Am 5.4.1942 legte Hitler mit der Weisung Nr. 41 für die Kriegführung die Ziele der deutschen Sommeroffensive 1942 fest: Die noch verbliebene "lebendige Wehrkraft" der Sowjetunion sei endgültig zu vernichten, Leningrad soll erobert und am Südflügel der Durchbruch zum Kaukasus erzwungen, zum Schutze der Operationen entlang des Don bis Stalingrad eine Verteidigungslinie aufgebaut werden. Stalingrad war damals eine sich weitläufig der Wolga entlangziehende Industriestadt mit rund einer halben Million Einwohner. Nach Stalin war das vormalige Zarizyn 1925 benannt worden, weil Stalin hier an einem wichtigen Sieg im Bürgerkrieg beteiligt gewesen war.
1.6.1942: Hitler beginnt den Angriff auf Stalingrad vorzubereiten. Problemen im Eisenbahntransport soll auch durch eine Propagandawelle begegnet werden: "Räder müssen rollen für den Sieg!" Die Eisenbahn wird zum "Teil der Front" erklärt, private Fahrten sollen tunlichst unterbleiben.
Im Juli gelingt die deutsche Offensive über den Don. Die Stoßrichtung geht südlich nach Rostow und östlich nach Stalingrad.
Dieser Vorstoß beginnt sich Ende August festzulaufen, die gesteckten Ziele werden zum Teil auf das nächste Jahr verschoben. Hitler spricht davon, dass "in einem gigantischen Kampf sondergleichen die deutschen und verbündeten Soldaten in diesem Jahr den Lebensraum der europäischen Völker gewaltig erweitert" haben.
Am 4.9. erreichen deutsche Einheiten die westlichen Vorstädte von Stalingrad, der Kampf um die Stadt beginnt.
Nach einer Reihe von Meinungsverschiedenheiten wird 9.9. der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A an der Ostfront, List, abgesetzt und Hitler übernimmt selbst den Oberbefehl. Eine Denkschrift von Minister Speer über die Neugründung deutscher Städte im Osten wird von Hitler gebilligt.
In Stalingrad wird am 25.9. von den Angreifern das Stadtzentrum erreicht. Es beginnt ein lange andauernder blutiger Straßenkampf von Haus zu Haus, von Ruine zu Ruine. Die Zufuhr neuer Einheiten der Roten Armee über die Wolga kann nicht verhindert werden, da es den deutschen Einheiten nirgends gelingt, östlich der Wolga einen Brückenkopf zu bilden und die Wasserstraße zu blockieren. Die Sowjets führen nach und nach auch aus allen anderen Himmelsrichtungen neue Einheiten auf Stalingrad zu, um die deutschen Truppen zu umfassen und einzuschließen.
Reliefkarte
aus dem "Völkischen Beobachter" vom 29.10.42
Am 8.11., zum Jahrestages des Nazi-Putsches von 1923, betont Hitler die Wichtigkeit der Einnahme von Stalingrad, wegen seiner Bedeutung in der sowjetischen Versorgung und im Nachschub. Natürlich geht es ihm auch um den Symbolgehalt der Stadt, die den Namen Stalins trägt, was aber auch diesen veranlasst, "seine" Stadt keinesfalls aus den Händen zu geben.
An der Stalingradfront tauchen Anfang November innerhalb der Wehrmacht vermehrt Bedenken auf. So schreibt General Vietinghoff-Scheel an General Paulus: "Das russische sture Halten hat unsere großen Kesselschlachten ermöglicht, unsere Hauptsorge beim Kesseln war immer, dass er rechtzeitig ausweichen und sich dadurch der Einkesselung entziehen würde. Wollen wir diesen Fehler nachmachen und uns nun einkesseln lassen? Wir leben buchstäblich von der Hand in den Mund, jedes vorübergehende Unterbrechen des Nachschubs, sei es durch Schnee oder russische Kesselung, kann in wenigen Tagen zur Vernichtung der beiden Panzerarmeen, besonders ihrer mot. Division führen. Sieht man darüber klar?"
Am 20.11. beginnt im Raum Stalingrad, sorgfältig vorbereitet und zum Teil taktisch geschickt geführt, die sowjetische Großoffensive. Bereits am 22.11. sind die 6. Armee und rumänische Einheiten mit zusammen etwa 250.000 Mann eingeschlossen. Hitler befiehlt das Halten der Stellungen.
Am 23.11. verlangt der Oberbefehlshaber der 6. Armee die Erlaubnis zum Durchbruch nach Südwesten, weil die Armee sonst ihrer Vernichtung entgegengehe. Nachdem Göring zusichert, es sei möglich, die eingeschlossenen Truppen aus der Luft zu versorgen, befiehlt Hitler das Halten des eroberten Großteils von Stalingrad. Tatsächlich können nur Bruchteile der notwendigen Materialien in den Kessel eingeflogen werden. Mussolini gibt Hitler den Rat, den Krieg gegen Russland abzuschließen, da dieser keinen Zweck mehr habe, in der Folge wird von italienischer Seite vorgeschlagen, man möge sich in irgendeiner Form mit Stalin arrangieren.
