater in esoterischen Fragen, deshalb auch "Rasputin Himmlers"
genannt. 1939 trat Wiligut aus der SS aus, Grund wurde keiner angegeben, vermutlich
waren Schizophrenie, Größen- und Verfolgungswahn, weswegen er in
den 20er-Jahren behandelt worden war, wieder akut geworden.
ein Wiligut-Thema: Runen waren altgermanische Symbol- und Alphabetzeichen
.. in der SS wird Runen-Kunde unterrichtet
Der Zweck dieser verschworenen Gemeinschaft war die Durchsetzung jener Gräueltaten, der Massenmorde, die man der "verjudeten" Mehrheit nicht zutraute. Auf diese Weise behielt der innere Kreis der Nazis den ursprünglichen Geheimbundcharakter der NSDAP bis zuletzt bei, wurde zu jener Minderheit, die laut Guido von List das "Erwachen des ariogermanischen Geistes" begriff. Für die Zeit nach dem "Endsieg" war der SS offenbar die Rolle einer Art Priesterschaft zugedacht. Im Zentralheiligtum, der Wewelsburg, wurden schon Eheschließungen begangen, bei denen der Priester lediglich durch einen Offizier ersetzt wurde. Und tatsächlich zeigen Wandgemälde in einem erst seit der Wende wieder zugänglichen Bunker in Berlin den SS-Mann als Priester und Hüter der neuen Weltordnung.
SS-Hochzeit ..
.. und SS-Taufe
Die neue Religion wurde der Welt stückweise offenbart, man baute vorerst das Vertrauen zu Hitler auf. Zu allen Beschwernissen in Stadt und Land sollten die Menschen hoffen, der Führer werde eine Lösung wissen oder zumindest in der Zukunft finden. Hitler vermied konkrete Äußerungen zu konkretem Geschehen, sondern wich ins bedeutend klingende Nebulose ab. Das Gerede vom deutschen Volk, vom deutschen Blut, vom Ringen um die Zukunft, der Vorsehung, der unerschütterlichen Volksgemeinschaft, zäher Arbeit, gigantischem Kampfeswillen, Zuversicht und Glaubenskraft, Einsatz und Opferbereitschaft usw. hörten sich gut an und gaben Zuversicht. Viele Menschen gaben ihrem Führer transzendenten Status.
Aber, wie gesagt, eine konkrete Hitlerreligion wurde noch nicht präsentiert. Für die Mehrheit der Menschen war zwar klar, dass die christliche Religion nicht unbedingt einen hohen Stellenwert im Nazi-Land hatte, aber die Ausformung einer neuen NS-deutschen Religion für den Massengebrauch blieb aus.
Für den Aufstieg auf der NS-Karriereleiter war es allerdings
nützlich, keiner christlichen Religionsgemeinschaft anzugehören. Andererseits
lehnten es die Nazis ab, mit linken, gottlosen, ungläubigen Konfessionslosen
auf dieselbe Stufe gestellt zu werden.
Es wurde daher ein eigener Begriff geschaffen: "gottgläubig".
Diese Wortschöpfung soll sich von "Ásatrú", einem
altgermanischen Neologismus bestehend aus "ása", dem Genitiv
von altgermanisch "áss" (Ase, Gott) und "trú"
(Glaube oder Treue) herleiten. Ásatrú (=Asentreue) bezeichnet
den Glauben an, die Treue zu oder das Vertrauen in die heidnischen germanischen
Götter, die Asen und Wanen. Das Wort an sich ist wiederum eine Lehnübersetzung
des dänischen Begriffs "asetro" ("Asenglaube"), welcher
1870 von Edvard Grieg in seiner unvollendeten Oper "Olaf Tryggvason"
als Bezeichnung für den heidnischen Glauben der Nordländer verwendet
wurde.
