Bereits in Mein Kampf hatte Hitler als wesentliches
Ziel angegeben: "Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den
ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach
dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der
Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft. Wenn wir aber heute
in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an
Russland und die ihm untertanen Randstaaten denken." Der Krieg gegen Polen und die Sowjetunion war somit nicht Schicksal, sondern Grundbestandteil
des Nationalsozialismus.
Was in der Praxis nicht nur Krieg im Osten bedeutete, sondern auch die Unterwerfung,
Versklavung, Vertreibung und Ausrottung der dort ansässigen slawischen Völkerschaften.
Dieser Aspekt des Nationalsozialismus spielte in der historischen Aufarbeitung
im Westen bis weit in die Neunzigerjahre eine recht geringe Rolle. Schließlich
blieb hier nach 1945 der Feind der gleiche: die kommunistische Sowjetunion.
Als NS-Opfer galten die Juden, politische Gegner wie Sozialdemokraten, Bürgerlichkonservative
oder kirchliche Kreise. Der Widerstand wurde auf den bürgerlichen Widerstand des
Attentats vom 20. Juli 1944 fokussiert - die politische Verfolgung der radikalen
Linken (Kommunisten) spielte in der zeitgeschichtlichen Betrachtung ebenso eine
marginale Rolle wie der Terror gegen die Ostvölker.
Dabei hatte der SS-General Erich von dem Bach-Zelewski schon im Kriegsverbrecher-Prozess in Nürnberg zu den NS-Plänen im Osten ausführlich Stellung genommen, hier Auszüge dazu aus seinen Aussagen (BZ) gegenüber dem sowjetischen Ankläger Pokrowsky (P).
P: Wissen Sie irgendetwas von dem Bestehen einer besonderen Brigade, die aus Schmugglern, Wilddieben und entlassenen Sträflingen zusammengesetzt war? |
Zum Nachlesen: Bach-Zelewski, die komplette Aussage
Der Angriff auf Polen wurde von Hitler am 1.9.1939 mit den Worten "ab
fünfuhrfünfundvierzig wird zurückgeschossen" begründet und auch der Angriff
auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 galt als Abwehr einer Bedrohung. In nazistischen,
rechtsextremen und rechtskonservativen Kreisen bis heute - die Theorie vom Präventivkrieg ist in
diesen Bereichen immer noch "historische Wahrheit", in den 90er-Jahren
zeitweise auch unterstützt durch Teile der Dokumente aus den damals geöffneten
sowjetischen Archiven.
Inzwischen haben diese Theorien ihren Boden
eingebüßt:
Die Hauptquelle für die These vom deutschen Präventivkrieg zum Schutze vor
einem bevorstehenden Angriff der Sowjetunion sind die Angaben eines Überläufers
aus der sowjetischen Militäraufklärung von 1978 namens Wladimir Bogdanowitsch
Resun, genannt "Suworow" (A.W. Suworow war ein berühmter russischer
Feldherr im 18. Jahrhundert). 1985 erschienen nach dessen Angaben mehrere
Artikel, nach denen Stalin von 1939 bis 1941 die "Operation Grosa"
(Operation Gewitter) für einen "revolutionären Krieg" gegen Deutschland
vorbereiten habe lassen. Hitler wäre mit seinem Angriff diesem Plan der Sowjetunion,
mittels eines Krieges gegen Deutschland die Weltherrschaft der UdSSR anzustreben,
am 22. Juni 1941 zuvor gekommen. "Suworow" selbst veröffentlichte 1989 das Buch
"Der Eisbrecher", das auch in Russland nach dem Ende der UdSSR große
Aufmerksamkeit fand, was vor allem dadurch begünstigt wurde, dass in der bisherigen
sowjetischen Geschichtsschreibung der Hitler-Stalin-Pakt, die Aufteilung Polens
und das Versagen der Roten Armee in der Angriffsphase des Krieges unvollständig, verkürzt,
verfälscht und geschönt dargestellt wurden.
In Deutschland fanden die Thesen
Suworows von den Anhängern Ernst Noltes (der in den Achtzigerjahren eine ähnliche
Ansicht verbreitete) enthusiastische Zustimmung: Hitler und der Zweite Weltkrieg
konnten damit rehabilitiert werden.
