Am 7.10.1939, fünf Wochen nach dem deutschen Überfall auf Polen, unterzeichnete Hitler einen Erlaß, der den Chef der SS Heinrich Himmler zum "Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" machte und ihn dadurch mit der "Zurückführung" der Reichs- und "Volksdeutschen" aus dem Ausland und mit der "Ausschaltung des schädlichen Einflußes volksfremder Bevölkerungsteile" beauftragte. Himmler wurde außerdem zur "Gestaltung neuer Siedlungsteile" ermächtigt.
Hitler und Stalin hatten am 23.8.1939 in einem geheimen
Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt Osteuropa in
Interessensgebiete aufgeteilt. Nach dem Sieg über die polnische Armee wurde
dann im Oktober ohne Zögern mit der "Eindeutschung" der besetzten westpolnischen
Gebiete begonnen.
Die SS war als Terrororgan für die "Sicherheit" im Lande
zuständig. Dabei wurden durch den Holocaust, aber auch infolge von Massenmorden
an z.B. der Intelligenz über sechs Millionen polnische Bürger umgebracht, d.h.
jeder fünfte Einwohner kam ums Leben.
Himmler hatte schon 1939 "Einige Gedanken über die Behandlung der
Fremdvölkischen im Osten" zu Papier gebracht, die die Essenz der deutschen
Germanisierungs- und Ostpolitik enthielten. Die Grundidee bestand darin, die
Bevölkerung des Ostens zunächst in möglichst viele Teile zu zersplittern und die
in deutschen Augen "rassisch minderwertigen" - das war die überwiegende Mehrheit
- zu unterdrücken. Himmler sah die Lösung seiner Probleme in der Erziehung,
Sichtung und Siebung der Jugendlichen. Er schlug vor: "Für die nichtdeutsche
Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige
Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches
Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein
göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich, fleißig und
brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich. Außer dieser Schule darf
es im Osten überhaupt keine Schule geben."
In der
weitergeführten Version Himmlers sollte dann "diese Bevölkerung (..) als
führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich
Wanderarbeiter und Arbeiter für besondere Arbeitsvorkommen stellen." Dieses Vorhaben bezog sich besonders auf das
"Generalgouvernement", also den mittleren und südlichen Teil Polens (Bezirke
Warschau, Krakau, Radom und Lubin). Juristisch war das Generalgouvernement ein
"Nebenland" des Deutschen Reiches, d.h. eine Art Kolonie. 40/41 gab Himmler den
Befehl, eine Gesamtkonzeption auszuarbeiten, die den Rahmen der
Germanisierungspolitik in den bereits annektierten und noch zu erobernden
Ostgebieten zwischen Oder und Ural abstecken sollte.
An der Ausarbeitung waren mehrere
Dienststellen der SS beteiligt, in erster Linie der Chef der Planungsabteilung
Konrad Meyer. Der sandte Ende Mai 1942 dem Reichsführer SS die
befohlene Denkschrift "Generalplan Ost - Rechtliche, wirtschaftliche und
räumliche Grundlagen des Ostaufbaus".
Die Grundskizze
des Generalplan Ost war diese: Die "deutschen Ostkolonien" sollten durch die
Besiedlung auf "Lehenshöfen", die von Hitler vergeben wurden, germanisiert und
"heim ins Reich" geholt werden. In diesen "Siedlungsmarken" sollten unter
Leitung eines "Markhauptmannes" Siedlungspolitik und -planung, Siedlerauslese
und -einsatz, Siedlungsdurchführung, -verwaltung und -finanzierung betrieben
werden.
Als Siedlungsmarken waren zunächst das Petersburger Land, Krim und
Chersongebiet, das Memel- und Narewgebiet und außerdem 36 "Siedlungsstützpunkte"
geplant. Die Kosten des Projektes, das in fünf Fünfjahresabschnitten vollzogen
werden sollte, wurden mit 45,7 Milliarden Reichsmark geplant. Sie sollten durch
Mittel des Reichshaushalts, durch Kreditschöpfung, durch "Tributleistungen der
besiegten Gegner" und durch eine "Oststeuer" beschafft werden.