Dies war offiziell die Religionsbezeichnung für einen konfessionslosen Nazi, die auch in die amtlichen Papiere eingetragen wurde. Er war nicht katholisch, nicht evangelisch und nicht ohne Bekenntnis, er war "gottgläubig". Mit Erlass vom November 1936 wurde diese Bezeichnung für die "arteigene Frömmigkeit des deutschen Wesens" staatlich festgelegt, um zu dokumentieren, dass man mit Kirchenaustritt nicht automatisch zu einem "Ungläubigen", zu einem Freidenker, zu einem Atheisten, zu einem gottlosen Anhänger der materialistischen Weltanschauung wurde. Für echte Ungläubige (Agnostiker, Atheisten) hieß die amtliche Bezeichnung "glaubenslos".
"Gottglaube ist die anerkannte Bezeichnung für
den aus der Tiefe unseres Volksbewusstseins kommenden, arteigenen, deutschen
Glauben an Gott.", wurde in einem Traktätchen mit dem Titel "Gottglaube
- Deutscher Glaube" (herausgegeben von Wolfgang Kumm, bearbeitet von Oskar
Zschocke, Verlag Sigrune, Erfurt, 1941, 28 Seiten) definiert. Wer hätte
ohne diese Erklärung auch ahnen können, dass unter Gottglaube ein
Glaube an Gott zu verstehen sein könnte? Aber immerhin, arteigen und aus
der Tiefe des Volksbewusstseins kommend. Das hat nicht jeder. Und eine kürzere
Glaubenslehre wie die der deutschen Gottgläubigen wird man wohl unter allen
Religionen vergeblich suchen. Hier der Gottglaube, zwei Seiten im Format 15
x 11 cm:
"Die höchste Leistung und damit die höchste Erfüllung
unseres Daseins ist nur möglich, wenn wir uns bei inneren Werte unseres
Lebens klar bewusst sind.
Das gilt für jeden unter uns Volksgenossen,
wo er auch stehe, für Mann, Weib und Kind in ihrem kleinen Kreise, für
alle, die in der Heimat schaffen, gleichviel in welchem Arbeitsverband. Das
gilt vor allem für die Männer, die im Kampfe für unser Volk die
äußerste Kraft einsetzen und stündlich dem Tode ins Auge schauen.
Alle, die als Gottgläubige Kirche und Christentum hinter sich ließen,
haben innere Werte gewonnen, die unzerstörbar sind. Diese wurzeln in unserer
angeborenen Art und sind uns daher gemeinsam. Um über sie zur Klarheit
zu kommen, wurden allgemeingültige Grundzüge aufgesucht, die hier
in Form von Leitgedanken vorgelegt werden. Sie können nur als eine allgemeine
Grundlage gelten. Denn jeder hat, entsprechend seiner besonderen Anlage und
seiner inneren Entwicklung, seine eigene Weise, die höchsten Werte aufzufassen.
Führer in die Tiefe der letzten Fragen sind uns die großen Dichter
und Denker.
Deutscher Gottglaube kennt keine Glaubensätze, die
man lernt, um sich ihnen zu unterwerfen. In ihm ist der Verstand nicht entscheidend.
Deutscher Gottglaube ist Sache des Herzens und damit des Lebens. Wer zur Freiheit
der Gottgläubigkeit durchgedrungen ist, findet das Gesetz seines Lebens
in sich selbst.
Uns gestalteten die gleichen Kräfte, die einst
unseren Urahnen die höchsten Werte verliehen. Unsere Urahnen wussten sich
eingefügt in die große Ordnung der Natur. Sie waren bereit, an der
Seite der lichten schöpferischen Mächte gegen die finsteren Gewalten
der Zerstörung zu kämpfen. Ihre Kampfgemeinschaft war ihre Sippe,
ihr Stamm. Für diese sich bis zum äußersten einzusetzen, war
ihnen Ehre und Pflicht.
Wie jene, so schaffen, kämpfen, sterben
wir für die Gemeinschaft, der wir eingegliedert sind, für unsere Angehörigen
und für unser Volk. Nach dem Rechte der Natur und dem Gesetz der Ehre in
uns, ist es das Volk, das die höchste Entscheidung über unser Tun
und unser Leben trifft. Ihm dient unsere schaffende Kraft. In seinem Dienste
führen wir den Kampf zur Abwehr der auch heute wirkenden zerstörenden
Gewalten.