Stalin hatte am 5.5.1941 zum Jahresabschluss der
Militärakademien eine Rede gehalten, über deren Inhalt lange Zeit verschiedene sich widersprechende
Berichte in Umlauf waren. Eine nun aus den Archiven vorliegende Niederschrift
zeigt, dass Stalin den Um- und Ausbau der Armee lobte, aber die Ausbildung in
den Militärakademien tadelte.
Zu Deutschland sagte er, dass als Kriegsgrund
der Kampf gegen den Versailler Vertrag erfolgsmotivierend war, während
ein Krieg zur Unterwerfung anderer Völker keinen Erfolg haben werde. Zu dieser
Rede gibt es auch heute noch weitere Angaben, die in der Niederschrift keine
Erwähnung fanden, so soll nach verschiedenen Aussagen Stalin von einem unabwendbaren
Krieg mit Deutschland gesprochen haben, der Pakt von 1939 habe aber Zeitgewinn
gebracht. Als Zeitdokument ist die folgende Aussage Stalins als Antwort
auf einen Trinkspruch erhalten:
Die Friedenspolitik hat unserem Lande
den Frieden gesichert. Friedenspolitik ist eine gute Sache. Wir haben diese
defensive Linie so lange verfolgt, bis wir unsere Armee umgerüstet, mit modernen
Kampfmitteln ausgestattet haben. Jetzt aber, da unsere Armee rekonstruiert und
zur Genüge mit Technik für die moderne Schlacht ausgerüstet ist, da wir stark
geworden sind, müssen wir von der Verteidigung zum Angriff übergehen. Wenn wir
unser Land verteidigen wollen, müssen wir offensiv handeln. Von der Verteidigung
zur Militärpolitik der Angriffsoperationen. Wir müssen unsere Ausbildung, unsere
Agitation und Propaganda, unsere Presse auf die Offensive umstellen. Die Rote
Armee ist eine moderne Armee, eine moderne Armee aber ist eine Angriffsarmee.
Diese Aussage Stalins führte damals zu verschiedenen Reaktionen. Während die einen Teilnehmer vermuteten, Stalin wäre schon betrunken gewesen und hätte sich der Großsprecherei hingegeben, andere dies als Weiterführung der These sahen, in einem Konfliktfall möglichst rasch vom Verteidigungs- zum Angriffskrieg überzugehen, wurden diese Äußerungen von zwei Seiten als Aufforderung zur Vorbereitung eines Angriffskrieges gesehen. Einerseits im Nachhinein von den heutigen Vertretern der These vom Hitler'schen Präventivkrieg, andererseits sahen sich damals führende sowjetische Militärs veranlasst, schleunigst offensive Konzepte vorzulegen.
Mit Datumsangabe vom 15.5.1941 wurde in den sowjetischen Archiven ein Offensivplan
gefunden. Er ist weder vom Entwerfer unterzeichnet, noch trägt er
eine Abzeichnung Stalins.
Der Plan schlug einen Angriff auf die aufmarschierenden
deutschen Truppen vor: es sollte "dem deutschen Oberkommando auf keinen
Fall die Initiative überlassen" werden, sondern man solle "dem
Gegner beim Aufmarsch zuvorkommen und die deutsche Armee in dem Augenblick angreifen
und vernichten, da sie sich mitten in der Entfaltung befindet, die Front noch
nicht aufgebaut und das Zusammenwirken der Waffengattungen noch nicht organisiert"
ist. Danach sollte die Rote Armee die deutsche Front durchbrechen, den Süden
abschneiden und bis Ostpreußen durchmarschieren. Wäre dieser Angriff Anfang
Juni tatsächlich erfolgt, hätte er zwar die Deutschen überrascht, die mit
keinem Präventivschlag rechneten, aber wie er geplant war, hätte er nicht funktioniert:
Die Hauptkraft der Deutschen lag nicht südlich von der geplanten Durchbruchzone,
sondern der sowjetische Präventivschlag wäre fataler Weise direkt auf die
Hauptmacht der deutschen Truppen gestoßen und damit gescheitert, eine Niederlage
wäre unvermeidbar gewesen.
