Der Anschluss Österreichs

(dieser Abschnitt ist großteils ein Auszug aus dem Kapitel "1938")

Bis in den Tod, rot-weiß-rot - das war der Slogan der "Vaterländischen" Schuschniggs, die Praxis dann weit davon entfernt, die Klerikalfaschisten kapitulierten kampflos vor den Nazifaschisten.
Sie wussten, die Bevölkerung hatte in ihrer großen Mehrheit den österreichischen Faschismus abgelehnt, der Nationalsozialismus erschien Millionen ÖsterreicherInnen sogar als Erlösung und Zukunftshoffnung.

Man muss sich dazu die Situation noch einmal gegenwärtigen. Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, kleinliche und hinterwäldlerische Bevormundung durch katholische Kirche und katholischen Staat. Heute tun wir uns sicherlich schwer dabei, die Menschen haben im Vergleich zu den damaligen Zuständen Allgemeinbildung, sind säkularisiert und emanzipiert. Damals regierte der Herr Pfarrer, der Herr Prälat, der Herr Schullehrer, alles war schwarz, schwarz, schwarz. Da wirkte selbst das Braun der Nazis wie eine hellere Hoffnung. Statt Not und Elend, mittelalterlichem Stumpfsinn und salbungsvoller Beharrlichkeit auf angeblich "gottgewollten" Verhältnissen, winkten Arbeit, Einkommen, besserer Lebensstandard, mehr selbstbestimmte Lebensplanung und ein aufstrebender deutscher Nationalstaat. Dass in Nazideutschland die Oppositionsparteien verboten und unterdrückt waren, stieß in der breiten Masse der Bevölkerung auf wenig Bedenken, die Oppositionsparteien waren ja auch in Österreich verboten. Dass Hitler längst den Krieg plante, wäre erfahrbar gewesen - für politisch Interessierte, aber nicht für die Alltagsmenschen. Denen war die bisherige österreichische Regierungspropaganda eben unglaubwürdige Regierungspropaganda, die außerdem eine kritische Auseinandersetzung mit dem NS-System vermied und aus dem Alltagsleben erschien deshalb Hitler als Alternative zu Schuschnigg. Eine freie Wahl hätte damals in Österreich sicherlich eine Mehrheit für die NSDAP gebracht.

Dass bereits eineinhalb Jahre später wieder ein großer Krieg geführt werden würde, haben wohl die wenigsten erwartet. Noch weniger werden erwartet haben, dass dieser Krieg mit einer Niederlage enden wird.
Der Anschluss an Nazi-Deutschland erfolgte mit großer österreichischer Zustimmung!

In Innsbruck hatte Schuschnigg am 9.3. eine Volksbefragung über die staatliche Unabhängigkeit Österreichs angekündigt. Es war dies der letzte Versuch, dem Druck der Nazis entgegenzutreten, die sich inzwischen in Österreich bereits völlig offen bewegen. Hitler befiehlt am nächsten Tag die Mobilmachung in Bayern, die angesetzte Volksbefragung wird als Sabotage des Berchtesgadener Abkommens vom Februar 1938 bezeichnet.

11. März: An die Wehrmacht werden die Weisungen zum Einmarsch nach Österreich ausgegeben ("Unternehmen Otto"), Schuschnigg wird zur Absage der Volksbefragung und zum Rücktritt gezwungen. Die Aussage Schuschniggs, er habe auf Grund eines Berliner Ultimatums zurücktreten müssen, wird zurückgewiesen, der Rücktritt sei innerhalb der österreichischen Regierung gefordert worden (von den Nazis Seyss-Inquart und Glaise-Horstenau). Unter dem Vorwand, es gebe kommunistische Unruhen, soll Seyss-Inquart als neuer österreichischer Kanzler deutsche Militärhilfe anfordern. Seyss-Inquart schickt die ihm von Göring anbefohlene Depesche zwar nie ab, man handelt den Einmarsch telephonisch aus.

Am 12. März um 5h30 marschieren die deutschen Truppen in Österreich ein - "Ich habe mich entschlossen, den Millionen Deutschen in Österreich nunmehr die Hilfe des Reiches zur Verfügung zu stellen. Seit heute morgen marschieren über alle Grenzen Deutschösterreichs die Soldaten der deutschen Wehrmacht". Militärischer Widerstand wird auf Befehl Schuschniggs nicht geleistet, der Staatssekretär für Landesverteidigung, General Zehner, verübt Selbstmord. Der "Anschluss" wurde mehrteilig bewerkstelligt: Druck auf die österreichische Regierung, innerhalb dieser Regierung durch die auf deutsches Verlangen installierten Nazis, Aufruhr der Nazis an der politischen Basis, militärischer Einmarsch.