Vor unserem Volke, vor Ahnen und Enkeln in Ehren zu bestehen,
ist unseres Strebens hohes Ziel."
Der Rest des Heftchens besteht aus Sprüchen. Wie zum Beispiel:
Ewige schöpferische Kraft durchglüht uns zum Kampf, zur Vollendung
-
Wir erleben Gott, im Walten der Natur; in den Taten der Großen;
in Liebe, Dankbarkeit und Treue zu Mann, Weib, Kind, zu Vater und Mutter; in
Kampf und Tat für Führer und Volk -
Höchste Werte sind uns
das deutsche Blut, der deutsche Boden und die deutsche Ehre -
Die eigene
Kraft die Gott entstammt, lässt uns das Leben trotz Versagen und Not glücklich
bestehen, bis es im ewigen großen Geheimnis endet - usw.
Ein anderes Heftchen mit dem Titel "Freude am Leben - Wesen,
Gefüge und Auftrag deutscher Gottgläubigkeit" (Sonderdruck der
Zeitschrift "Nordland" von Dr. Friedrich Bubendey, 1941, 24 Seiten)
stellte die Grundsätze der Gottgläubigkeit ausführlicher dar.
Religion wird darin als "Gottesschau, als Glaube an das Göttliche"
definiert, "denn nur durch eine innere Schau und nicht irgendwie von
außen her können wir Gott, können wir das Göttliche erschauen,
erspüren, empfinden, mit ihm verbunden sein und an das Göttliche glauben."
Es wird also der Begriff durch sich selbst, tautologisch erklärt.
Der
Autor geht auf entschiedene Distanz zum Materialismus: "Ein Teil der
Menschen behauptet, dass sie nicht nur ohne Gott 'auskommen' können, sondern,
dass es überhaupt keinen Gott gibt. Es sind dies die Materialisten. Jedoch,
wie sehr sie auch alles in der Welt 'kausal' ableiten zu können vorgeben,
d.h.: wie sehr sich die Materialisten auch darzulegen bemühen, dass alles
in der Welt seine 'natürliche' Ursache und Wirkung habe und alles (..)
mit den uns gegebenen fünf Sinnen begriffen werden kann, so gibt es dennoch
im Leben auch des krassesten Materialisten unendlich vieles, was ihnen unbegreiflich
ist. Warum erfüllt sich die Seele, das Gemüt, das Herz eines Materialisten
mit tiefer, glückseliger Freude, wenn ihm der Sohn oder die Tochter in
der Wiege zum ersten Mal entgegenlacht? Es ist das Göttliche, das ihm aus
den Augen des reinen, unschuldvollen Kindes entgegenstrahlt ..."
Eine materialistische Antwort darauf fiele nicht schwer: Leute, die sich ihrem (göttlichen) Nachwuchs nicht entsprechend zuwenden, haben einen Selektionsnachteil, Lebewesen ohne entsprechenden Aufwand für den Nachwuchs sterben aus.
Zum Christentum wird die Unterscheidung so festgelegt: Das Christentum ist eine Geistesreligion, weil es seinen Gott in der Form eines "persönlichen, geistigen, überweltlichen Wesens" sieht. Im Gegensatz dazu sehen Anhänger von Naturreligionen Gott als "göttliche Kraft, die in allem Lebenden wirksam ist". Die Geistesreligion sieht im Glauben ein "Für-wahr-halten", die Naturreligion ein "Hingenommen- und Hingegebensein". Mit dieser Unterscheidung sieht sich der Autor der deutschen Gottgläubigkeit schon sehr nahe gekommen. "Denn indem deutsche Gottgläubigkeit einen (offenbarten) persönlichen, geistigen und überweltlichen Gott ablehnt, gehört sie nicht zu den Geistesreligionen. Da der deutsche Gottgläubige überdies das Göttliche als eine Kraft, die in allem Lebenden wirksam ist, erschaut und empfindet und er weder der Gnade, noch eines Mittelsmannes, noch einer Erlösung von der (erst durch den jüdischen Teppichhändler Paulus in die Jesus-Lehre hineingetragenen) Erbsünde bedarf, daher mit Gott auf natürlichem Wege verbunden ist, so ist damit aufgezeigt, dass deutsche Gottgläubigkeit ihrem Wesen nach eine Naturreligion ist." Es bedürfe für die deutsche Gottgläubigkeit keines Lehrgebäudes von Worten, Begriffen und ausgeklügelten Dogmen, da der Mensch von Natur aus religiös sei und von sich aus zur deutschen Gottgläubigkeit vordringen kann.