Aber der Plan des Präventivschlages wurde von Stalin abgelehnt, nach den Aufzeichnungen von Marschall Schukow soll ihn Stalin bei der Vorlage des Planes gefragt haben, ob er den Verstand verloren hätte, nach Schukows Hinweise auf Stalins Trinkspruch vom 5.5. sagte Stalin zu seiner Offensivrede: "Das habe ich gesagt, um die Zuhörer aufzumuntern, sie sollten an den Sieg denken, nicht an die Unbesiegbarkeit der deutschen Armee".
Damit war die Angelegenheit "Offensive" erledigt. Stalin versuchte in den nächsten Wochen weiterhin alles, um einen Krieg mit Deutschland zu vermeiden, er wäre sogar bereit gewesen, deutschen Gebietsforderungen (Westukraine) nachzugeben.
Seit dem Frühjahr 1939 hatte es in der UdSSR folgende wichtige militärische
Maßnahmen und Probleme gegeben:
Mai 1939: Beschluss zur Herstellung synthetischen
Treibstoffs und der Produktion gegossener Schichtpanzerplatten, August 1939:
Ausbau der Moskauer Metro zu Luftschutzbunkeranlagen, Verstärkung der politischen
Arbeit in der Armee, März 1940: Beschluss über die Ausbildung von über einer
Million Armeeführungskader in den nächsten drei Jahren, Militärlehrgänge für Parteimitarbeiter
werden eingerichtet, im April 1941 wird ein Mangel von rund 10.000 Armeeoffizieren
und von 100.000 Soldaten in der Luftwaffe festgestellt, die Produktion von panzerbrechender
Munition hat Probleme, 1940 war mit der Befestigung der neuen sowjetischen Westgrenze
begonnen worden, erst im April 1941 wurde angeordnet, dass auf diesen Anlagen
"Kampfbereitschaft" herzustellen sei.
Erst jetzt stimmte Stalin
der Verlegung zweier Armeen an die Westgrenze zu, im Mai wurden 28 Divisionen
an die Grenze verlegt. Die Herstellung der Gefechtsbereitschaft und die Abriegelung
der Grenze wurde von Stalin noch am 14.6.1941 abgelehnt. Stalin überschätzte
die eigenen Kräfte: zu diesem Zeitpunkt standen sich 149 sowjetische und 135
deutsche Divisionen gegenüber. Die deutschen Divisionen waren allerdings personell
stärker und weitaus besser bewaffnet, die sowjetischen Panzer und Flugzeuge
großteils veraltert, die Ausbildung der Piloten war erbärmlich. Im März war die Erneuerung bei den Rüstungsgütern, u.a.
die vermehrte Produktion der neuen Panzertypen (T34) angeordnet worden. Die
Einberufung von 900.000 Reservisten wurde ebenfalls beschlossen. Im April wurden
Truppen aus dem Fernen Osten nach dem Westen, vier Armeen in die bis 1939
polnischen Bezirke verlegt. Auf Druck der Armeeführung ordnete Stalin in der
ersten Junihälfte die erhöhte Gefechtsbereitschaft der Grenztruppen an. Allerdings
hatten alle Militärbezirke im Westen in der zweiten Maihälfte Befehl erhalten,
Pläne zur Sicherung und Verteidigung der Grenze auszuarbeiten.
Dem Militärbezirk
Kiew war im Offensivplan vom 15.5. die wesentliche Angriffsrolle zugedacht
gewesen, jetzt erhielt dieser Bezirk aber den Auftrag für die Einrichtung von
vier Deckungsräumen zur Verteidigung der Staatsgrenze inklusive der Bereitstellung
von Sicherungen des Hinterlandes (Panzersperren, Minenfelder).
Der sowjetische
"Offensivplan" blieb somit ohne praktische Auswirkungen. Erst am 21.6. ordnete Stalin die Herstellung der Gefechtsbereitschaft
an, der enorme deutsche Aufmarsch an der neuen sowjetischen Westgrenze konnte
nicht mehr ignoriert werden.