Unter der
Überschrift "Menschenbesatz für die Eindeutschung der eingegliederten
Ostgebiete" hieß es im Generalplan: "Die Eindeutschung wird als vollzogen
angenommen, wenn einmal der Grund und Boden in deutsche Hand übergeführt worden
ist, zum anderen, wenn die beruflich Selbstständigen, die Beamten,
Angestellten, gehobenen Arbeiter und die dazugehörigen Familien deutsch sind."
Dieser "Menschenbedarf" sollte aus dem Altreich, durch Umsiedler aus Übersee,
durch "germanische" Siedler aus Europa und durch "Eindeutschungsfähige" in den
besetzten Ostgebieten selbst gedeckt werden.
Im Juli
1942 hatte Himmler gegen den Widerstand der zivilen deutschen Behörden in Krakau
die Einsiedlung von 27.000 "Volksdeutschen" im Kreis Zamosc, dem ersten deutsche
"Großsiedlungsgebiet" im Generalgouvernement angeordnet. Im November 1942 wurde
der Befehl in Form eines Überfalls ausgeführt. Tausende polnischer Bauern wurden
zwangsevakuiert, um Platz für die "Volksdeutschen" zu schaffen. Die Folgen waren
aber zurückgehende Ablieferquoten der Landwirtschaft und die Zunahme des
polnischen Widerstands. Im Frühjahr 1943 wurde die Zamosc-Aktion
eingestellt.
Die in den vom Generalplan Ost betroffenenen Gebieten lebende Bevölkerung,
die nicht dem NS-Rassenideal entsprach, sollte mit
Enteignung und Entrechtung, mit Pflicht zur Sklavenarbeit für die neuen Siedler,
mit Deportation (nach Sibirien) und durch Ausrottung vertrieben bzw. vernichtet
werden: "Es sei zu erwägen, ob nicht durch die Industrialisierung des baltischen
Raumes zweckmäßigerweise die rassisch unerwünschten Teile der Bevölkerung
verschrottet werden könnten". Einige NS- Funktionäre
wollten sie nach Rußland abschieben, andere träumten von einer
Dreiklassengesellschaft, bei der die "Fremdvölkischen" im Lande bleiben konnten.
So herrschte über das Schicksal der betroffenen Menschen keine Klarheit. Geplant
war die Umsetzung des Generalplan Ost in 30 Jahren.
Himmler erschien dieser
Zeitraum als zu lang und er verkürzte die "Eindeutschung" erst auf 25 und dann
auf 20 Jahre. Differenzen zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen der SS
und des Ostministeriums und Zweifel an der Umsetzung des Planes scheinen aber
nicht der Hauptfaktor für das Scheitern der Planung gewesen zu sein. Das
Hauptproblem war eher die fehlende Motivation und Stärkung des
"Siedlungstriebes", denn das "Volk ohne Raum" drängte bei weitem nicht so heftig
in die neuen Siedlungsräume, wie die NS-Propagandisten
verkündeten und wie die Vollstrecker des Germanisierungswahnes wünschten: "Wie
aus dem Plan hervorgeht, sollten 14 Millionen Fremdvölkische in dem Raum
verbleiben. Ob diese jedoch innerhalb der vorgesehenen Zeit von 30 Jahren
wirklich umgevolkt und eingedeutscht werden, erscheint mehr als zweifelhaft, da
auch nach dem vorliegenden Plan die Anzahl der deutschen Siedler nicht gerade
beträchtlich ist."
"Im Ostministerium
interessiert nun aber ganz besonders die Frage, wo die rassisch unerwünschten
Polen verbleiben sollen. Mehr oder minder 20 Millionen Polen in Westsibirien
zwangsweise geschlossen anzusetzen, bedeutet zweifellos eine ständige, kompakte
Gefahr des sibirischen Raumes, ein Herd des ständigen Aufruhrs gegen die
deutsche Ordnungsmacht (..) Das man die Polenfrage nicht in dem Sinne lösen
kann, dass man die Polen wie die Juden liquidiert, dürfe auf der Hand liegen.
Eine derartige Lösung der Polenfrage würde das deutsche Volk bis in die ferne
Zukunft belasten und uns überall die Sympathien nehmen, zumal auch andere
Nachbarvölker damit rechnen müßten, bei gegebener Zeit ähnlich behandelt zu
werden (..) Mehrere Millionen der uns gefährlichsten Polen im Wege der
Auswanderung in Südamerika unterzubringen, erscheint nicht unmöglich."