Bereits um 20h gibt es an diesem Tag die erste Großkundgebung mit Hitler in Österreich: Am Linzer Hauptplatz sagt er zu seinen zahllosen Anhängern: "Wenn die Vorsehung mich einst aus dieser Staat heraus zur Führung des Reiches berief, dann muss sie mir damit einen Auftrag erteilt haben, und es kann nur der Auftrag gewesen sein, meine teure Heimat dem deutschen Reich wiederzugeben! "

Einen Tag später wird bereits das Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich im Ministerrat verabschiedet. Das Bundesheer wird sofort als Bestandteil der Wehrmacht dem Befehl Hitlers unterstellt, für den 10. April wird eine Volksabstimmung angesetzt. Bundespräsident Miklas verweigert zwar die Unterschrift auf dem Anschlussgesetz, tritt aber zurück und überträgt seine Funktion dem neuen Kanzler. Damit endet die Selbständigkeit Österreichs.
Siehe dazu: Die Annexion Österreichs


Am 12.3.38 verkündet der Völkische Beobachter die "Befreiung der Ostmark"


die "Siegesnummer" des berüchtigten "Österreichischen Beobachters"


aus der Illegalität melden sich die Revolutionären Sozialisten und die Kommunisten -
die Schuschnigg-Regierung hatte die Arbeiterparteien bis zuletzt nur hingehalten und
war auf Angebote, gemeinsam Widerstand gegen die Nazis zu leisten, nicht eingegangen

Die Politik der österreichischen Klerikalfaschisten hatte die Grundvoraussetzungen für den problemlosen Übergang eines großen Teiles der österreichischen Bevölkerung ins Nazilager geschaffen: Die restriktive Wirtschaftspolitik sorgte für das Anhalten der Wirtschaftskrise und das gleichbleibend hohe Niveau der Arbeitslosigkeit.

Österreich hatte nach dem 1. Weltkrieg das Bruttonationalprodukt von 1913 erst 1927 wieder erreicht, aber bereits 1929/30 folgte durch die Weltwirtschaftskrise ein schwerer Rückschlag, 1933/34 lagen die BNP-Werte ungefähr bei 80% von 1913, stiegen dann zwar mit der Erholung der Weltwirtschaft wieder leicht an, erreichten aber bis zum Anschluss an Deutschland das Niveau von 1913 nicht wieder - das Bruttonationalprodukt stieg in Deutschland von 1933/34 bis 1937 um ca 45%, in Österreich nicht einmal um 10% und das von einem niedrigen Ausgangsniveau.

Die wirtschaftliche Situation wurde verschärft durch die Ausschaltung der Arbeiterbewegung 1934, was deren Funktionsfähigkeit als wichtigste antinazistischen Kraft im Lande weit gehend lähmte, weiters belastete die Menschen die Beherrschung des Kultur- und Geisteslebens und selbst vieler Aspekte des Alltags durch ein absolut widerwärtiges katholisches Bevormundungssystem, das alles trug dazu bei, dass aberhunderttausende Menschen in Hitler den Erlöser aus diesen allseitigen Bedrängungen sahen.

Die bisherige politische Führung Österreichs flieht zum Teil nach Ungarn oder in die CSR, Bundespräsident Miklas bleibt unbehelligt, Kurt Schuschnigg wird verhaftet. Dieser verbringt die Zeit des "Dritten Reiches" als privilegierter Häftling im KZ Dachau, 1948 geht er in die USA, von 1967 bis zu seinem Tode im Jahre 1977 lebt er in Innsbruck, für seine katastrophale Politik wird er von österreichischer Seite nie zur Verantwortung gezogen.

Der "Anschluss" wird von den anderen Staaten zur Kenntnis genommen, Proteste gibt es seitens der Sowjetunion, der spanischen Republik und von Mexiko.