Als besonders rätselhaft erschien es der Geschichtsschreibung bisher, warum Stalin nicht auf die von allen Seiten auf ihn einstürmenden Warnungen vor einem bevorstehenden Angriffe reagierte, obwohl selbst Tag und Stunde des Angriffes den sowjetischen Stellen mehrfach vorgelegt wurde. Die heute geöffneten Quellen zeigen, dass der paranoide Stalin an eine Provokation der Engländer glauben wollte, die zum Nutzen des britischen Imperiums einen Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion entfachen sollte. Am 14. Juni 1941, genau sieben Tage vor Beginn des Überfalles, gab es eine große Erklärung in allen sowjetischen Zeitungen: "Im Ausland werden irgendwelche Gerüchte verbreitet, als ob der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt gefährdet sei und die Sowjetunion irgendwelche Maßnahmen gegen einen möglichen Angriff Deutschlands ergreife. Wir erklären hiermit, dass solche Dinge aus der Luft gegriffen sind und verlogen sind und provokatorisch sind. Die führenden Kreise der Sowjetunion können gleichermaßen erklären, dass auch Deutschland den Nichtangriffspakt peinlichst genau einhält, keinerlei Maßnahmen ergreift, um die Sowjetunion anzugreifen."
In der Kriegsvorbereitung war von deutscher Seite 1940 die Zeit vom
Angriff bis zur Eroberung Moskaus von verschiedenen Stellen auf zwei bis
fünf Monate geschätzt worden. Die Pläne für die Zeit nach dem Sieg wurden vom
Planungsstab des RSHA (Reichssicherheitshauptamt) ausgearbeitet und am 15.7.1941
SS-Führer Himmler vorgelegt.
Dieser Plan sah
vor: Kolonialisierung der eroberten Räume durch eineinhalb Millionen deutsche
Ansiedler in der ersten Phase, spätere Ausbau auf 3,3 Millionen Siedler (wozu
45 Milliarden Reichsmark bereitgestellt werden sollten), aus den nach dem deutschen
Sieg besetzten Gebieten sollten zwischen 30 und 50 Millionen Slawen ausgesiedelt
werden, in KZs sollten Baubrigaden eingerichtet werden, die die deutschen
Siedlungen errichten sollten, Vernichtungslager sollten nach der Vernichtung
der Juden die slawische Bevölkerung reduzieren, deutsche Industriekonzerne
bereiteten sich auf die Ausbeutung der Bodenschätze vor. Nach dem Sieg
über die Sowjetunion sollten nach Hitlers Direktive Nr.32 die Truppen am Ural
diesen überschreiten, im Iran und Irak einmarschieren und den Suezkanal besetzen.
Für danach wurden Kriegszüge Richtung Afghanistan und Indien ins Auge gefasst,
Deutschland sollte die Weltherrschaft erreichen.
Die UdSSR hatte 1939 rund 170 Millionen Einwohner und konnte (inklusive Miliz) ca. 9 Millionen Soldaten stellen. Weitere 12 Millionen standen als (zumindest teilausgebildete) einberufbare Reserven zur Verfügung, 1943 erreichte die ROTE ARMEE, trotz der seit 1941 erlittenen furchtbaren Verluste, einen Stand von über 13 Millionen (die deutsche Wehmacht erzielt 1943 an allen Fronten zusammen eine Höchststärke von 10,7 Millionen Mann, inklusive Infrastruktur und Ersatzheer). Das militärische Potential der Sowjetunion war 1941 somit keineswegs entscheidend geschwächt worden, die Reserven waren wesentlich größer als von deutscher Seite vermutet worden war. Durch die Verlagerung der Rüstungsproduktion hinter den Ural und ihre immense Intensivierung steigerte die UdSSR den Rüstungsausstoß von 1940 auf 1943 auf das Zweieinhalbfache. Damit und durch amerikanische Lieferungen wurde der Ausrüstungsmangel und Ausrüstungsrückstand weit gehend behoben.
Deutschseitig kam das Scheitern des "Blitzkrieges", die deutsche Niederlage in der Schlacht vor Moskau im November 1941 entschied bereits den Krieg. Der Kriegstheoretiker Clausewitz hatte schon im 19. Jahrhundert gelehrt, dass ein Überschreiten des "Kulminationspunktes des Sieges" zur Ursache der Niederlage wird.
_______________________________________________________
Carl von Clausewitz, Der Kulminationspunkt des Sieges:
Nicht in jedem Kriege ist der Sieger imstande, den Gegner völlig niederzuwerfen. Es tritt oft und meistens ein Kulminationspunkt des Sieges ein. Die Masse der Erfahrungen zeigt dies hinlänglich; weil aber der Gegenstand für die Theorie des Krieges besonders wichtig und der Stützpunkt fast aller Feldzugspläne ist, weil dabei auf seiner Oberfläche wie bei schillernden Farben ein Lichtspiel von scheinbaren Widersprüchen schwebt, so wollen wir ihn schärfer ins Auge fassen und uns mit den inneren Gründen beschäftigen.