Der wesentliche Unterschied zwischen Geistes- und Naturreligion sei es, dass die Geistesreligionen dualistisch sind, weil Leib und Seele getrennt nebeneinander stünden, während die Naturreligion von der Einheit von Leib und Seele ausgehe.
Hitler sagte 1937 bei der Einweihung der Ordensburg in Sonthofen: "Wir
geben euch unbedingte Freiheit in eurer Lehre oder in eurer Auffassung der Gottesvorstellung.
Denn wir wissen ganz genau: wir wissen darüber auch nichts. Eines aber
sei ganz klar entschieden: Über den deutschen Menschen im Jenseits mögen
die Kirchen verfügen, über den deutschen Menschen im Diesseits verfügt
die deutsche Nation durch ihre Führer. Nur bei einer so klaren und sauberen
Trennung ist ein erträgliches Leben in einer Zeit des Umbruchs möglich.
Wir Nationalsozialisten sind in unserem tiefsten Herzen gottesgläubig.
Eine einheitliche Gottesvorstellung hat es im Laufe vieler Jahrtausende nicht
gegeben. Aber es ist die allergenialste und erhabenste Ahnung des Menschen,
die ihn am meisten über das Tier heraushebt, nicht nur die Erscheinung
außen zu sehen, sondern immer die Frage des Weshalb, des Warum, des Wodurch
aufzustellen.
Diese ganze Welt, die uns so klar ist in der äußeren
Erscheinung, ist uns ebenso unklar in ihrer Bestimmung. Und hier hat sich die
Menschheit demütig gebeugt vor der Überzeugung, einem ungeheuren Gewaltigen,
einer Allmacht gegenüberzustehen, die so unerhört und tief ist, dass
wir Menschen sie nicht zu fassen vermögen. Das ist gut! Denn es kann dem
Menschen Trost geben in schlechten Zeiten, vermeidet jene Oberflächlichkeit
und jenen Eigendünkel, der den Menschen zu der Annahme verleitet, er -
eine ganz kleine Bazille auf dieser Erde, in diesem Universum - würde die
Welt beherrschen und er bestimme die Naturgesetze, die er höchstens studieren
kann. Daher möchten wir, dass unser Volk demütig bleibt und wirklich
an einen Gott glaubt. Also ein unermesslich weites Feld für die Kirchen,
sie sollen daher auch untereinander tolerant sein! Unser Volk ist nicht von
Gott geschaffen, um von Priestern zerrissen zu werden. Daher ist es notwendig,
seine Einheit durch ein System der Führung sicherzustellen. Das ist die
Aufgabe der NSDAP. Sie soll jenen Orden daher stellen, der, über Zeit und
Menschen hinwegreichend, die Stabilität der deutschen Willensbildung und
damit der politischen Führung garantiert."
Insgesamt gesehen ist die deutsche Gottgläubigkeit also
eine Art Pantheismus, ein Allgottglaube, wie er etwa auch von Spinoza oder Goethe
angedacht worden war. Während die christlichen und die anderen theistischen
Religionen zwischen Gott und Welt einen Wesensunterschied sehen, ist der Pantheismus
monistisch und geht von einer Einheit der Welt aus. In den Varianten des Pantheismus
ist Gott ein geistiges Wesen, das die Welt hervorbringt und bestimmt oder einfach
ein "geistiges Prinzip".