Es muß an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden:
Der Generalplan Ost sah bis zu 20 Millionen Menschen als "überflüssig", d.h. als
zur Ermordung bestimmt, an! (Anm.: Himmler soll sogar von 30 Millionen Slawen
gesprochen haben, die liquidiert werden sollten, siehe Aussage
von Bach-Zelewski).
Himmler war mit dem Plan, der ihm im Juli 1942
vorgelegt wurde, nicht recht zufrieden. Er fühlte sich falsch verstanden: "In
dem Zwanzigjahresplan müsse die totale Eindeutschung von Estland und Lettland
sowie des gesamten Generalgouvernements enthalten sein". Der Vorschlag, nur mit Stützpunkten zu arbeiten, gefiel Himmler ebenfalls nicht.
Er stellte sich die Germanisierung des Ostens flächendeckend vor. Von diesen
Visionen und Wunschträumen, bei deren Realisierung etliche Millionen Menschen
vertrieben, versklavt und vernichtet werden sollten, ließen die Anhänger des
Germanisierungswahns auch nicht ab, als sich das "Kriegsglück" längst gewendet
hatte.
Noch im August 1944 verkündete Himmler unter stürmischem Beifall: "Über das
Problem, dass wir die Hunderttausende von Quadratkilometer (..), die wir
verloren haben, im Osten wieder holen, brauchen wir uns überhaupt nicht zu
unterhalten. Das ist ganz selbstverständlich. Das Programm ist unverrückbar.
(..) Wenn es den Kosaken geglückt ist, sich für den russischen Zaren bis ans
Gelbe Meer durchzufressen und das gesamte Gebiet allmählich zu erobern, dann
werden wir und unsere Söhne es in drei Teufels Namen fertigbringen, Jahr für
Jahr, Generation für Generation unsere Bauerntrecks auszurüsten und von dem
Gebiet, das wir zunächst hinter der militärischen Grenze haben, immer einige
hundert Kilometer zunächst mit Stützpunkten zu versehen und dann allmählich
flächenmäßig zu besiedeln und die anderen herauszudrängen. Das ist unsere
Aufgabe."
Im gleichen Monat erreichte die Rote
Armee Ostpreußen, und wenig später begann die Flucht aus den
Ostgebieten.
Nach der militärischen Zerschlagung des Nationalsozialismus
sollte gemäß des Willens der Alliierten das deutsch-polnische Problem durch die
Vertreibung aller Deutschen aus Polen auch aus dem künftigen polnischen
Territorium radikal gelöst werden. Angesichts der deutschen Herrschaft auf
polnischem Boden und der deutschen Besatzungspolitik 1941-44 in Rußland waren
Regungen des Mitleids für die künftigen Betroffenen der Vertreibung
unwahrscheinlich.
Der Drang von Nationalsozialismus
und Kapital nach Osten und die Methoden, mit denen er für kurze Zeit
verwirklicht wurde, zerstörten auch die Grundlagen des Zusammenlebens der
deutschsprachigen Bevölkerung in Rumänien, in Ungarn, in der Tschechoslowakei,
in Jugoslawien und in Rußland mit ihrer Umgebung, so dass auch diese Menschen zu
großen Teilen ihre bisherigen Wohnorte verlassen mußten.
Diese Umsiedlung war
dabei nichts anderes als die Konsequenz aus der
deutschen Gräuelherrschaft über die Staaten Osteuropas!
gekürzt aus nadir.org
Anmerkung dazu: Nach der Stalingradniederlage 1943 verlor Himmler
das Interesse an einer endgültigen Fassung des Plans. Hitler befahl die Einstellung der
Planungen von Nachkriegsprojekten.
Der imperiale Kriegszug nach Osten war jedoch
ein Hauptmotiv
der NS-Ideologie, siehe dazu Hitlers Mein Kampf
- die Umsetzung der "Entvölkerung" des Ostens hatte durch den "Vernichtungskrieg"
gegen die Sowjetunion längst begonnen. Durch den Sieg der Roten Armee über die
deutsche Wehrmacht blieb dieser imperiale "Generalplan" unausgeführt.
Wobei man durchaus vermuten könnte, dass der Völkermord an den Juden deswegen
ein singuläres Ereignis blieb - die mögliche "Übertrumpfung" des Holocaust
durch den Generalplan Ost scheiterte am realen Kräfteverhältnis.