Der Sieg entspringt in der Regel schon aus einem Übergewicht der Summe aller physischen und moralischen Kräfte, unstreitig vermehrt er dieses Übergewicht, denn sonst würde man ihn nicht suchen und teuer erkaufen. Dies tut der Sieg selbst unbedenklich, auch seine Folgen tun es, aber diese nicht bis ans äußerste Ende, sondern meistens nur bis auf einen gewissen Punkt. Dieser Punkt kann sehr nahe liegen und liegt zuweilen so nahe, dass die ganzen Folgen der siegreichen Schlacht sich auf die Vermehrung der moralischen Überlegenheit beschränken können. Wie das zusammenhängt, haben wir zu untersuchen.
In dem Fortschreiten des kriegerischen Aktes begegnet die Streitkraft unaufhörlich Elementen, die sie vergrößern, und anderen, die sie verringern. Es kommt also auf das Übergewicht an. Da jede Verminderung der Kraft als eine Vermehrung der feindlichen anzusehen ist, so folgt hieraus von selbst, dass dieser doppelte Strom von Zu- und Abfluss beim Vorgehen wie beim Zurückgehen stattfinde.
Es kommt darauf an, die hauptsächlichste Ursache dieser Veränderung in dem
einen Fall zu untersuchen, um über den anderen mit entschieden zu haben. Beim
Vorgehen sind die hauptsächlichsten Ursachen der Verstärkung:
1. der Verlust,
welchen die feindliche Streitkraft erleidet, weil er gewöhnlich größer ist als
der unserige;
2. der Verlust, welchen der Feind an toten Streitkräften als
Magazinen, Depots, Brücken usw. erleidet, und den wir gar nicht mit ihm teilen;
3.
von dem Augenblick an, wo wir das feindliche Gebiet betreten, der Verlust von
Provinzen, folglich von Quellen neuer Streitkraft;
4. für uns der Gewinn
eines Teiles dieser Quellen; mit anderen Worten: der Vorteil, auf Kosten des
Feindes zu leben;
5. der Verlust des inneren Zusammenhanges und der regelmäßigen
Bewegung aller Teile beim Feinde;
6. die Verbündeten des Gegners lassen
von ihm los, und andere wenden sich uns zu.
7. endlich Mutlosigkeit des Gegners, wobei ihm die Waffen zum Teil aus den
Händen fallen.
Die Ursachen der Schwächung sind:
1. dass wir genötigt sind, feindliche
Festungen zu belagern, zu berennen oder zu beobachten; oder dass der Feind vor
dem Siege dasselbe tat und beim Rückzug diese Korps an sich zieht;
2. von
dem Augenblick an, wo wir das feindliche Gebiet betreten, ändert sich die Natur
des Kriegstheaters (Kriegstheater = Schauplatz plus Inszenierung der Kriegshandlungen),
es wird feindlich; wir müssen dasselbe besetzen, denn es gehört uns nur so weit,
wie wir es besetzt haben, und doch bietet es der ganzen Maschine überall Schwierigkeiten
dar, die notwendig zur Schwächung ihrer Wirkungen führen müssen;
3. wir entfernen
uns von unseren Quellen, während der Gegner sich den seinigen nähert; dies verursacht
Aufenthalt in dem Ersatz der ausgegebenen Kräfte;
4. die Gefahr des bedrohten
Staates ruft andere Mächte zu seinem Schutz auf;
5. endlich größere Anstrengung
des Gegners wegen der Größe der Gefahr, dagegen ein Nachlassen in den Anstrengungen
von Seiten des siegenden Staates. (...)
________________________________________________________________________
Die Situation führte für Deutschland zunehmend in Richtung Schwächung:
Die
Schlacht um Moskau und später die Schlacht um Stalingrad waren Ereignisse zu
Punkt 1.
Die Notwendigkeit der Besetzung riesiger Gebiete laut Punkt 2 stellte
das "Kriegstheater" vom "Blitzkrieg" auf eine andere Inszenierung
um, immer größere Truppenteile konnten nicht mehr für Angriffsoperationen, sondern
mussten als Besatzungstruppen eingesetzt werden.
