Als im Februar 1933 der deutsche Reichstag brannte, nutzten die Nazis die von Reichspräsident Hindenburg am 28.2. erlassene "Reichstagsbrandverordnung" zu Massenverhaftungen tatsächlicher oder vermeintlicher politischer Gegner, die Haftanstalten waren im Nu völlig überfüllt, es wurden von der als "Hilfspolizei" eingesetzten SA provisorische Haftlager eingerichtet, daraus entwickelte sich Mitte März mit der Errichtung des ersten Konzentrationslagers in Dachau das deutsche KZ-System. Die Konzentrationslager wurden offiziell mit "KL", im Volksmund mit KZ ("Kazet") abgekürzt. Nach Dachau folgten Lager in Buchenwald, Flossenbürg, Groß-Rosen, Neuengamme, Oranienburg, Ravensbrück, Sachsenhausen.
Die
"Regeln" nach denen KZ-Insassen mit Entlassung rechnen könnten ...
...
besonders zynisch die Losung auf KZ-Toren
Diese Konzentrationslager dürfen nicht mit den Vernichtungslagern wie Auschwitz, Treblinka oder Sobibor verwechselt werden. Sie dienten vorerst zur Inhaftierung politischer Gegner (hauptsächlich von Kommunisten und auch von Sozialdemokraten), dann wurden auch Kriminelle und so genannte "Asoziale" eingewiesen. Die Häftlinge wurden mit "Winkeln" genannten farbigen Dreiecken gekennzeichnet. Politische Häftlinge erhielten rote Winkel, Juden einen gelben Davidstern, Kriminelle wurden grün markiert, deren Haftstatus führte die Bezeichnung "Befristete Vorbeugehaft", abgekürzt BV, was zur Benennung als "Berufsverbrecher" abgewandelt wurde. In den KZs setzte ein jahrelanger Machtkampf zwischen den "Roten" und den "Grünen" ein. Die SS bevorzugte korrumbierbare Kriminelle als Leitungspersonal in der so genannten "Selbstverwaltung" der Insassen (Schreiber, Stuben- und Blockälteste usw.). Die politischen Häftlinge erkämpften sich mit der Zeit in den meisten KZs diese Positionen, um auf diese Art Widerstand zu organisieren.
Nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitlerdeutschland wurde bereits im April 1938 ein Transport politischer Häftlinge nach Dachau abgefertigt.
Am 29.4.1938 gründeten SS-Funktionäre in Berlin mit einem Stammkapital von 20.000 RM die "Deutsche Erd- und Steinwerke-GmbH" (DEST). Diese Firma sollte sich um Materialbeschaffung für die von Hitler geplanten Monumentalbauten kümmern. Nach dem Ankauf von Grundstücken und der Pachtung der Mauthausner Steinbrüche "Wiener Graben" und "Marbacher Bruch" von der Stadt Wien wurde bereits am 16.5.38 mit 30 Zivilarbeitern die Arbeit dort aufgenommen. Am 8. August 1938 trafen die ersten 300 Häftlinge, hauptsächlich BVler, aus Dachau in Mauthausen ein. Die Häftlinge arbeiteten sowohl im Steinbruch als auch bei der Errichtung des oberhalb des "Wiener Grabens" gelegenen KZs. Mit 31.12.38 hatte das Lager einen Häftlingsstand von 994 Personen, seit August gab es 36 Todesfälle.
Baustelle
KZ Mauthausen
Gegen
Ende 1938, Inspektion im KZ Mauthausen, erste Reihe v.l.n.r. Gruppenführer
Kaltenbrunner,
Lagerkommandant Obersturmführer Ziereis, Reichsführer-SS
Himmler und Gauleiter Eigruber
Mit 1.1.1941 wurde eine Einteilung der KZs vorgenommen. Demnach gab es die Stufe I für "wenig belastete und besserungsfähige Schutzhäftlinge, sowie Sonderfälle und Einzelhäftlinge", in diese Kategorie wurden Dachau, Sachsenhausen und das Stammlager Auschwitz I eingestuft. Die Stufe II galt für "schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge", in diese Kategorie fielen Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und das gerade im Aufbau befindliche Lager Auschwitz-Birkenau (daraus wurde später das Vernichtungslager Auschwitz II). Die Stufe III "für schwer belastete, unverbesserliche und gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge" wurde allein dem KZ Mauthausen zugewiesen.
KZ-Arbeiter
im Steinbruch
KZ-Häftlinge
auf der Stiege aus dem "Wiener Graben" im Mauthausener Steinbruch
vor
der Baracke angetretene Häftlinge
KZ-Baracke
Die ersten Gruppen politischer Häftlinge wurden im Mai 1939 nach Mauthausen verlegt, Ende des Jahres waren 2.666 Menschen hier inhaftiert.