Hitler auf der Linzer Landstraße - die SA-Männer am Straßenrand tragen noch
die "Uniform" aus der Zeit des NSDAP-Verbotes: weiße Hemden, weiße Stutzen

Der deutsche Einmarsch war alles andere als frei von Problemen. Treibstofflos liegengebliebene Panzer, endlose Stauungen in den Marschkolonnen rufen die Wut Hitlers auf die mehr als mangelhafte Planung und Vorbereitung der Militäroperationen gegen Österreich hervor. In Wien war deswegen sein triumphaler Einzug eine Zeitlang vergebens erwartet worden, erst am 15.3. verkündet Hitler auf der berühmt-berüchtigten Großkundgebung am überfüllten Heldenplatz in Wien "vor der Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich."
Der Drang der Ostmärker in die NSDAP ist groß. Über 600.000 Volksgenossen strömten in die Partei. Das Handbuch für die neuen Mitglieder wird wegen der großen Nachfrage neu aufgelegt. 


Überall dichtgedrängte Nazi-Massen...


...das größte Gedränge gab es in Wien auf dem Heldenplatz

Miteinmarschiert in Österreich sind eine Division SS und 16.000 Polizisten. Die österreichische Staatspolizei hat brav ihre Akten über die politischen Gegner aufgehoben, die Nazis haben ihre eigenen Verhaftungslisten und in kurzer Zeit sind bereits 50.000 Österreicher in Haft. Die Zahl der jubelnden Nazis ist allerdings wesentlich größer.
Die Festgenommenen werden überwiegend nach kurzer Inhaftierung wieder freigelassen, es ging vor allem darum, potentiellen Gegnern den Herrn zu zeigen. Am 1.4. geht der erste Transport verhafteter Österreich ins KZ Dachau ab. U.a.: Robert Danneberg, Viktor Mateyka, Josef Kimmel, Leopold Figl, Alfons Gorbach, Rudolf Kalmar, Josef Gerö, Egon Hilbert. Die GESTAPO-Liste des Transportes blieb erhalten.


die NSDAP plakatiert ihre ersten Opfer aus Österreich

In der CSR begrüßt die Sudetendeutsche Partei Henleins die "Heimkehr des alpenländischen Deutschtums" - mehrere kleinere deutsche Parteien in der CSR schließen sich der Einheitsbewegung der pronazistischen Sudetendeutschen Partei an. Die Partei muss in der Folge sogar eine Aufnahmesperre verhängen.

Die restriktive Finanzpolitik der österreichischen Klerikalfaschisten kommt jetzt der deutschen Staatskasse zugute: Der österreichische Bestand an Gold und Devisen im Werte von rund 220 Millionen Reichsmark ist fast dreimal so hoch wie der deutsche. Der Umtauschkurs Schilling in Reichsmark wird mit 1 RM = 1,50 Schilling festgesetzt, ein Kurs der nicht unbedingt auf allen Gebieten der Kaufkraft entspricht, aber über dem Außenwert des Schillings liegt.

Am ohnehin schon sehr eingeschränkten Zeitungsmarkt in Österreich werden etliche Blätter eingestellt, bei anderen werden Redakteure durch Regierungskommissare ersetzt, an alte Kämpfer und Gemeindeämter werden 20.000 Volksempfänger verteilt.


Plakat zur Volksabstimmung, die politische Erfolgsliste Hitlers


100% mit JA?

Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich um keine geheime Abstimmung handelte, den "unsicheren Volksgenossen" entsprechende "Abstimmungshilfe" zukam und Zehntausende in Haft waren oder an der Abstimmung nicht teilnehmen konnten, so ist es doch anzunehmen, dass bei einer freien Abstimmung (mit zugelassener Nein-Propaganda und entsprechender internationaler Überwachung wie 1935 im Saarland) auch eine deutliche Mehrheit für den "Anschluss" gestimmt hätte. Die Entscheidung zwischen dem herabgewirtschafteten Österreich und dem prosperierenden NS-Deutschland wäre kaum zugunsten des Schuschniggsystems ausgefallen. Wen es interessiert, der kann sich hier das Programm zum "Tag des Großdeutschen Reiches" ansehen, mit dem der NS-"Wahlkampf" zur Anschlussabstimmung am 9.4.38 abgeschlossen wurde. Aus Deutschland wird mit dem Anschluss der Ostmark Großdeutschland.