Die Entfernungen für den
Nachschub wurden gigantisch und kosteten ebenfalls enorme Ressourcen (Sicherung
der Transportwege!), das Verhältnis der kämpfenden Truppe zur Etappe veränderte
sich gravierend, ein Großteil der Truppe war nicht mehr im Fronteinsatz. Die
Verlegung der sowjetischen Kriegsproduktion hinter dem Ural verbesserte die
sowjetische Lage deutlich (Punkt 3).
Die UdSSR erhielt durch den Kriegseintritt
der USA (deutsche Kriegserklärung vom 11.12.1941) einen mächtigen Verbündeten
(Punkt 4).
Die sowjetische Seite kämpfte um ihre Existenz, die deutsche Besatzungspolitik
(Unterdrückungs- und Ausrottungspolitik, Massenmord an Kriegsgefangenen) steigerte
die sowjetischen Anstrengungen, deutschseits waren solche Steigerungen weder
motivierbar noch möglich (Punkt 5).
Der Kulminationspunkt des Sieges in der 1. Kriegsphase war überschritten, ab 1942 war Großdeutschland auf der Verliererstraße.
Der Krieg gegen die Sowjetunion war deutschseitig als "Vernichtungskrieg"
bezeichnet, geplant und geführt worden.
Siehe dazu: Unternehmen
Barbarossa
Fern
von allen politischen Erwägungen der Zukunft hat der Soldat zweierlei zu erfüllen:
1. die
völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjet-Staates und seiner
Wehrmacht,
2. die
erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit die
Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Russland.
Die Truppe wurde
z.B. so konkret angewiesen:
Die Verpflegung der Kriegsgefangenen und der russischen Zivilbevölkerung wurde von den Besatzern auf ein Minimum reduziert, in den Gefangenenlagern häufig überhaupt eingestellt, ja sogar die Versorgung der Gefangenenlager durch Zuführung von Lebensmitteln aus den umliegenden Ortschaften untersagt.
Die
Anzahl der Toten unter den gefangenen Rotarmisten übersteigt bis 1945 drei Millionen.
Die
Vernichtung der Zivilbevölkerung erfolgt in erster Linie über den Hunger. Beispielsweise
zeigt eine deutsche Statistik über die Versorgung der Zivilbevölkerung der Stadt
Charkow im Jahre 1942 einen Anteil der Hungertoten zwischen 33 und 77% der Todesfälle.
Die Stimmung der russischen Zivilbevölkerung wird immer verzweifelter, die Vorstellung
der deutschen Seite, die Bevölkerung der besetzten Gebiete zu reduzieren und
trotzdem ein tragbares Verhältnis aufrecht zu erhalten, erweist sich klarerweise
als Illusion. Auch wenn sich antikommunistische, nationalistische Hilfswillige
finden, die mit den Besatzern kooperieren, sie bleiben in den Augen der herrenmenschigen
Eroberer trotzalledem Untermenschen ohne Rechte, ausgeliefert auf Gnade oder
Ungnade.
Einen Vorschlag für die Verbesserung der Versorgung - ganz im NS-Geist - machte z.B.
der Ortskommandant von Kertsch: "Die Liquidation der Juden wird wegen der
gefährdeten Ernährungslage der Stadt beschleunigt durchgeführt werden."
Denn eine zu große Hungersnot ließ befürchten, dass dadurch "die Masse
der Bevölkerung den Partisanen in die Arme" getrieben werde. Und das schaffe
für "die Besatzungstruppe unerträgliche Verhältnisse" (aus einem Bericht
vom Dezember 1941).
Die Aufgabenteilung ist geregelt, hier ein Befehl von Generalfeldmarschall Runstedt vom 24.9.1941 über die Verteilung der Aufgaben unter den einzelnen Verbänden:
Momente
des Vernichtungskrieges
Eine
so säuberliche Trennung zwischen den Mordaktionen der Einsatzgruppen, den Pogromen
der ortsansässigen Antisemiten und Nationalisten und der Wehrmacht wurde in
der Praxis nicht durchgezogen.