1940 gab es ca. 11.000 Zugänge, darunter eine größere Anzahl so genannter "Rotspanier", also Kämpfer für die spanische Republik, die nach dem Sieg der spanischen Faschisten unter General Franco nach Frankreich flüchteten und dort von den französischen Behörden interniert worden waren. Nach der Niederlage Frankreichs fielen sie den Nazis in die Hände. Das erste Nebenlager in Gusen wird eingerichtet. Diesem Nebenlager werden noch 45 weitere Zwangsarbeitslager folgen.
1941 wurden Tschechen, niederländische Juden und sowjetische Kriegsgefangene eingeliefert. 18.000 werden namentlich erfasst.
Lagerkommandant
Ziereis führt Himmler und Kaltenbrunner
sein KZ vor
SS-Führer Himmler befand bei diesem Inspektionsbesuch im Jahre 1941 in den Lagern Mauthausen
und Gusen die Arbeitsproduktivität der Häftlinge als zu gering. Um die
Arbeitsleistungen zu erhöhen, wurde ab 1942 für die Häftlinge in kriegswichtigen
Produktionsbereichen ein fünfstufiges Prämiensystem eingeführt:
1.
Hafterleichterung, 2. Verpflegungszulagen, 3. Geldprämien, 4. Tabakwarenbezug,
5. Bordellbesuch.
Im Juni 1942 erhielt das KZ Mauthausen das erste
Häftlingsbordell des Großdeutschen Reichs. Rekrutiert wurden seine Insassinnen
vor allem unter den "Asozialen" in den Frauenlagern, die vor ihrer Haft als
Prostituierte gearbeitet hatten.
1942 werden Menschen aus Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Griechenland und Luxemburg ins KZ Mauthausen verbracht, insgesamt gibt es in diesem Jahr ungefähr 13.000 Zugänge.
1943 werden 21.208 Zugänge registriert.
1944 steigt die Häftlingszahl enorm an, 65.645 Zugänge sind registriert, als Maximum wird ein Belag mit 114.524 Personen festgestellt.
1945 werden "Evakuierte" aus anderen KZs nach Mauthausen eingeliefert, 27.793 Häftlinge als Zugänge vermerkt. Die letzte Häftlingsnummer vom 3.5.1945 lautete 139.317. Diese Numerierung gibt nicht die Gesamtzahl der Häftlinge an, da bis 1943 die Häftlingsnummern verstorbener, verlegter und entlassener Häftlinge neu vergeben und auch nicht alle Eingelieferten registriert wurden, zum Teil behielten die sowjetischen Gefangenen ihre Nummern aus den Kriegsgefangenenlagern, tausende "K-Häftlinge" ("K" stand für "Kugel") wurden nicht registriert. Die im April 1945 eingelieferten ungarischen Juden und politischen Häftlinge aus Ungarn ebenso.
Eine Übersicht vom 31.3.1945 weist folgende Häftlingskategorien auf:
Politische |
35.395 |
Bibelforscher (Zeugen Jehovas) |
104 |
Homosexuelle |
65 |
Wehrmachtsangehörige |
242 |
Geistliche |
13 |
Rotspanier |
2.187 |
Ausl. Zivilarbeiter |
16.836 |
Juden |
13.636 |
Asoziale |
534 |
BV |
1.445 |
Sicherheitsverwahrte |
2.832 |
Zigeuner |
200 |
Sowjet. Gefangene |
5.058 |
Gesamtstand |
78.547 |
In den Totenbüchern des KZs und seiner Nebenlager wurden insgesamt 68.874 Todesfälle namentlich vermerkt, eine Reihe von weiteren Opfern wurden anderweitig registriert, lediglich die Toten unter den nichtregistrierten Häftlingen von Jänner bis April 1945 mussten geschätzt werden. Die Todesfälle verteilten sich auf die einzelnen Jahre:
Die Gesamtzahl der Häftlinge in Mauthausen und den Nebenlagern wird auf mindestens 197.464 berechnet. Obwohl viele der Häftlinge (besonders in den Nebenlagern) zur Zwangsarbeit benötigt wurden, lag die Todesquote also über 50%.
KZ-Zwangsarbeiter
im Eisenwerk Linz werden von
Gauleiter Eigruber und Rüstungsminister Speer
inspiziert
Zählappell
im Garagenhof des KZs
Da die Angehörigen der toten "großdeutschen" Häftlinge (und der aus den westlichen Staaten) Verständigungen und Sterbeurkunden erhielten, hatte Himmler zur Tarnung der Todeszahlen angeordnet, dass die Sterbeurkunden jährlich jeweils mit vorgesetzten römischen Ziffern immer nur von 1 bis 185 durchzunummerieren sind. So bedeutete z.B. die Sterbeurkunde mit der Zahl XI-150/43 den zweitausendsten Toten des Jahres 1943.