Die NS-Rassenlehre geht zwar von der
Annahme eines "natürlichen Ursprungs" aller Religionen aus, sieht
aber verschiedene Ausprägungen: Im vorderasiatischen Raum seien die Offenbarungsreligionen
entstanden, im mediterranen Bereich gefühlsbetonte, wortreiche Ausformungen,
Dichter und Weise hätten die Religionen der Indogermanen gestaltet.
Was den Autor die Frage aufwerfen lässt, wieso dann die "nordischen Menschen" einer orientalischen Offenbarungsreligion anhängen, die rassisch vorgegebene "wortlose Seins- und Tatfrömmigkeit" der "nordischen Menschen" vom Christentum überlagert wurde. Er stellt deswegen ein "religiöses Erbbild" einem "religiösen Erscheinungsbild" gegenüber und meint, dass der Großteil der Christen nicht konkret an den Großteil der biblischen Lehre glaube, das Christentum nur eine äußere Form sei, die Glaubensdogmen nicht verinnerlicht würden.
Der NS-Glaube sieht Gott als völkische Eigenschaft, als ein über der Gemeinschaft stehendes Prinzip, eine Sinn- und Zielvorgabe, ein Leitbild, eine Verpflichtung. Am deutschen Wesen die Welt genesen, selber nichts und das Volk alles sein zu lassen, die völkische Idee zum Absolutum zu machen und ihr unüberbietbare Bedeutung zu verleihen, das war der "Gottglaube" der NSDAP. Dieser Glaube gab dem einzelnen "Volksgenossen" auch Bedeutung und Auserwähltheit, der "Volksgenosse" ward zum Bestandteil einer idealen Gemeinschaft, er glaubte an die Zugehörigkeit zu "Art" und war - als Teil dieser Art - selber von göttlicher Art. |
Dieser "Gott" braucht keine Gottesdienste, keine Glaubensriten, keinen persönlichen Hinwendungskult, sondern soll Ausdruck der Identifikation mit der "Volksgemeinschaft" sein. Der Kult sollte in Feiern des Lebenslaufes durch die Familie (Geburten, Hochzeiten, Familienfeste), der Feiern der Feste des Jahreslaufes (Neujahr, Frühlingsfest, Sonnwendfeiern, Erntedankfest, Julfest), von nationalen Feierstunden im Jahreslauf ("Machtergreifung" im Jänner, Führergeburtstag am 20. April, Gedenken zur gescheiterten "nationale Revolution" vom November 1923 und diversen anderen Gedenktagen) und von Bestattungsriten bestehen.
Eine Massenform von Religiosität ist heute der "Herr-Karl-Glaube",
aus dem österreichischen Jahrhundertdrama von Carl Merz und Helmut Qualtinger,
hier das berühmte Zitat: "I bin ja katholisch, net sehr, aber doch,
wia's halt bei uns is. Ich glaube an ein höheres Wesen. An eine Macht,
die uns leitet”.
Das ist die "Gottgläubigkeit" der Gegenwart.
Ein gänzlich undefinierter und damit völlig unverbindlicher Glaube
an Beliebiges. Diese Art von "Glaube" als Ausdruck einer unbestimmten
Unsicherheit, einer Vermutung über irgendeine mögliche Abhängigkeit
von einer Wesenheit außerhalb des Selbst, hat es wohl immer gegeben, dies
ist die Grundlage jeder Religion: Der Mensch weiß, dass sein Wille in
der Regel nicht geschieht, dass nicht nur fremde Willen ihn beeinträchtigen,
sondern dass Unbestimmtes bestimmenden Einfluss auf sein Dasein hat. Man nennt
es dann eben Vorherbestimmung, Schicksal, Kismet, Vorsehung.
Die banale Wirklichkeit hat Friedrich Engels zusammengefasst:
Im Jahre 1890 schrieb er (Marx-Engels, Ausgewählte Werke in 6 Bänden,
Dietz-Vlg Berlin, Band VI, Seite 556) an Joseph Bloch u.a. Folgendes:
"Wir
machen unsere Geschichte selbst, aber erstens unter sehr bestimmten Voraussetzungen
und Bedingungen. Darunter sind die ökonomischen die schließlich entscheidenden.