Für die Nazis wurde eifrig Beihilfe geleistet: Die katholischen Bischöfe sprachen davon, dass es "selbstverständliche nationale Pflicht" sei, mit JA zu stimmen (18.3.), der evangelische Oberkirchenrat bekannte sich "vorbehaltlos zum Werk des Führers" (1.4.) und der erste Kanzler der Republik, der Sozialdemokrat Karl Renner, meinte "obwohl nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluss nunmehr vollzogen. (...) Als Sozialdemokrat und somit Vertreter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen (...) werde ich mit JA stimmen" (3.4.).


das Schreiben der österr. Bischöfe zur Abstimmung über den "Anschluss" ,
den Begleitbrief zeichnete Kardinal Innitzer mit "Heil Hitler"


so wurde die feierliche Erklärung der Bischöfe verlautbart


von den Bischöfe bis zur Kronen Zeitung, alle einheitlich für Hitler - wenn auch nicht alle freiwillig dem
Führer folgten, gezwungen musste die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung dazu nicht werden


Wahlplakat der Nazis - man tat so, als müsse man einen Wahlkampf führen

Die Volksabstimmung (plus Reichstags"wahl") am 10. April über den Text:
"Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?"
bringt das folgende offizielle Resultat:

JA:

4,443.208

NEIN:

11.807

ungültig:

5.763


Erfolgsmeldungen mit 100% sind nicht selten

Auf Plakaten, Briefmarken und in Millionen Köpfen: Ein Volk, ein Reich, ein Führer:

 


zur deutschen Wehrmacht darf alsbald auch eingerückt werden


die "Deutsche Arbeitsfront" als Pseudogewerkschaft wird eingerichtet


die Anbiederung an die Nazis erfolgt auf allen Gebieten, hier die katholischen Lehrer:
voller Eifer für das deutsche Volk und das deutsche Hakenkreuz

In Wien, wo es viele Juden und eine große Anzahl jüdischer Gewerbebetriebe und Geschäfte gibt, läuft, wie NS-Funktionäre berichten, die Arisierung weit radikaler als im Altreich. Mit unglaublicher Brutalität wird gestohlen, geplündert und enteignet. Wobei die Mehrheit der Geschäfte und Betriebe nicht weitergeführt, sondern zugesperrt wird, viele der jüdischen Einzelhändler und Handwerker betrieben zu armselige Geschäfte, es ging darum vorwiegend um die Ausschaltung von Konkurrenten. Zehntausende österreichische Juden können noch emigrieren, zehntausende werden dem Holocaust zum Opfer fallen. Siehe dazu den Bericht eines Emigranten, der seine Eltern in Wien zurücklassen musste: Ich sah sie niemals wieder. Auch Gerhard Bronner, der bekannte Kabarettist, war ein Opfer der Rassenideologie, er erinnerte sich 1988 an 1938.
Was ziemlich unbekannt sein dürfte: der ältere Bruder von Gerhard Bronner fiel 1934 als Schutzbündler im Kampf gegen die Klerikalfaschisten.


Ein "Judenjungen" muss ein Haus mit "Jud" beschmieren,
ein strammer Nazi mit Armbinde und Knickerbocker genießt seine Macht


mit antisemitischen Losungen beschmiertes Geschäft

Hier zu den bis in die Gegenwart andauernden Diskussionen über die Entschädigung
von NS-Opfern die Vermögenserhebung durch die NS-Behörden vom April 1938:

Damalige Kapitalvermögen auf die heutige Zeit aufzurechnen, wäre nach den Währungsreformen von 1945 und 1947 sicherlich problematisch, doch beliefen sich allein schon jüdische Sachvermögen auf rund 880 Millionen Reichsmark, was nach heutigem Geldwert etwa 47 Milliarden Schilling / 3,4 Milliarden Euro wären, wovon man zwar Arisierungserlöse, soweit diese tatsächlich von den ehemaligen Eigentümern realisiert werden konnten, und ebenso geleistete Wiedergutmachungen abziehen müsste, aber in die Milliarden gingen die Ansprüche auf alle Fälle. Und das nach Zahlen aus den eigenen Erhebungen des NS-Regimes!


manche Firma wehrt sich in Inseraten gegen den
existenzgefährdenden Verdacht, jüdisch zu sein


ehemals jüdische Firmen verkünden ihre "Arisierung"


andere Firmen machten Geschäfte mit entsprechenden Geschäftsschildern

Nach und nach wurden die NS-Bestimmungen in Österreich eingeführt. Am 14.4. etwa die Reichsfluchtsteuer, nach der Auswanderungswillige ein Viertel ihres Vermögens als Steuer abzuführen haben, am 19.4. wurde der Arbeitsdienst eingeführt. Die Nürnberger Rassegesetze folgten am 20.5. Für die ideologische Bildung der österreichischen Bevölkerung gibt es nicht nur politische Veranstaltungen. Die gleichgeschalteten Zeitungen, der Rundfunk, die Kino-Wochenschauen verbreiten die nationalsozialistische Frohbotschaft. Im Kino läuft der Riefenstahl-Film "Triumph des Willens".