Die "unnatürlichen" Todesursachen setzten sich nach den offiziellen Aufzeichnungen beispielsweise 1942 so zusammen:
auf der "Flucht" erschossen |
639 |
Selbstmord |
169 |
Exekutionen |
562 |
Unfälle |
5 |
Todesopfer durch Hunger, durch die anstrengende Arbeit, durch die unzureichende Bekleidung, durch "Gnadentod" für "unheilbar Kranke" usw. galten selbstverständlich als "natürliche" Todesfälle.
amerikanische
Luftaufnahme des KZ Mauthausen (1944)
Übersichtsplan
Traurigen Ruhm erlangte die Bevölkerung der umliegenden Gemeinden als im Februar 1945 rund 500 todgeweihten sowjetischen Häftlingen der Ausbruch gelang. Mit größtem Eifer beteiligte man sich an der Jagd auf die geflüchteten "gefährlichen Verbrecher" und machte fast alle am Ort ihrer Auffindung nieder. Nur 17 sollen (zum Teil durch die Hilfe von antifaschistisch gesinnten Österreichern) mit dem Leben davongekommen sein.
Im KZ Mauthausen sind die österreichischen Häftlinge immer nur eine kleine Gruppe gewesen, aus politischen Gründen verfolgte Österreicher wurden meist in KZs weiter weg gesteckt (Dachau, Buchenwald, Flossenbürg, Ravensbrück ...). In den letzten Kriegstagen wurden auf Befehl von Gauleiter Eigruber 33 Oberösterreicher ermordet, damit die einrückenden Alliierten "in den Alpengauen keine aufbauwilligen Kräfte" vorfänden. Insgesamt dürften mehr als 600 Österreicher in Mauthausen zu Tode gekommen sein.
Das
Lager wird am 5. Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Diese Befreiung vollzieht sich in zwei Etappen, ein US-Panzerspähwagentrupp
entwaffnete am 5.5. die Lagerwache (Wiener Feuerschutzpolizei, die SS-Truppe
war bereits abgezogen worden), spanische und sowjetische Häftlinge bewaffneten
sich und sicherten das Lager und den Ort Mauthausen samt Umgebung. Am 7.5.
rückten US-Truppen in den Ort ein und befreiten das Lager endgültig.
Aus diesem Grund gibt es zwei - manchmal Verwirrung stiftende - Befreiungsdaten.
Der geflüchtete Lagerkommandant
Ziereis wurde bei seiner Festnahme durch die Amerikaner am 25. Mai angeschossen und starb
nach einem ausführlichen Geständnis an der Verletzung. Gauleiter Eigruber war
zuerst auch die Flucht gelungen, er wurde erst im Sommer 1945 gefasst, im Mauthausenprozess
zum Tode verurteilt und 1947 gehenkt.
Soldaten
der US-Army befreien das Lager
Nach der Übernahme des Geländes im Juni 1947 durch die österreichische Bundesregierung wurde die Errichtung einer Mahn- und Gedenkstätte im ehemaligen KZ Mauthausen beschlossen. Die jährlichen Befreiungsfeiern sind jeweils die größte antifaschistische Kundgebung in Österreich. Unter den Teilnehmern sind sehr viele Ausländer, die anwesenden Österreicher kennen sich zum Großteil gegenseitig, engagierter Antifaschismus ist bei uns weiterhin ein ausgesprochenes Minderheitenprogramm.
Prof.
Franz Kain (1922 - 1997) mit dem Kranz des KZ-Verbandes (Befreiungsfeier 1997)
Befreiungsfeier
2001: die Spitze der Delegationen
Leo
Kuhn - ehemaliger Häftling, langjähriger Zeitzeuge (1908 - 2004)
Befreiungsfeier
2001
Befreiungsfeier
2005
Der vorstehende Beitrag konnte das Thema Mauthausen naturgemäß nur kurz anreißen, es wird daher empfohlen, bei einem Besuch der Gedenkstätte das dort erhältliche Standardwerk über das KZ Mauthausen zu erwerben, das vom ehemaligen Insassen des Lagers und langjährigen Leiter der Gedenkstätte verfasst wurde: HR Hans Marsalek, Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen, herausgegeben von der Lagergemeinschaft Mauthausen, Neuauflage 2005, 376 Seiten
Hofrat
Hans Marsalek