(...) Zweitens aber macht sich die Geschichte so, dass das Endresultat stets
aus den Konflikten vieler Einzelwillen hervorgeht, wovon jeder wieder durch
eine Menge besonderer Lebensbedingungen zu dem gemacht wird, was er ist; es
sind also unzählige einander durchkreuzende Kräfte, die eine unendliche
Gruppe von Kräfteparallelogrammen, daraus eine Resultante - das geschichtliche
Ergebnis - hervorgeht, die selbst wieder als das Produkt einer, als Ganzes,
bewusstlos und willenlos wirkende Macht angesehen werden kann. Denn was jeder
Einzelne will, wird von jedem anderen verhindert, und was herauskommt, ist etwas,
das keiner gewollt hat. So verläuft die bisherige Geschichte nach Art eines
Naturprozesses und ist auch wesentlich denselben Bewegungsgesetzen unterworfen."
Die "Macht, die uns leitet", die Vorsehung, das Schicksal: die Resultante
einer unendliche Gruppe von Kräfteparallelogrammen.
Der NS-Gottglaube verwendete ein solch unbestimmtes Gefühl
(wie es beim "Herrn Karl" angesprochen wird) und ergänzte die
menschliche Reaktion auf die Unübersehbarkeit der formenden Einflüsse
auf das Dasein mit der Verknüpfung mit einem völkischen Wertesystem.
Die Unsicherheit der Bezüge zu unerkennbaren höheren Wesen und leitenden
Mächten sollte durch die Sicherheit eines aggressiven, bedingungslosen
Nationalismus ausgeglichen werden.
Die Verbindlichkeit eines solchen Glaubens wäre nicht religiös und
transzendent, sondern gesellschaftspolitisch konkret gewesen. Die Bezüge
auf "deutsches Blut, deutschen Boden und deutsche Ehre" hätten
von den deutschen Gottgläubigen ständig substantielle Hingabe verlangt:
"Als Kämpfer also nehmen wir deutschen Gottgläubigen das Leben
auf und tun in stiller, selbstverständlicher Seins- und Tatfrömmigkeit
unsere Pflicht gegenüber unserer Familie und unserer Sippe, gegenüber
unserem Volk und unserer Nation, gegenüber Führer und Reich. Das ist
deutsche Gottgläubigkeit! (...) Deutsche Gottgläubigkeit
ist Erfüllung der selbstverständlich nüchternen Tagespflicht,
wen immer oder wo immer sie ruft. Deshalb kann auch jeder, der deutschen Blutes
ist, ohne Mühe zur deutschen Gottgläubigkeit hinfinden, ja er ist
schon durch sein Dasein in sie hineingeboren. Und so ist wahrhaft deutsches
Leben auch wahrhaft echter Gottesdienst".
Die Ausgestaltung dieses Glaubenssystems für einen "völkischen"
Alltag hätte des "Endsieges" bedurft.
Da bekanntlich die Nazis ihre politischen und militärischen Ziele trotz
größter Anstrengung nicht erreichten, verschwand der deutsche "Gottglauben",
ohne fertig ausgeformt zu werden. Der anfangs zitierte Entwurf von 1943 sollte
nach dem "Endsieg" zu einer neuen Volksreligion überleiten. Vom
psychologischen Herangehen hätte der Plan sicherlich Erfolge zeitigen können.
Denn diese "Pflichterfüllung" als Grundprinzip hatte sich, auch
ohne Endsieg, jahrzehntelang im Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung
gehalten. Man erinnere sich an Bundespräsident Waldheim, der es tief in
den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts noch als völlig normal und legitim
fand, seinerzeit für das deutsche Volk und Vaterland seine "Pflicht
erfüllt zu haben" und sich auch vierzig Jahre später öffentlich
positiv dazu zu bekennen.