Aus der Aussage eines SSlers über Erschießungen: "Bei der großen
Exekution Ende August 1941 in Kamenetz-Podolsk war ich beteiligt. Ich erinnere
mich, daß dort sehr viele Juden erschossen wurden. Die Juden wurden in mehreren
Gruben erschossen, die trichterförmig waren. Wahrscheinlich waren es Bombentrichter.
Die Grube, an der ich beteiligt war, hatte einen Durchmesser von etwa 20-30
m und eine Tiefe von etwa 5-6 m.
Schon auf der Fahrt zur Exekutionsstelle
sagte J. zu L., U. und mir, daß wir uns bereit halten sollten. Wir wußten, daß
wir zu einer Exekution fuhren. Als wir ankamen, hatte die Exekution noch nicht
begonnen. Es wurden mehrere Exekutionskomandos gebildet, die jeweils eine Stärke
von 4 Mann hatten. Ein Exekutionskomando bestand aus L., U., mir und einem mir
unbekannten Polizisten. Wir waren mit Maschinenpistolen ausgerüstet, die wohl
tschechischer Herkunft waren. Die Exekutionsstelle war von Polizeieinheiten
abgesperrt. Die Exekutionskomandos waren von Polizei und von SS-Angehörigen
gebildet. Die Juden kamen in einem langen Zug. Mir, L., U. und dem unbekannten
Polizisten wurde von J. befohlen, eine der Gruben zu betreten. Die Juden wurden
laufend hereingeführt. Sie mußten sich teilweise hinlegen, teilweise wurden
sie auch von uns im Stehen jeweils durch Genickschuß getötet. Es waren Männer,
Frauen und Kinder, ich erschoß jedoch nur Männer. Stockungen gab es keine. Ich
bin öfters aus der Grube gegangen, weil ich es nervlich nicht mehr durchhielt
und mich zu drücken versuchte. Doch immer wieder wurde mir befohlen, in die
Grube zurückzugehen. Insgesamt habe ich etwa ein oder zwei Stunden
dort geschossen. Dann wurden wir durch ein Polizeikomando abgelöst. Wenn ich
gefragt werde, wieviel Juden ich dabei erschossen habe, so kann ich das nicht
genau sagen. Vielleicht 50 oder 100. Ich weiß es nicht. Ein Arzt, der jeweils
den Tod der Opfer feststellen mußte, war nicht zugegen. Ich erinnere mich noch,
wie ein Jude nur angeschossen und dadurch bewußtlos war. Als er wieder zu sich
kam, schrie er, man solle ihn erschießen. Er erhielt dann den Gnadenschuß. Ich
erinnere mich weiter, daß ein junges Mädchen im Alter von etwa 20 Jahren und
ein kleiner Bub im Alter von etwa 12 Jahren zu dem anwesenden Sturmbannführer
M. sagten, sie seien keine Juden, er solle ihnen das Leben schenken. M. sprach
daraufhin mit J. und die beiden wurden freigelassen. Ich erinnere mich noch
gut, wie der Junge überglücklich in die Höhe sprang, weil ihm das Leben geschenkt
wurde. Auch das Mädchen war sehr froh. Die Exekution dauerte am ersten Tag von
10 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags."
Unter der Bezeichnung "Partisanenbekämpfung" war praktisch alles
möglich. In einem Bericht vom Oktober 1941 heißt es z.B.: " .. unter
der Führung der Abwehraußendienststelle Minsk wurden ein Politruk, 9 Partisanen,
1 Rotarmist (vermutl. Offizier) und 630 sonstige verdächtige Elemente, Kommunisten
und Juden erschossen."
Als es in Kiew nach der deutschen Besetzung
brennt, ist die Sache für die Wehrmacht klar: "Nachgewiesenermaßen Juden
an den Brandstiftungen maßgeblich beteiligt. Angeblich 150.000 Juden vorhanden.
Überprüfung dieser Angaben noch nicht möglich. Bei erster Aktion 1600 Festnahmen.
Maßnahmen eingeleitet zur Erfassung des gesamten Judentums, Exekution von mindestens
50.000 Juden vorgesehen. Wehrmacht begrüßt Maßnahmen und erbittet radikales
Vorgehen."
Die Wehrmacht bereitet den Massenmord vor: "Sämtliche Juden der Stadt Kiew
und Umgebung haben sich am Montag, dem 29. September 1941 bis 8 Uhr Ecke
Melnik- und Dokteriwsi-Straße einzufinden".