Für die Menschen, die keinen Grund zum Jubeln haben, die keinen Grund zum Jubeln sehen, wird auch sogleich vorgesorgt.


Eingangstor des KZ Dachau - im April traf der erste Transport politischer Häftlinge aus der "Ostmark" ein,


Hitlers Geburtshaus in Braunau wird zum Wallfahrtsort.
Nach 1945 dauert es bis 1989 und bedurfte großen antifaschistischen Engagements
bis ein Gedenkstein für die Opfer aufgestellt werden konnte.


Geehrt werden auch die Nazi-Putschisten vom Juli 1934 - "Und Ihr habt doch gesiegt".
Ihr Sieg lag vor allem darin, dass in der Bevölkerung die Sympathie für die NSDAP
durch den NS-Mord am verhassten Klerikalfaschisten Dollfuß stark gestiegen war.

Am 25.4. ernennt Hitler den Gauleiter Josef Bürckel (einen später in Ungnade gefallenen Alkoholiker, in Wien wird er "Bierleiter Gaukel" genannt) zum "Reichskommissar für die Wiedervereinigung". Zwar war Österreich nie Teil eines deutschen Reiches gewesen, den Anschluss an Deutschland nennt man trotzdem "Wiedervereinigung".
Für viele der "alten Kämpfer" und illegalen Nazis erfüllen sich indessen die politischen Wunschträume nicht. Bei der Postenvergabe wird auf sie weniger Rücksicht genommen als auf die Bedürfnisse des Angleichens der "Ostmark" an das "Altreich", preußische Experten sorgen für die neue deutsche Ordnung.


Gauleiter Bürckel, Innenminister Frick, Propagandaminister Goebbels


Universität Wien, im choreographischen Gleichklang
versammelt man sich am 26.4. zum neuen NS-Semester

Die Arbeitslosenzahl beläuft sich am 30.4. im Altreich auf 423.000, in Österreich auf 416.000, seit dem Anschluss haben bereits 120.000 eine Arbeitstätigkeit aufgenommen. Bis zum Kriegsbeginn 1939 verschwindet die Arbeitslosigkeit im ehemaligen Österreich fast vollständig, 1938/39 wuchs das Bruttosozialprodukt um mehr als 25%. Allerdings gab es besonders bei den Lebensmitteln auch erhebliche Preissteigerungen gegenüber dem vormaligen österreichischen Niveau. Die Verbesserungen der Lebensverhältnisse erfolgte weit vorwiegend durch die Zunahme der Zahl der Beschäftigten.

Bereits am 13.5. gibt es in Linz den Spatenstich für die Reichswerke Hermann Göring, der nachmaligen VOEST.


Daraus wurde die größte Rüstungsproduktionsstätte Großdeutschlands: das Eisenwerk in Linz

Am 22.5. wird die Gaueinteilung in der Ostmark durchgeführt. Von den neun Bundesländern verbleiben die sieben Gaue Ober- und Niederdonau, Steiermark, Salzburg, Wien, Kärnten und Tirol.

Am 8.8. wird eine erste Gruppe von Häftlingen aus Dachau nach Mauthausen überstellt, man beginnt dort ein KZ zu errichten, von wo aus vor allem in den Mauthausner Steinbrüchen Häftlinge Material für Monumentalbauten des Dritten Reiches gewinnen sollen.


Zur Geschichte dieses Konzentrationslagers siehe: KZ Mauthausen

Am 1. Oktober 1938 marschiert die Wehrmacht auf Grund des Münchner Abkommens in die CSR ein. Das Sudetenland war mit Zustimmung der Westmächte an Deutschland abgetreten worden. Dazu hätten die Nazis sogar unerbetene Hilfe erhalten. Der ehemalige Kanzler und führende Sozialdemokrat Dr. Karl Renner hatte schon beim "Anschluss" mit seinem Aufruf, mit JA zu stimmen eine höchst negative Rolle gespielt. Dann hatte er versucht, sich noch direkter an die neuen Machthaber anzudienen.
Er verfasste eine Broschüre "Die Gründung der Republik Deutschösterreich, der Anschluß und die Sudetendeutschen - Dokumente eines Kampfes ums Recht". Sein Pech: Hitler war schneller als die Herausgabe der Broschüre bewerkstelligt werden konnte.