Der versuchte Vorstoß der 4. Panzerarmee zur Sprengung des Stalingrader Kessels wird am 23.12. ohne Erfolge eingestellt. Stalingrad soll zur Bindung mehrerer Sowjetarmeen gehalten werden.
Generaloberst Paulus lehnt am 8.1.43 eine sowjetische Aufforderung zur Kapitulation ab. Darauf beginnt am 10.1. der entscheidende sowjetische Großangriff mit fünf Armeen auf den Kessel von Stalingrad, bereits am nächsten Tag gelingt der Roten Armee ein tiefer Einbruch in die deutschen Stellungen.
Zum erstenmal wird im Wehrmachtsbericht vom 16.1. zugegeben, dass die 6. Armee in Stalingrad eingeschlossen wurde.
Nach einer neuerlichen Kapitulationsaufforderung ersucht Paulus am 23.1. telegraphisch um die Erlaubnis zu Übergabeverhandlungen. Hitler verbietet die Kapitulation und ordnet an, dass die 6. Armee bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone ihre Position zu halten habe. Am 24.1.43 geht der letzte deutsche Flugplatz in Stalingrad verloren, die Eingeschlossenen werden in zwei Kessel aufgespaltet.
Paulus, soeben von Hitler zum Generalfeldmarschall befördert, kapituliert am 31.1.1943 und geht in die Gefangenschaft. Die Kunde von der Kapitulation erreicht die Reste der 6. Armee nicht in allen Stellungen, in einzelnen Bereichen wird weitergekämpft.
Am 2.2.1943 endet die Schlacht um Stalingrad. Der Wehrmachtsbericht meldet: "Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzug getreu ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls Paulus der Übermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen." Von ursprünglich 250.000 Soldaten, gehen jetzt 91.000 Überlebende ausgehungert und verletzt in Gefangenschaft, nur einige Tausend werden heimkehren.
Joachim
Wieder, ein Überlebender der Kämpfe und der Gefangenschaft, schreibt "Die
76tägige Kesselschlacht, und damit eine der blutigsten und mörderischsten Schlachten
überhaupt, war zu Ende. Aber die Tragödie für die deutschen Überlebenden setzte
sich in neuer, grausamer Art fort. Wegen der wiederholten entschiedenen Ablehnung
der russischen Kapitulationsangebote und des offensichtlichen Widerstandes der
6. Armee bis zum letzten Mann hatte es die russische Führung anscheinend nicht
für nötig gehalten, ernsthafte Vorbereitungen zur Versorgung größerer Gefangenenmassen
zu treffen. (...)
Für die große Masse der Überlebenden, die der Stalingrader
Hölle entronnen waren, dauerte das Nachspiel der Tragödie nur kurze Zeit. Sie
starben zu Zehntausenden bereits in den ersten Monaten ihrer Gefangenschaft.
Hunger und Entbehrungen, Frost und Krankheiten hatten sie noch vor dem Ende
der Kampfhandlungen zu einer sicheren Beute des Todes werden lassen. Ein monatelanges
Sterben räumte nicht nur in den auf der Stätte der Schlacht gebliebenen Lazaretten
auf. Mit den Gefangenenkolonnen zog der Tod in die verschiedenen Auffanglager
ein (..), wo überall verheerende Seuchen wüteten." (Stalingrad und
die Verantwortung des Soldaten, F.A.Herbig-Verlag, 4. Auflage 1993, Seite 154ff).
Die gesamten Kämpfe in der Region von Stalingrad dauerten etwa 200 Tagen und kosteten insgesamt rund zwei Millionen Menschenleben. Die Toten der Roten Armee und der sowjetischen Zivilbevölkerung bildeten ein Vielfaches der Verluste auf Seiten des Angreifers.
NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zog am 18.2.1943 im Berliner Sportpalast folgende Konsequenzen aus der Niederlage: "Stalingrad war und ist der große Alarmruf des Schicksals an die deutsche Nation. Ein Volk, das die Stärke besitzt, ein solches Unglück zu ertragen und auch zu überwinden, ja daraus noch zusätzliche Kraft zu schöpfen, ist unbesiegbar (...) Wir müssen uns also zu dem Entschluss durchringen, nun ganze Sache zu machen, das heißt, den Krieg um das Leben unseres Volkes auch mit dem Leben des ganzen Volkes zu bestreiten. Der totale Krieg ist das Gebot der Stunde (...) Und darum lautet die Parole: Volk steh auf und Sturm brich los!" Seiner Forderung nach dem "totalen Krieg" stimmen die Anwesenden mit rasender Begeisterung zu.
Die bisher den Nimbus der Unbesiegbarkeit tragende deutsche Wehrmacht hatte eine vernichtende Niederlage erlitten. Es ist nicht nur eine ganze Armee ausgeschaltet worden, an Kriegsmaterialien ging in Stalingrad eine Halbjahresproduktion verloren. Für den Nationalsozialismus ist diese Niederlage in jeder Hinsicht, auch innenpolitisch, der Anfang vom Ende.
in
den Ruinen von Stalingrad