Ein Beispiel zur Behandlung der Kriegsgefangenen:
Am 24.1.1942
schreibt SS-Oberführer Deuschl aus Reval an Himmler:
Meiner
Auffassung nach geht es so wie jetzt in der Behandlung der Kriegsgefangenen
nicht weiter. Sie stellen auch größten Teils keine Arbeitskräfte mehr dar. Aus
einem Teilgebiet der O. T. weiß ich aus einer Aufstellung, dass nur 25% arbeitsfähig
sind und diese natürlich noch im beschränkten Masse; nunmehr fallen diese ganze
Stützpunkte infolge des Fleckfiebers wochenlang als Arbeitskräfte aus.
Auf
Grund meiner Beobachtung vertrete ich die Ansicht, dass hier radikal durchgegriffen
werden muss und die Hälfte der russischen Kriegsgefangenen erschossen werden
soll. In diesem Fall können wir:
1. die übrig bleibende Hälfte mit den doppelten
der bisherigen Lebensmittel versehen und haben dann wirkliche Arbeitskräfte,
2.
mit der Kleidung und der Wäsche der Erschossenen kann die übrig bleibende Hälfte
wieder halbwegs versehen werden, da doch damit zu rechnen ist, dass wir 1942
für die Kriegsgefangenen weder Kleidung noch Wäsche haben und der Zustand in
diesem Punkte im kommenden Winter noch schlechter wird.
3. bringen wir auf
diese Weise doch ziemlich wahrscheinlich die Seuchengefahr los. Wir müssen bedenken,
dass im Sommer die Gefahr von Ruhr und Typhus besteht und dass wir bei Behaltung
der bisherigen Verhältnisse auch für den kommenden Winter mit neuen Fleckfieberepidemien
rechnen müssen. Ehe mir ein deutscher Soldat, ja auch nur ein Este an einer
Seuche stirbt, sterben mir lieber 500 bolschewistischen Bestien, die übrigens
zu einem größten Teil im Laufe der Zeit bei den jetzigen Verhältnissen doch
an Hunger, Erfrieren, oder an einer Seuche eingehen müssen.
Gerade von diesem
Gesichtspunkte aus, ist mein Vorschlag noch humaner als die Beibehaltung der
bisherigen Zustände. Die Arbeit hier gefällt mir gut. Ich hoffe, dass Du gelegentlich
einmal hier her kommst. Daheim ist alles in Ordnung.
Dein Hansi Deuschl
Der
schreibende SS-Oberführer (= niedrigster SS-General) war offenbar ein persönlicher
Freund Himmlers.
Es könnte hier nun endlos fortgefahren werden mit detaillierten Schilderungen.
Seit der Ausstellungsserie "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des
Vernichtungskrieges 1941-1944" in den Neunzigerjahren ist über das Geschehen
im Osten ansatzweise auch hierzulande etwas mehr in die Öffentlichkeit gedrungen.
Die Sowjetunion hat nach den nunmehr genannten Zahlen von rund 170 Millionen
Einwohnern 26 Millionen verloren (15%), rund elf Millionen Soldaten und
fünfzehn Millionen Zivilisten. Gefallene, Erschossene, Vergaste, Verhungerte.
Im "Generalplan Ost" hatte
Himmler die Nachkriegspläne der Nazis im Osten zusammengefasst.
Im Jahre 2005 lief trotzdem das Gedenken an die sechzig Jahre seit Kriegsende
mit einem deutlichen Schwerpunkt über die Exzesse, die von der Roten Armee gegen
die österreichische Zivilbevölkerung verübt wurden. Die Verluste
an Menschen waren in der UdSSR dreimal so hoch wie die der "Ostmark",
15% zu 5%, die materielle Zerstörung unvergleichlich größer. Es hat von Besatzungssoldaten
verübte Verbrechen gegeben, viele dieser Untaten blieben unbestraft, trotzalledem:
ohne Rote Armee hätten "wir" das NS-System noch immer.
Die Herrenmenschen
unter unseren Mitbürgern werden es bedauern, dass es nicht so ist. Die anderen
sollten daran denken, dass 1945 zehntausende Rotarmisten auch für das demokratische
Österreich gefallen sind.
Danke,
Genossen.