erst 1990 wurden die Druckfahnen der Broschüre der österreichischen Öffentlichkeit vorgelegt,
der "Führer" benötigte seinerzeit die Hilfe Renners nicht mehr

Nachdem sich Mitglieder der Katholischen Jugend nach einer Messe im Stephansdom am Stephansplatz NS-kritisch manifestiert hatten, demolieren am 8.10. etwa 100 HJler das bischöfliche Palais in Wien.
Diese Kundgebung der KJler blieb bis 1945 die einzige öffentliche Protestveranstaltung. Der Widerstand, der sich in der österreichischen Bevölkerung formiert, wird hauptsächlich von den Kommunisten getragen und muss sich in tiefster Illegalität bewegen. Bereits eine Spende für die "Rote Hilfe" (illegale Organisation, die Familien von Inhaftierten unterstützt) kann zu einer Anklage wegen "Hochverrat" führen.


GESTAPO-Foto von Leo Kuhn, der im November 1938 wegen "Hochverrates" verhaftet wurde,
Haft und KZ mit viel Glück überlebte, rechts Leo Kuhn auf einer Befreiungsfeier in Mauthausen

Am 21.10. kann die großdeutsche Erfolgsbilanz gezogen werden, Goebbels bezeichnete die "Heimholung von zehn Millionen Deutschen" als "Größtes Wunder der Weltgeschichte".

Die "Ostmark" ist fest in Nazihand, wie ein Radioreportagentext aus Wien über die Ausschreitungen am 9. und 10.11. ("Reichskristallnacht") beweist.

Andererseits: Die österreichische Nation
Eine Entwicklung, die erst Jahrzehnte später wahrnehmbar sein wird, findet in dieser Zeit seine Ausgangsbasis.
Die deutschsprachigen Menschen in Österreich hatten sich nach dem Ende der Monarchie Österreich-Ungarn im kleinen "Restösterreich" mit Selbstverständlichkeit als der deutschen Nation zugehörig gefühlt. Die im Vergleich mit den anderen Nationalstaaten verspätete Bildung eines deutschen Nationalstaates (1870/71 im Zuge des Krieges gegen und des Sieges über Frankreich) hatte die deutschsprachige Minderheit in der Monarchie nicht einbezogen. Der Zerfall dieses Staates schien notwendigerweise zum "Anschluss" an das deutsche Reich führen zu müssen.
Der nun erfolgte tatsächliche Anschluss an das Deutsche Reich brachte jedoch nicht nur den Jubel der Nazis und der anderen engagierten Deutschnationalen. In den "Mühen der Ebene" des Zusammenlebens mit den sich gerne forsch gegen die "schlappen Ostmärker" inszenierenden "Piefke" förderte die Bildung eines Nationalbewusstseins, das es vor 1938 höchstens in Ansätzen, aber nicht im Massenbewusstsein gegeben hatte.
So legte Hitlerdeutschland unbeabsichtigt bis 1945 den Grundstein dafür, dass heute die überwältigende Mehrheit der ÖsterreicherInnen eine Frage, ob man Deutscher sei, verneinend beantworten wird.

1938 war Hitlers Triumphjahr
Das Jahr 1938 wird in der Folge das Jahr des bisher größten Triumphes für Hitler. Obwohl er bereit zum Krieg war, wurde Österreich ohne Widerstand "heim ins Reich" geholt, im Herbst fiel ihm das Sudetenland friedlich in die Hände, die Wirtschaft florierte, die Arbeitslosigkeit war auf ein unvermeidliches Minimum abgesunken, die NS-Welt schien einer blühenden Zukunft entgegen zu gehen. Wenn dann bloß "der Krieg nicht gekommen" wäre, wie man von der damaligen jungen Generation noch Jahrzehnte später hören konnte. Denn Hitler und die Nazis haben diesen Krieg scheinbar nicht geplant, er ist "gekommen", plötzlich war er da. Solange Großdeutschland von Sieg zu Sieg eilte, fand auch der Krieg unter sehr großen Teilen der Bevölkerung begeisterte Zustimmung. Trübsinnig wurde die Stimmung erst als klar war, dass man nicht mehr um den Sieg, sondern mit letzten Kräften gegen die Niederlage kämpfte ...